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Aggressiv radierte ich wieder das zweite Auge meiner Zeichnung weg. Warum war das so schwer? Das Erste hatte ich doch auch ganz schnell fertig. Erneut setzte ich den Stift an, um ein augenähnliches Etwas zu erschaffen. Nach einigen weiteren Versuchen gab ich auf und malte einfach Haare darüber. Traurig sah ich auf die, nun zu langen, Haare von Jin. Verzweifelt griff ich wieder nach dem Radiergummi. "Mianhae Jin-hyung", murmelte ich und radierte erneut die rechte Seite seines Gesichtes weg.

Ich hörte die Treppe zu meinem Zimmer, dass sich im Dachgeschoss befand, knarzen. Wahrscheinlich wollte meine Mutter mir wieder Gesellschaft leisten. Dafür hatte ich nun aber keine Nerven, weshalb ich ihr zurief, dass ich gerade keine Zeit hätte.

Nur am Rande nahm ich wahr, wie jemand etwas murmelte. In dem Moment dachte ich mir, dass es nur meine Mutter gewesen war, die sich darüber beschwerte, dass Jugendliche in der Pubertät ja so anstrengend wären. Ich konzentrierte mich also wieder auf meine Zeichnung und drehte die Musik etwas lauter. Eines meiner Lieblingslieder, Spring Day, lief gerade und ich sang etwas unbeholfen und schief mit, aber mich störte das eher weniger, es konnte mich ja keiner hören. Dachte ich.

Durch leises Gefluche wurde ich aus meinen Gedanken gerissen. Verwundert sah ich zu meiner Zimmertür und erblickte dort niemand anderen, als Kim fr*ckn Namjoon persönlich. Als wäre das noch nicht genug, kamen nach und nach die restlichen Member von Bts in mein Zimmer, inklusive Kameramänner. Sie mussten leider, mit Ausnahme von Jimin und Yoongi, etwas gebückt stehen, da meine Zimmerdecke etwas sehr tief lag.

Ich rutschte auf dem kleinen Tisch auf dem ich saß, da ich meinen Stuhl kaputt gemacht hatte, etwas nach hinten. Warum auch immer, ich tat es einfach. Leider etwas zu weit, denn ich verlor mein Gleichgewicht und landete schimpfend auf dem Boden. Ich hatte genau gesehen, wie sich alle sieben, ja auch Yoongi, das Lachen verkneifen mussten. Elegant wie ein Nilpferd rappelte ich mich auf und sah zu meinen sieben Idolen hinauf.

So in echt waren sie dann doch recht groß. Auch Jimin. Der war im Vergleich zu mir ein Riese. Prüfend sah ich auf seine Füße, jedoch trug er keine Plateauschuhe, sondern nur einfache Hausschuhe. Wo hatte er die denn bitte her? Ich konnte mich nicht daran erinnern, dass wir welche besaßen.

Als ich wieder hochsah, erblickte ich direkt Jimins grinsen. Dieser kleine- große-ach egal.

Namjoon räusperte sich und automatisch sahen alle zu ihm. Mit einem wirklich wundervollen britischen Akzent erklärte er mir, dass ich anscheinend einen Wettbewerb gewonnen hatte und nun mit ihnen gemeinsam verreisen würde. Verwundert sah ich ihn an. Ich hatte an einem Wettbewerb teilgenommen? Ich war zwar vergesslich, aber sowas vergaß doch nicht mal ich.

Ich versuchte also ihnen irgenwie zu erklären, dass nicht ich der Gewinner war, sondern irgendein anderer glücklicher Army. Yoongi sagte irgendetwas auf Koreanisch, woraufhin ich ihn mit einem  'Dein Ernst- Blick'erdolchte. Namjoon übersetzte für mich, aber ich war mir nicht ganz sicher, ob Yoongi das tatsächlich so gesagt hatte, da Jimin ihn, auch auf Koreanisch, zurechtwies. „Er hat gefragt, warum du uns ganz offen sagst, dass du nicht am Gewinnspiel teilgenommen hast, du hättest damit doch nur deine Chance auf eine Reise mit uns vertan.", sagte Namjoon. „Da hast du recht. Um ehrlich zu sein weiß ich selbst nicht, warum ich euch das gesagt habe. Wahrscheinlich, weil es unfair wäre, wenn ich die Situation ausnutzen  und somit den Traum eines anderen zerstören würde.", antwortete ich verlegen.

Ich war eigentlich kein barmherziger Mensch, aber irgendwie hatte die Anwesenheit meiner Idole gereicht, um derart selbstlos zu sein.

Namjoon übersetzte für die anderen was ich gesagt hatte und schon ging eine hitzige Diskussion los. Ich verstand leider kein Wort. Das einzige, woran ich mich orientieren konnte, waren Namen und als meiner fiel, wurde mir bewusst, dass sie vermutlich darüber stritten, was sie nun mit mir tun würden.

