Gespannt auf meine heutige zweite Reitstunde führte ich die Stute Cascara neben mir in die Bahn. Jetzt war es nicht der Chef, welcher in der Bahn stand, sondern Nick. Herr Wagner saß derweil auf der Tribüne und hielt eine Zeitschrift auf seinem Schoß. Anscheinend sattelten die anderen beiden Mädchen noch, denn bisher war ich die Einzige mit Pferd in der Halle.
Cascara war neunjährig und hatte ein unglaublich ruhiges Wesen. Ich merkte schon jetzt, dass sie das komplette Gegenteil von Geysir sein würde. Nachdem ich alles richtig eingestellt hatte, kontrollierte Nick die Zäumung. Für einen Moment kam ich mir ziemlich dumm vor. Traute er mir denn gar nichts zu? Er schien meinen leicht grimmigen Blick zu bemerken, denn er setzte ein entschuldigendes Lächeln auf und flüsterte leise: "Ich muss das machen. Ich weiß natürlich, dass du sowas allein hinkriegst."
Er schmiss mich auf's Pferd und schon ritt ich ein paar Runden im Schritt am langen Zügel. Nach 5 Minuten waren Charlien und Luisa immer noch nicht da. Mir entging es nicht, das Nick schon etwas genervt von ihrer Verspätung war. Zum Glück kamen sie in diesem Moment, sonst hätte er sie wohl an den Haaren in die Halle gezogen. Wie schon den ganzen Tag, kicherten sie vor sich hin und machten nebenbei ihre Pferde fertig. Dabei war es ihnen wohl egal, wer alles an ihrer Unterhaltung mithörte. Schon beim Putzen eben in der Stallgasse, hatten sie nicht wirklich auf ihre Lautstärke geachtet und so erfuhr ich Dinge, die ich eigentlich nicht wissen wollte.
Die braune Stute benahm sich vorbildlich unter dem Sattel und sie war sehr fein an den Hilfen.
"Melanie du kannst sie schon mal lösen und ihr beide hört jetzt mal auf zu quatschen und reitet eure eigenen Wege", gab Nick von sich. Zu mir hatte er ganz ruhig gesprochen, aber zu den anderen schon etwas bestimmter. Sie hörten auf ihn und schon bald trat Ruhe ein, nur Nicks Anweisungen waren zu hören. Während meiner Lösungsphase beobachtete er mich aufmerksam und sah sogar die kleinen Hilfen, die ich Cascara gab. Ab und zu lobte er mich kurz und gab mir weitere Anweisungen, wie ich sie zu reiten hatte.
Dann wandte er sich zu Charlien und Luisa. Sie sollten jetzt ebenfalls ihre Pferde lösen. Ich konnte derweil mit der Galopparbeit beginnen. Immer wenn Nick etwas bei den Beiden kritisierte, kontrollierte ich automatisch, ob ich es richtig machte. Unter keinen Umständen wollte ich in negativer Form Aufmerksamkeit erregen. Ich wollte meine Sache einfach gut und solide machen. Irgendwann legte ich eine kurze Schrittphase ein und wechselte auf den zweitem Hufschlag. Ich fragte das Rückwärtsrichten, Vorder- und Hinterhandwendung ab. Cascara machte alles, zufrieden und mit einem Lächeln im Gesicht tätschelte ich ihren nussbraunen Hals.
"Das war gut Melanie. Versuch jetzt, sie aktiver mit Bein zu reiten. Sonst verkriecht sie sich hinter der Senkrechten." Nickend antwortete ich auf seine Aufgabe und trabte aus dem Stand an. Nick's Unterricht war wirklich gut, ich freute mich darauf ihn irgendwann Mal reiten zu sehen. Bei meiner ersten Reitstunde hatte ich dazu ja keine Zeit gehabt. Geysir hatte mich genug beschäftigt.
