Unsanft riss mich am nächsten Morgen mein Wecker aus dem Schlaf. Nachdem ich gestern noch kurz mit meinen Eltern telefoniert hatte, war ich auch schon eingeschlafen. Ich schlüpfte schnell in meine Reithose und zog mir gleich Stiefelletten und Chaps an. Draußen hörte ich bereits, wie die Hufe über die Steine trappelten und schließlich auf dem nassen Boden der Koppeln verstummten.
Meine braunen Haare band ich zu einem hohen Zopf und verschwand danach kurz ins Bad. Hier oben gab es nur ein Badezimmer, welches wir uns alle teilen würden. Gut ich könnte mir besseres vorstellen, aber es war immer hin schöner, als draußen auf irgendein Plumsklo gehen zu müssen.
Eine halbe Stunde später saß ich in der Küche und aß ein Brötchen mit Marmelade. Durch das Küchenfenster konnte ich bereits sehen, wie Herr Wagner, Nick und noch ein paar andere Leute sich um die Ställe kümmerten. Anscheinend war es ziemlich warm draußen, denn alle Typen rannten im T-Shirt rum. Die drei Frauen, die dort noch mithalfen trugen alle nur einen Pulli. Bevor ich auch nach draußen ging, holte ich mir meine Weste von oben und zog diese über meinen dunkel blauen Pullover.
Mit einem lauten "Morgen!", machte ich mich im Stall bemerkbar. Es war schwer das Motorengeräusch des Traktors zu übertönen. Trotzdem hörten mich so ziemlich alle und aus einigen Ecken kam ein "Morgen", zurück. Herr Wagner kam auf mich zu und drückte mir eine Forke in die Hand.
"Guten Morgen Melanie, na wie war die erste Nacht?"
"Gut, wo soll ich mit hin?"
"Geh da hinten hin. Du kannst schon mal den Mist von hinten nach vorn an die Tür räumen." Ich tat, wie er es mir befohlen hatte und ging in eine leere Box am Ende der Stallgasse. Natürlich führte mich mein Weg aber kurz zu Geysir, um ihn zu begrüßen. Neugierig streckte mir der junge Wallach seinen Kopf entgegen.
"Na mein Schöner, wie war deine erste Nacht?" Lächelnd streichelte ich seine Stirn. Er schnaubte zufrieden und steckte seine Nase wieder zurück in den Heuhaufen, der in seiner Box lag. Trotz des ungewohnten Trubels hier im fremden Stall, stand er mit seinem Boxennachbarn sehr ruhig.
Ich setzte meinen Weg fort und betrat die Box. Hier lag ordentlich Stroh drin. Ok, was heißt Stroh...es war eigentlich Mist. Auch im alten Stall hatte ich einige Male beim Misten geholfen und ich ahnte, dass ich wohl länger an dieser Box zu knabbern hatte. Schon der erste Versuch, ein weinig auf meine Forke zu kriegen, bestätigte meine Vermutung. Alles war so fest getrampelt, dass ich mein ganzes Körpergewicht brauchte, um irgendwas locker zu kriegen.
"Was hat der Gaul hier drin gemacht? Stepptanz?", fluchte ich vor mir her und versuchte erneut etwas auf meine Forke zu bekommen. In dem Moment sah ich in meinen Augenwinkel eine andere Person. Hoffentlich hatte diese mein Fluchen eben nicht gehört... Hastig drehte ich meinen Kopf. Da stand Nick, der mich belustigt ansah.
"Na? Verzweifelst du?" Ich erwiderte sein Lächeln und nickte, dabei strich ich mit meinem Unterarm über meine Stirn und sah auf diese feste Strohmatte. Nun stach Nick mit seiner Forke gewaltsam in das Stroh und hatte sofort ordentlich was auf der Gabel. Das war ja klar, ich war mal wieder zu schwach für alles. Ich tat es ihm gleich und nachdem ein Anfang gemacht war, konnten wir den Mist immer schichtenweise abtragen. Der Trecker kam vorgefahren und nun schmissen wir den Mist gleich auf den kleinen Hänger. Ich fühlte mich so nutzlos, als ich immer wieder sah, wie viel Mist Nick auf seiner Forke hatte und dann kam da so ich...Man das war doch Käse hier....Während er ruckzug seine erste Ecke leer hatte, war ich immer noch mit meiner ersten Ecke beschäftigt. Mit vollem Körpereinsatz kam ich aber dann auch noch voran. Nachdem wir diese Horror Box geschafft hatten, zog ich mir erstmal meine Weste aus und hing sie bei Geysir vor die Box. Ab zur nächsten.....
