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Sachte ziehen meine Finger kleine Kreise auf dem rosa Papier des Notizblocks vor mir. Ich versuche seit einer Stunde weiter an meinem Album zu schreiben, aber mir fällt nichts ein. Frustriert atme ich aus und lasse meinen Kopf mit einem dumpfen Geräusch auf den Tisch fallen.

So sehr ich auch versuche mich zu konzentrieren, meine Gedanken landen immer wieder beim gestrigen Treffen mit Shawn und meiner Entscheidung, kein weiteres Lied mit ihm aufzunehmen.

Meine Reaktion auf das Wiedersehen mit Shawn war sehr merkwürdig. Mein Herz hat unwillkürlich schneller geschlagen und ich konnte mich nicht richtig konzentrieren. Wahrscheinlich ist die Freude, Shawn nach mehreren Jahren wieder zu treffen, der Grund für mein Verhalten gewesen. Ich dachte schließlich, dass unsere Freundschaft für immer verloren wäre. Ehrlich gesagt bin ich mir nicht sicher, ob unsere Freundschaft nicht doch zerbrochen ist.

Nachdem Shawn mir damals seine Gefühle gestanden hatte, hat sich unsere Beziehung zueinander sehr verändert. Wir haben dem Anderen keine privaten Dinge mehr erzählt, und das, obwohl wir uns zuvor über alles unterhalten konnten. Ich kenne zum Beispiel immer noch Shawns große Angst, verloren im Meer umherzuschwimmen - und er weiß von meiner Angst vor Haien Bescheid.

Selbstverständlich kann ich nachvollziehen, dass mein damaliger bester Freund verletzt gewesen ist, da ich die Gefühle nicht erwidert habe. Ich weiß, ich hatte eigentlich etwas für ihn empfunden, aber ich konnte es ihm nicht sagen. Ich habe meinem immerhin Vater versprochen, mich Shawn nicht zu sehr nähern. Möglicherweise hätte ich mich getraut, Shawn die Wahrheit zu gestehen, wenn ich meinem Vater nicht das blöde Versprechen gegeben hätte. Vielleicht wäre ich aber auch trotzdem zu feige gewesen.

,,Okay, stopp!", rufe ich mir selber zu und schüttele den Kopf. Über Shawn nachzudenken ist falsch, schließlich bin ich mit Sebastian zusammen. Das mit Shawn ist Vergangenheit und ich sehe in ihm nur noch einen ,,guten" Freund. Bekannte trifft es vermutlich sogar besser.

Ich hole einen Kugelschreiber aus meinem Federmäppchen hervor und beschließe, endlich an weiteren Liedern zu schreiben. Nach mehreren Minuten Überlegen fallen mir endlich einige Worte ein, die ich ohne weiter über sie nachzudenken, aufschreibe.

I only told the moon, tonight up on the roof.

Es ist nur eine Zeile, aber immerhin habe ich etwas geschafft. Der Satz entstammt aus meiner Vorstellungskraft und hat keine Bedeutung für mich. Trotzdem bin ich stolz auf ihn, auch wenn er sehr kurz ist.

Es klopft an der Eingangstür. Das müsste Sofia sein. Wir wollten uns zum Mittagessen im Studio treffen und möchte sie mir gerne beim Arbeiten helfen, was ich unfassbar süß finde.

Ich öffne die Tür und treffe wie erwartet auf meine jüngere Schwester, die mit einer Plastiktüte in der Hand durch den Türrahmen tritt. ,,Hey", begrüßt sie mich mit ihrer hohen Mädchenstimme.

,,Hey", erwidere ich und ziehe die elfjährige in eine kurze Umarmung.

,,Ich habe Essen mitgebracht." Sie stellt die Tüte auf dem Tisch ab und holt zwei viereckige Schachteln hervor.

,,Pizza?", harke ich nach und hoffe, dass es Pizza ist. Als Sofia nickt, mache ich einen kleinen Freudensprung. Ich liebe es zu essen. Im Gegensatz zu Sebastian oder meiner Mutter nehme ich auch nicht so schnell zu.

,,Diese Pizza gehört dir." Mit ihren zierlichen Händen schiebt sie einen Karton zu mir rüber. ,,Mit extra viel Tomatensauce und Ananas, wie auch immer du das essen kannst. Welcher Mensch mag denn bitte Ananas auf seiner Pizza?" Meine Schwester rümpft die Nase. Mit meinem Finger pikse ich ihr in die Stelle unter die Rippen, weshalb sie zusammenzuckt.