Nach einer fleißigen Stunde ließ ich die Zügel aus meiner Hand kauen und lobte Cascara. Als ich mit dem Trockenreiten fertig war, stieg ich ab, fädelte die Zügel aus den Martingalringen, schob die Bügel hoch und lockerte den Gurt ein klein wenig. Dann öffnete ich den Sperriemen, den Nasenriemen und zum Schluss den Kehlriemen, des kombinierten Reithalfters. Zufrieden mit der Reitstunde verließ ich mit der Stute die Halle. Ich war bereits in der riesigen Sattelkammer, als ich das bekannte Gelächter hörte. Was machten die beiden, dass sie immer eine halbe Ewigkeit später als ich irgendwo ankamen?
Naja, eigentlich sollte mir das egal sein. Gleichgültig zuckte ich deshalb mit den Schultern und ging zurück in die Stallgasse. Mein nächster Weg führte mich zu der kleinen Weide, auf der Geysir mit seinem neuen Kumpel stand. Es war bereits schon ziemlich schummrig, weshalb ich beschloss die Beiden schon mal rein zu holen. Da die Stricke vor dem Zaun lagen, nahm ich diese und fing die Mustangs ein. Es waren wirklich sehr zarme Mustangs, schon beim ersten Hingehen streckten sie neugierig ihre Köpfe zu mir und ließen sich die Stricke problemlos anmachen. Einen auf der linken und einen auf der rechten Seite, führte ich sie zum Gatter. In dem Moment kam Nick um die Ecke. Ertappt sah er mich an.
"Hier steckst du also", stellte er fest und nahm mir den Strick des anderen Pferdes ab.
"Hast du mich gesucht?", entgegnete ich verwundert und führte Geysir neben mir her. "Ich hab mich nur gewundert, wo du bist, da ich nur Luisa und Charlien im Stall gefunden habe."
"Ja, es war mir ein bisschen zu laut im Stall und da es schon dunkel wird, habe ich mir gedacht, dass ich die beiden schon reinholen könnte", erklärte ich. Nick entwich ein leichtes Lachen.
"Wenn dir das eben zu laut war, dann brauche ich dich wohl nicht fragen, ob du heut Abend mit in mein Zimmer kommen willst. Luisa und Charlien haben sich schon selbst eingeladen."
"Ne lass mal. Der Tag war anstrengender als gedacht, außerdem hat Herr Wagner mir eine CD gegeben mit der Hengstkollektion von diesem Jahr. Er will, dass ich mir ein wenig die Abstammungen und Erfolge ansehe."
"Wow, dein Abend klingt wirklich spannender als meiner und das meine ich Ernst. Ich mein ich kenne die Beiden zwar gut, aber auch nicht so gut, dass ich mein Abend mit ihnen verbringen würde."
Moment, was wurde das gerade hier? Klagte mir hier Nick sein Leid vor?
"Woher kennst du sie?" Das hatte ich mich schon seit ihrer Ankunft gefragt.
"Wir haben uns auf ein paar Turnieren und Partys gesehen, aber das ist schon länger her. Es hat mich wirklich überrascht, als sie mir erzählt haben, dass sie - auf gut deutsch - Stallburschen werden wollen. Sie hätten beide genug Geld für ein Studium. Immerhin hatten sie auf den Turnieren auch die besten Pferde unterm Arsch."
Schwang da tatsächlich etwas Neid mit in seiner Stimme? Ach ich wusste es nicht, war ja auch egal.
Wir erreichten die hell beleuchtete Stallgasse und brachten die Pferde in ihre Boxen. Während wir schon mal mit dem Füttern anfingen, räumten die beiden Quasselstrippen gerade mal ihr Sattelzeug weg. Ich freute mich schon auf mein stilles Zimmer.
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Go for it!
Roman pour AdolescentsMelanie ist eine 19 jähriges Mädchen, welches eine Ausbildung zur Pferdewirtin auf dem Gestüt in Marbach machen will. Gerne würde sie mit ihrem Wallach Geysir mehr zusammen wachsen und vielleicht ein paar Turniere beschreiten. Doch sie traut sich n...