Zwei Stunden später waren wir mit allen Boxen durch. Erschöpft ließ ich mich in der Küche auf einen Stuhl fallen und trank mein Glas mit einem Zug leer. Den Muskelkater spürte ich jetzt schon und an meinen Handflächen bildeten sich kleine Blasen. Den Durst gestillt, ging ich zurück nach draußen in den Stall. Ich musste mein Pferd für die erste Reitstunde fertig machen.
In der Stallgasse band ich ihn an und holte mein Putzzeug. Jeden Striegel und jede Kardätsche, die ich benutzte musste ich ihm erst einmal zeigen, obwohl er das alles kannte. Ich fing an mit meinem Striegel zu putzen. Als ich am Widerrist angekommen war, legte Geysir sofort seinen Kopf schräg und streckte seine Oberlippe nach vorn.
"Uw, das tut gut..", sprach ich die vermutlichen Gedanken meines Pferdes aus und lächelte. Nach einer Viertelstunde war ich fertig und kuschelte noch ein wenig mit ihm. Herr Wagner kam in den Stall und blieb bei mit stehen.
"Dann wollen wir mal euch beiden unsere Halle zeigen. Helm auf, satteln und dann geht's los."
Ich musste sagen, etwas nervös war ich schon. Wie würde mein neuer Reitlehrer wohl meinen Sitz beurteilen? Ob sich Geysir benehmen würde? Immerhin war er noch nie in einer anderen Halle. Solche Gedanken gingen mir durch den Kopf. Gamaschen, Streichkappen, Sattel, Vorderzeug und Trense an mein Pferd angebaut, führte ich ihn hinter Herrn Wagner her. Während des Sattelns hatte er mich genau beobachtet. Immerhin musste er sich ja vergewissern, dass ich mein Tier richtig satteln konnte. Aufgeregt tänzelte Geysir neben mir in die Halle.
Seine Kopf trug er hoch, die Ohren horchten abwechselnd nach vorn und nach hinten. Auch den Schweif hatte er etwas aufgestellt. Aufgeregt blähte er Luft aus seinen Nüstern. Hinter mir führte Nick einen alten Wallach ebenfalls in die Halle. Wahrscheinlich war er dazu da, um Geysir Sicherheit zu geben. Zusammen gingen wir drei Runden in der Halle. Geysir orientierte sich schnell an dem Älteren und folgte ihm braf. Dadurch ging mein Puls ebenfalls etwas runter.
Ich führte ihn in die Mitte der Bahn und machte mich bereit zum aufsteigen. Noch einmal nachgurten, Zügel rüber, Steigbügel runter und schon schmiss mich Herr Wagner auf meinen Zossen. Oben fischte ich schnell nach meinen Bügeln und tätschelte ihm lobend den Hals. Nick stieg ebenfalls auf und so ritten wir erst wieder ein paar Runden zusammen durch die Halle. Jetzt schon achtete ich darauf, dass ich die beste Figur auf dem Pferd machte, die ich geben konnte.
"Geb ihm erstmal etwas Zügel, damit er sich dehnen kann!", rief Herr Wagner mir zu. Ich ließ die Zügel etwas aus der Hand. Geysir streckte sich sofort Richtung Boden und ließ seine Nase über den Sand wandern. Das machte er immer. Auch wenn ich zu Hause mit ihm ausgeritten war. Wie so ein Trüffelschwein.
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Go for it!
Teen FictionMelanie ist eine 19 jähriges Mädchen, welches eine Ausbildung zur Pferdewirtin auf dem Gestüt in Marbach machen will. Gerne würde sie mit ihrem Wallach Geysir mehr zusammen wachsen und vielleicht ein paar Turniere beschreiten. Doch sie traut sich n...