ᖴᗴᗩᖇ

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Mein Herz blieb für einen kurzen Moment stehen, als ich sah, was Nick gerade in der Halle aufbaute. Schlagartig bekam ich weiche Knie und mein Hals wurde trocken. Drei Sprünge hatte er aufgebaut, sie waren zwar 'nur' auf knapp einen Meter gebaut, aber trotzdem malte ich mir schon wieder die schlimmsten Szenarien im Kopf aus. Ich war nur froh, dass Herr Wagner nicht bei der Stunde dabei sein würde.

Mit einem unguten Gefühl im Magen führte ich Cascara eine Runde in der Halle und machte sie später zum Aufsteigen bereit. Ich wusste im Moment nicht viel, den einzigen Gedanken, den ich fassen konnte, war, dass ich da nicht rüber wollte. Nick kam um mich hochzuschmeißen und bemerkte scheinbar meinen nachdenklichen Gesichtsausdruck.

"Alles in Ordnung, Melanie?", fragte er mich deshalb, nachdem ich oben saß. Ich nickte, denn ein Satz würde ich jetzt nicht zustande bringen können. Ich ritt Cascara ertsmal wie immer und versuchte mir einzureden, dass ich das doch jeden Tag täte und das es keine große Sache war, über diese popligen Hindernisse zu springen. Vielleicht musste ich da ja auch gar nicht rüber und Nick hatte sie nur schon für sich aufgebaut...

Wer's glaubt.....

Nachdem Luisa und ich unsere Pferde ordentlich gearbeitet hatten, baute Nick die Sprünge etwas runter und machte erstmal Cavaletti höhe. Natürlich nur, um die Pferde aufzuwärmen.

"So jeder einmal aus dem Trab darüber bitte!", gab er laut die Anweisung und zeitgleich verkrampfte sich alles in mir, daher parierte ich durch zum Schritt. Luisa war zum Glück die erste, die sich opferte und mit Holly ganz einfach über diese Stangen trabte. Nun war ich dran, ich trabte an und kam mit viel Mut über diese Stangen. Cascara kümmerte es kaum, ob ich da oben Angst hatte oder nicht, sie macht solide ihren Job.

Nach dieser kleinen Aufgabe, sollten wir als nächstes über ein Kreuz springen. Auch das erledigte Cascara mit einer unglaublichen Sicherheit. Mir gingen inzwischen alle Drüsen und bei jedem Wort das Nick sprach, raste mein Herz. Immer zu hatte ich Angst davor, was er als nächstes von mir verlangen würde.

Luisa meisterte jede Aufgabe mit einem breiten Lächeln und lobte ihre Stute überglücklich nach jedem Sprung. Ihr machte das Springen sichtlich Spaß. Wohingegen mein Gesichtsausdruck so aussehen musste, als hätte ich einen Geist gesehen.

Nick baute alle Sprünge wieder auf einen Meter und zeigte uns dann seine gewünschte Linie, die er gern gesehen hätte. Nachdem er alles erklärt hatte, galoppierte Luisa an und brachte den kurzen Parcour schneller hinter sich, als mir lieb war.

Ich kämpfte inzwischen mit den Tränen, doch ich wollte mich zusammen reißen und jetzt nicht anfangen zu heulen, vor allem nicht bei diesem tollen Pferd und den harmlosen Sprüngen. Mein Hals war unglaublich trocken und ich konnte keinen Muskel gezielt anspannen. Bei einer Verweigerung würde ich wahrscheinlich sofort runterfallen.

Als ich nun angaloppierte merkte Cascara, das irgendwas ganz gewaltig nicht stimmte und ich hatte das Gefühl jegliche Kontrolle verloren zu haben. Meine Angst ließ sich wohl am besten so beschreiben:

Stellt euch vor, ihr Fahrt mit eurem Auto 200 km/h auf der Autobahn. Ihr seht einen Stau und wollt bremsen, aber eure Bremse ist kaputt.

Diese Art von Kontrollverlust und ich hatte todesangst.
Trotzdem riss ich mich zusammen und brachte tatsächlich den Parcour hinter mich. Überglücklich nicht runtergefallen zu sein, ließ ich die Zügel lang und lobte mein Pferd. In meinem Kopf herrschte ein einziges Chaos. Dabei merkte ich gar nicht, wie ein paar Tränen meine Augen verließen.

Ich fühlte mich zwar Erleichtert, hatte aber jetzt schon Angst vor der nächsten Springstunde.Ich war so mit mir beschäftigt, dass ich nicht mitbekam, wie Nick mit mir sprach. Erst als er an mein Bein fasste, sah ich ihn erschrocken an.

"Du kannst dann in die Mitte einreiten und absteigen", sagte er mir lächelnd. Schnell sah ich durch die Halle. Luisa war schon weg. War so schnell eine Viertelstunde vergangen?

Ich ritt ein und stieg ab. Noch immer waren meine Beine wie Pudding und so sehr ich es auch nicht wollte, liefen mir weitere Tränen über die Wange. Da Nick mit seinen Sprüngen beschäftigt war, bekam er es zum Glück nicht mit. Niedergeschlagen und völlig fertig mit den Nerven, führte ich die Stute in ihre Box und sattelte sie langsam ab. Immer wieder huschte eine Träne über meine Wange, aber ich wollte nicht weinen. Wütend auf mich selbst strich ich mit meinem Ärmel über meine Augen.

Luisa fettete bereits die Hufe von Holly ein, während ich den Sattel zurück in die Sattelkammer räumte und die Trense ordentlich weghing. Ich war gerade dabei den Überzug über den Sattel zu ziehen, als jemand in die Sattelkammer kam. Schnell wischte ich mit meinem Ärmel nochmal über mein Gesicht, bevor ich mich umdrehte, um zu sehen, wer da gerade gekommen war.

Es war Nick. Zaghaft lächelte er mich an.

"War doch ganz gut heute, oder?", begann er ein Gespräch. Ich nickte und konnte gleichzeitig aber nicht verhindern, dass ich mehr und mehr Tränen vergoss. Hektisch wischte ich zum wiederholten Mal über das Gesicht.

"Jep, war gar nicht schlecht", quälte ich mich zu behaupten.

"Und warum bist du dann so fertig?" Er kam richtig rein und schloss die Tür hinter sich.

"Ist etwas passiert?", bohrte er weiter nach.

Ich schüttelte den Kopf. "Nein, alles gut. Ich hab nur mal wieder ein bisschen Angst vorm Springen gehabt, also ist alles gut. Es ist nur wieder so ne Kopfsache."

Bisher sah er mich nur von der Seite an, nun packte er mich aber an meinen Schulter und drehte mich zu ihm, sodass ich ihn ansehen musste.

"Du musst nicht springen, wenn du nicht willst. Ok? Du musst es mir nur sagen. Ich kann nicht riechen, dass du Angst hast."

Wieder verschwamm meine Sicht und dicke Tränen suchten sich ihren Weg über meine Wangen. Ich war so sauer auf mich, warum musste ich immer so eine Heulsuse sein? Nick seufzte einmal und zog mich dann in eine Umarmung. Ich vergrub mein Gesicht in seine Schulter. Beruhigend streichelte er meinen Rücken.

Es war ziemlich innig, was mich etwas unbehaglich fühlen ließ. Dennoch tröstete es mich irgendwie.

"Sei nicht so streng zu dir selbst. Es ist ok, nicht alles zu können. Hör auf dich für etwas zu bestrafen, wovor du Angst hast, das macht es nur noch schlimmer. Ein Pferd schlägst du auch nicht, wenn es Angst vor irgendwas hat, das verstärkt die Angst nur noch mehr."

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