ᖇᗩᗰᗩᘔOTTI

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Er schob die Ärmel seines Pullis nach oben und gab sich dann alle Mühe, das Fohlen in der Stute noch ein Stück drehen zu können. Tatsächlich schaffte er es mit viel Kraft.

"Mach sie ab, damit sie sich wieder hinlegen kann", gab er mir nun als Anweisung. Das machte ich natürlich und ging zu ihm, damit die Stute genug Platz hatte. Sofort legte sie sich wieder auf die Seite. "Du musst jetzt mit ziehen, sie hat nicht mehr so viel Kraft. Ich nickte nur und griff nach den dünnen und nassen Beinchen des schwarzen Fohlens. Auch, wenn das Näschen mittlerweile zusehen war, atmete das Fohlen noch nicht, aber das war normal.

Mit vereinten Kräften zogen wir das zarte Wesen, bei jedem Pressen der Stute ein kleines Stück weiter raus. Nachdem die Schulter und all das draußen waren, konnten wir gut den Rest das Tieres mit rausziehen. Sofort befreite er die Atemwege des Fohlens von der Eihülle und siehe da, es lebte. Überglücklich gaben wir uns ein Highfive. Während die Stute neugierig ihren Kopf zu ihrem Neugeborenen streckte, befreiten wir den Rest des Körpers von der Eihülle und rieben es ein bisschen trocken. Dann zogen wir das Fohlen zum Kopf der Mutter, damit sie es ablecken konnte. Denn zum aufstehen war sie gerade noch zu schwach.

In der Stallgasse benutzten wir erstmal das heiße Wasser und ein Stück Seife, um unsere Hände und Arme zu säubern. Ich war unglaublich erleichtert, dass wir es tatsächlich geschafft hatten.

"Das hätte auch schnell schiefgehen können", gab Nick nun von sich, als er seine Arme mit einem Handtuch abtrocknete und prüfend zu der Stute und dem Fohlen sah.

"Hast du sowas schonmal gemacht?"

"Ja einmal. Davor hatte mir Theo das einmal gezeigt. Sowas ist eigentlich äußerst selten, dass das Fohlen sich gar nicht oder nicht vollständig dreht. Aber sie sind ja zum Glück wohl auf."

"Was ist es eigentlich? Hast du nachgesehen?", erkundigte ich mich, denn daran hatte ich eben gar nicht gedacht, vor lauter Erleichterung.

"Ein Hengtsfohlen, da wird sich Theo freuen." Nick lächelte mich an und reichte mir dann das Handtuch.

Der junge Mann startete jetzt seine ersten Aufstehversuche, doch fiel einige Male wieder kläglich ins Stroh. So richtig wollten ihm seine Beine noch nicht gehorchen. Allmählich sammelte sich Valentina wieder und stand nun ebenfalls auf. Es war wirklich herzallerliebst den beiden zu zuschauen. Und der kleine war soooo süß.

Vorsichtig tastete er sich mit seinem kleinen Näschen nach hinten an das Euter der Stute. Schließlich fand er es und ein leises Schmatzen ertönte im Stall. Trotz der schweren Geburt, könnte es dem Kleinen nicht besser gehen.

Zufrieden und auch ein wenig erschöpft setzten wir uns auf die Abschwitzdecke, die ich zu Beginn meiner Schicht mitgenommen hatte. Es war gerade mal 23 Uhr. Das hieß ich hatte noch viel Zeit zum schlafen, denn die anderen Stuten würden erst in zwei Wochen oder so fohlen. Wir saßen jetzt hier nur noch, weil wir auf den Tierarzt warten mussten. Plötzlich stand Nick auf und verschwand in der kleinen Kramkammer, aus der ich vorher die ganzen Sachen geholt hatte. Zurück kam er mit einer Flasche Schnaps und zwei Gläsern.

Ohne ein Wort füllte er die beiden Gläschen voll und gab mir eins. Es war Tradition auf jedes Fohlen anzustoßen, daher wusste ich wieso er das tat. Nach den anderen drei Geburten hatte Theo uns auch einen Kurzen gegeben.

Doch bevor wir uns die brennende Flüssigkeit die Kehle hinunter spülten, sahen wir uns einmal tief in die Augen. Regel war Regel.

Angewiedert verzog ich das Gesicht.
"Bah, was ist das denn?" und schnappte mir die Flasche.

"Ramazotti", beantwortete Nick meine Frage und lachte.

"Das schmeckt ja, wie Hustensaft."

"Ist doch super, dann wirst du wenigstens nicht krank", verteidigte er belustigt das Getränk und nahm es mir aus der Hand.

"Willst du noch einen?", bot er mir dann, doch ich schüttelte entschieden den Kopf.

"Nie mehr."

Er hingegen goss sich noch einen ein.

"Den hab ich mir verdient", meinte er stolz und schluckte auch diesen in einem Zug hinunter.

"Vielleicht solltest du den Mal vor einer Springstunde trinken. Dann reitet es sich besser", wollte er mir verklickern, doch für diesen dämlichen Vorschlag kassierte er einen Schlag gegen seinen Oberarm, was ihn nur zum Lachen brachte.

Dann stellte er auch sein Glas aus der Hand und lehnte sich gegen den Heuballen hinter uns. Plötzlich legte er einen Arm um meine Schultern und zog mich ein Stück zu sich hin, sodass ich mich auch gegen den Ballen lehnte. Zuerst war ich etwas überrascht, doch nach einer kurzen Überlegung entschied ich mich dazu, dass ich doch eigentlich nichts dagegen hatte. Zusammen betrachteten wir stumm das Treiben zwischen Valentina und ihrem Fohlen und lachten gemeinsam, wenn er mal wieder ins wanken geriet.

Ich versuchte mich wirklich nur auf die beiden Pferde zu konzentrieren, doch Nick strich mit seinen Fingern sanft über meine Schulter und das lenkte mich ziemlich ab. Wollte er was von mir, oder war das einfach diese typische Nettigkeit, welche er ständig an den Tag legte und mich immer öfter damit überraschte?

Irgendwann hörten wir ein Auto auf den Hof fahren. Sofort standen wir auf und begrüßten die Tierärtztin. Jetzt konnte sie auch nicht mehr viel tun. Sie erkundigte sich nur, wie die Geburt verlaufen war und untersuchte Stute und Fohlen noch kurz. Doch beide waren vollkommen gesund. So kam es also, dass sie sich bald wieder verabschiedete und Nick und ich uns auf ins Haus machten.

Kurz darauf lag wieder jeder in seinem eigenen Bett und mit einem breiten Grinsen im Gesicht schlief ich ein.

Ich dachte an die Geburt, wie konzentriert und professionell Nick da reagiert hatte und natürlich daran, wie er seinen Arm um mich gelegt hatte...Ich könnte doch glatt ins Schwärmen geraten.

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