,,Wag es ja nicht, meine Lieblingspizza zu beleidigen!" Gespielt wütend schaue ich sie an, jedoch kann ich mir ein Lachen nicht verkneifen und fange daher an zu lachen. Die Dunkelhaarige steigt mit ein.

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,,Ich muss dir etwas erzählen!" Meine beste Freundin zieht mich an meinem Handgelenk ins Haus, noch bevor ich meine Schuhe ausgezogen habe. Dann haut sie die Tür zu und rennt - immer noch mein Handgelenk haltend - in ihr Schlafzimmer.

Abendkleider in verschiedenen Farben und Kleiderbügel liegen verteilt auf dem grauen Teppich. Die Schminke auf Amandas Schreibtisch ist zum Teil umgeworfen.

,,Was ist hier passiert?", frage ich mit hochgezogenen Augenbrauen. Amanda ist eigentlich eine der ordentlichsten Personen, die ich kenne.

Meine beste Freundin hat, genau wie ich, lateinamerikanische Wurzeln. Sie ist Kubanerin. Ich hingegen bin zur Hälfte Kubanerin und zur anderen Hälfte Mexikanerin. Kuba, das Heimatland meiner Mutter, liegt mir jedoch viel mehr am Herzen, weil ich dort geboren wurde.

,,Ryan und ich gehen heute Abend essen und ich habe nichts zum Anziehen", lamentiert die junge Frau und verschränkt die Arme. Ryan ist Amandas Freund. Die beiden haben sich vor einigen Jahren auf der High School kennengelernt und sind seitdem zusammen.

Ich blicke einmal durch ihr Schlafzimmer. ,,Spinnst du? Jedes dieser Kleider ist wunderschön."

Ein Kleid sticht mir jedoch besonders ins Auge. Es ist ein langes himmelblaues Kleid mit dünnen Träger, das am Ende des Rocks mit kleinen Schmucksteinen verziert ist. Ich hebe das Kleid, das neben ihrem Bett liegt auf und halte es hier.

,,Probier das mal an." Sie öffnet gerade ihren Mund, aber bevor sie eine Silbe ausspricht, unterbreche ich sie. ,,Du musst es nicht beim Date anziehen, zieh dich erst mal nur um. Dann gucken wir weiter." Dann dränge ich sie ins Bad, dessen Tür sich neben dem Kleiderschrank befindet.

Einige Minuten später betritt Amanda das Zimmer wieder. Der Stoff schmiegt sich an ihrer Taille eng an und fällt dann locker zu Boden.

,,Das sieht wunderschön aus", bewundere ich das Kleid und natürlich auch meine beste Freundin. Die Farbe des Kleids passt perfekt zum Olivton ihrer Haut.

Amanda betrachtet sich mit zusammengezogenen Augenbrauen vor dem Spiegel und schüttelt dann den Kopf. ,,Ich sehe fett au-"

Sofort spreche ich dazwischen. ,,Hör auf das zu sagen. Du bist wunderschön und das weißt du."

Sie seufzt. ,,Findest du wirklich, dass das schön aussieht?"

,,Ja, das ist mein ernst. Er wird es lieben." Aufmunternd lächele ich ihr zu. Sie ist viel zu streng mit sich selbst.

Amanda schluckt, wodurch ihr Kehlkopf hüpft. ,,Okay, ich werde es heute Abend anziehen. Hilfst du mir mit dem Make-Up?", erwidert sie, nachdem sie sich ein letztes Mal im Spiegel angeschaut hat.

Den Rest der Zeit bis zur ihrem Date verbringen wir damit, sie zu schminken und ihre dunkelbraunen Haare zu stylen.

Wir sind fast fertig mit dem Zurechtmachen, als mir einfällt, dass ich noch gar nicht weiß, was die beiden unternehmen. ,,Wohin geht ihr?", frage ich sie daher.

Amandas Mundwinkel zucken. ,,Wir gehen in das Strandcafé. Ryan hat mich eingeladen, weil er weiß, wie viel es mir bedeutet." Ihre Worte bringen mich zum Grinsen und mein Herz macht einen kleinen Hüpfer.

Amanda und ich haben uns als Kinder in einem Strandcafé kennengelernt. Wir waren dort essen und da fast alle Plätze besetzt waren, mussten sich unsere Familien, die sich damals nicht kannten, einen Tisch teilen. So wie achtjährige Kinder sind, haben Amanda und ich angefangen uns zu unterhalten und heute, dreizehn Jahre später, sind wir beste Freundinnen.

Used To This [S.M. & C.C. Fanfiction]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt