ᒍᑌᗰᑭ

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Der Juli neigte sich dem Ende zu und somit auch langsam, aber sicher die Turniersaison. Zwar hatten wir noch ein paar Turniere vor uns, jedoch war die Anzahl übersichtlich.

Geysir und Nick hatten sich schon durch drei Pacoure kämpfen können und ich konnte mir mit Jack einen vierten Platz sichern.
Das Turnierreiten bereitete mir wieder mehr Spaß und langsam schlich sich der Gedanke in meinem Kopf, mal wieder gegen ein kleines Kreuz zu reiten. Zuerst tat ich den Gedanken in die hinterste Ecke meines Gehirns, denn ich bekam sofort wieder weiche Knie, wenn ich ans Springen dachte.

Doch auch wenn ich abends mit Nick zusammen im Bett lag, beschäftigte mich die Idee.
Schließlich entschloss ich mich dazu, einfach mal auf dem Springplatz zu reiten und zu schauen, ob ich wirklich wollte oder nicht.

Etwas in Gedanken, wie damals auch vor jeder Springstunde, putzte und sattelte ich Geysir. Ihn ritt ich alle drei Tage Vormittags und da heute Nick und Theo nicht da waren, ergriff ich die Gunst der Stunde, um mal allein zu reiten und mit meiner Konzentration voll beim Pferd zu sein.

In aller Ruhe arbeitete ich ihn draußen auf dem Springplatz, wie auch sonst in der Halle. Ich ließ ihn oft über ein paar Stangen traben und das nur, damit mein Kopf damit klar kam, Dinge zu überwinden. Mit Stangen oder Cavalettis hatte ich zwar nie Probleme gehabt, aber ich merkte, wie mir die häufige Wiederholung, Sicherheit gab.

Schließlich traute ich mich. Ein wenig juckte es mir in meinem Finger, mal ein kleines Kreuz zu versuchen und so steuerte ich gerade, in einem ruhigen Trab, auf das Hindernis zu.
Zu meiner Überraschung rannte mein Wallach nicht los, wie ich es von ihm gewohnt war, sondern blieb die ganze Zeit über unter Kontrolle. Nick hatte wirklich großartige Arbeit geleistet.

Noch zwei weitere Male sprang ich das Kreuz, bevor ich strahlend die Zügel lang ließ und meine Arme um den Hals des Tieres schlang.
Nach einer kleinen Schrittrunde im Gelände, sattelte ich ihn ab und kühlte noch seine Beine mit Wasser. Stolz wie Bolle, stellte ich ihn zurück in die Box und gab ihm seine tägliche Portion Äpfel.
Auch, wenn ich früher mal gegen A Sprünge geritten war, war ich dennoch unfassbar stolz auf mich, dass ich dieses kleine Kreuz gesprungen war.
Und es fühlte sich irgendwie noch besser an, dass nur ich davon wusste und niemand sonst.

Ob ich es jemanden erzählen würde, wusste ich nicht. Zumindest tat ich es beim gemeinsamen Abendbrot nicht. Theo und Nick waren von ihrem Ausflug, zu einem bekannten Bauern zurück und Martha und Ingrid waren wie immer da gewesen.

"Und was hast du den ganzen Tag gemacht?", fragte mich Nick und trank einen Schlunk aus seinem Glas.
"Ach, heut Vormittag bin ich Geysir dressurmäßig geritten und am Nachmittag war ich den ganzen Tag bei den Fohlen und habe fleißig mit ihnen geübt", erzählte ich die halbe Wahrheit, denn der zweite Teil stimmte ja.

"Wann ist eigentlich die Fohlenschau?", fügte ich noch gleich die Frage an damit zu meinem Tag keine weiteren mehr kommen würden.

"Am 4. August."

"Das ist ja schon dieses Wochenende!", stellte ich fest und die Butter wieder zurück an ihren Platz.
Theo nickte zustimmend, obwohl er mir diese Antwort gegeben hatte.
Die Fohlenschau würde zum Glück bei uns stattfinden, weshalb wir mit unseren Tieren nirgendwo hinfahren brauchten. Alle anderen müssten zu uns kommen.

"Am Freitag, werden wir alles aufbauen und vorbereiten. Samstag sind alle Sportpferde dran und Sonntag Kaltblüter und Ponys. Auf dem Springplatz werden wir das Präsentieren der Fohlen machen und auf dem Paddock hinter dem Stall, werden sie gechipt und eingetragen. Bereitet bitte die Box von Soundcheck als Brand Box vor. Einige Züchter wollen vielleicht ihr Fohlen gebrandmarkt haben."

Nickend nahmen wir seine Anweisungen entgegen.

"Kriegen unsere auch ein Brandzeichen?", fragte ich neugierig.

"Ja, schon allein, damit man einen Max nicht für einen Moritz verkaufen kann. Dieses Brennen stößt zwar auf viel Kritik, welche ich auch nachvollziehen kann, aber die Fohlen werden es nach drei Tagen wieder vergessen haben und bisher hat noch kein Pferd einen Schaden davon getragen."

Da ich zu der Gruppe gehörte, die das Brennen, als nicht sonderlich nützlich und ziemlich brutal ansah, nickte ich nur kurz und wandte mich wieder meinem Essen zu.
Theo hatte seine Entscheidung genügend begründet und außerdem waren es seine Pferde. Er konnte machen, was er wollte.
Wenn ich eines Tages ein Fohlen großziehen würde, konnte ich es ja anders machen.

Wir sprachen noch über die bevorstehende Hengstleistungsprüfungen für die Junghengste und philosophierten über ihre hoffentlich baldigen Erfolge. Insgesamt 5 Hengste waren dieses Jahr an der Reihe. Die Prüfung würde entscheiden, ob sie weiterhin Hengst bleiben durften, oder ob sie von nun an ihr Leben als Wallach fortführen würden.

Nach dem Essen saßen Nick und ich draußen in der Werkstatt. Seit fast einem halben Jahr schraubte er nun an diesem Motorrad und gab einfach nicht auf. Manchmal ging es sogar an, aber dann auch gleich wieder aus.
Nebenbei redeten wir über die kommende Silberhochzeit meiner Eltern. Theo hatte uns bereits frei für ein paar Tage gegeben, sodass wir allmählich entspannt unsere Koffer packen konnten. Nach der Fohlenschau würde es losgehen. Ganze vier Tage nach Hause und das auch noch mit meinem Freund. Ich freute mich so darauf ihn meiner Familie vorzustellen. Ich war jetzt schon gespannt auf ihre Reaktionen.

Mit meiner Mutter telefonierte ich fast jeden Tag. Sie war so aufgeregt, dass sie gar nicht mehr wusste, was sie noch alles machen wollte. Zur Ablenkung rief sie dann immer mich an, denn meine Schwester hatte dafür jetzt auch kein Ohr, da sie voll in den Prüfungen steckte.

Irgendwie war der Sommer echt eine Zeit der Prüfungen...

Meine Gedanken wurden durch das plötzliche Brummen eines Motors unterbrochen. Strahlend sah Nick mich an und stülpte sich auch schon einen Helm über den Kopf.
Schnell sprang ich auf, schnappte mir ebenfalls einen Helm, setzte mich hinter ihn, auf das knaternde Motorrad und schlang meine Arme um seinen durchtrainierten Oberkörper.

So heizten wir zusammen über die leeren Teerstraßen rings um das Gestüt, zwischen Wiesen und Feldern.

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