Geistesgegenwärtig stellte ich endlich die Musik ab und drehte meine Zeichnung um, dafür war es zwar eh schon zu spät, aber das war mir in dem Moment egal.

„Ist schon okay, ihr müsst jetzt sicherlich weiter zum eigentlichen Gewinner. Es war schön euch mal zu sehen. Vielen Dank für alles.", meinte ich bedrückt, verbeugte mich und lächelte sie noch einmal an, wartete darauf, dass sie nun wieder gehen würden und ich in Selbstmitleid versinken könnte. Sie stoppten ihre Diskussion und starrten mich an.

Namjoon übersetzte schnell und sie sahen mich nun geschockt an. „Wir hatten gerade darüber geredet, ob wir dich nun mitnehmen, oder doch lieber den nächsten auslosen sollten.", begann Namjoon, wurde jedoch von Jimin unterbrochen, der mich anstrahlte und etwas holprig sagte, dass ich sie begleiten sollte. Das war nicht ihr ernst, oder? Überwältigt sah ich sie an. Sollte ich zustimmen? Aber ich würde damit sicherlich den Traum eines anderen Fans zerstören. Könnte ich das wirklich übers Herz bringen?

„Tja er will wohl nicht, also können wir jetzt weiter? Ich will mich endlich wieder hinsetzen.", meinte Yoongi genervt. Ich wusste es! Der Junge konnte flüssig Englisch sprechen, war aber nur zu schüchtern, um es zu tun. „Ich komme mit.", sagte ich entschlossen und sah dabei Yoongi direkt in die Augen. Schlechte Idee. Er war nicht ohne Grund mein Bias.

Ich verschluckte mich an meinem eigenen Atem und fing erbärmlichst an zu husten. Jimin kam sofort zu mir und versuchte mir zu helfen, indem er mir vorsichtig auf den Rücken klopfte. Auch die restliche Maknae-Line, bestehend aus Taekook, wie ich die beiden immer nannte, eilte zu mir, um mir zu helfen. Ich konnte förmlich spüren, wie Yoongi mich mit Blicken erdolchte, während ich langsam wieder atmen konnte.

Mir war klar, dass ich nie mit auch nur einem Mitglied der Boyband befreundet sein könnte, ich hatte ja nicht einmal erwartet, sie je zu treffen, aber dass ich mich direkt mit meinem Bias verfeinden würde, hatte ich nie erwartet. Als ich wieder einigermaßen gut atmen konnte, ließen die drei Jungs von mir ab und Namjoon erklärte mir, dass ich eigentlich direkt mit ihnen mitkommen hätte sollen, da das aber zu spontan war beschloss er, dass sie mich am Ende der Woche abholen würden, da dann auch die Ferien begannen.

„Und wie lange verreisen wir?", fragte ich. „So circa zwei Wochen, außer es kommt etwas dazwischen.", meinte Namjoon. Ich nickte. Zwei Wochen mit meine Idolen. Innerlich starb ich einen qualvollen Fanboy Tod.

Namjoon meinte dann leider bedrückt, dass sie nun wieder los müssten, weil sie noch einiges abzuklären hatten, da ich ja nicht sofort mitbekommen konnte. Ich nickte verständnisvoll und sie gingen wieder nach unten.

Das war leichter gesagt als getan, da meine Treppe ziemlich steil war, doch sie schafften es mit ein wenig Überwindung alle wohlbehalten nach unten. Die zweite Treppe überwanden wir alle mühelos. Sie zogen sich alle Straßenschuhe und Jacken an und dann waren sie auch schon weg.

Ich stand wohl ziemlich lange an der offenen Tür und grinste wie bescheuert, da meine Mutter mich einfach rein zog und die Tür zuschmiss. „Ich kann dich sowieso nicht davon abhalten, also geh hoch in dein Zimmer, schrei einmal laut und ruf dann deine Freundinnen an, du darfst gehen.", meinte sie lächelnd.

Glücklich umarmte ich sie und rannte auch schon zurück in mein Zimmer. Dort angekommen schmiss ich mich lächelnd auf mein Bett und schrieb meinen zwei besten Freundinnen eine kurze Nachricht bezüglich der Reise.

Ich war einfach kein Mensch, der viel redete oder schrieb. Selbstverständlich verlangten die beiden nach Details und quetschten nach und nach alles aus mir heraus. Sie waren zwar keine Kpop Fans, freuten sich aber trotzdem riesig für mich.

Immer noch lächelnd schaltete ich mein Handy aus und genoss den Tag, der überraschend schnell vorbei war. Ich hatte seit Ewigkeiten nicht mehr so lange gelächelt. 

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So fertig geschämt und korrigiert... Wie konnten das Menschen mögen? Spaß. So halb.

What if...Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt