Wie gewohnt, saß ich gegen halb 7 Uhr morgens mit den anderen Mädchen am Küchentisch und frühstückte. Während sie sich gegenseitig Tik Toks auf ihren Handy's zeigten, lugte ich durch das Fenster nach draußen auf den Hof und sah, wie Herr Wagner und Nick auf das Haus zu kamen.
Draußen wurde bereits fleißg gearbeitet und ich fühlte mich schon immer richtig schlecht, dass ich nicht von anfang an mithielf. In dem Moment ging die Haustür auf. Beide Männer betraten die Küche und setzen sich, nachdem sie ihre Schuhe ausgezogen hatten, mit an den Tisch. Ich musste schmunzeln, eigentlich war wohl Martha diejeniege, die hier alle unter Kontrolle hatte und nicht Herr Wagner. Auch Charlien und Luisa packten jetzt mal ihren Handy's an die Seite und sahen zwischen den Neuankömmlingen hin und her. Herr Wagner ergriff das Wort.
"Da ich heute, den ganzen Tag außer Haus sein werde, übertrage ich Nick die Verantwortung über euch. Bitte hört auf ihn und benehmt euch. Er wird mir später berichten, wie ihr euch angestellt habt."
Damit hatte ich kein Problem. Nick war nett und als guter Bonus, sah er auch nicht schlecht aus. Zudem liebte ich seinen Reitunterricht, den ich immer nachmittags hatte.
"Melanie, wenn du möchtest kannst du mit Nick nachher ausreiten, wenn ihr eigentlich Unterricht gehabt hättet."
Sofort legten Luisa und Charlien Protest ein.
"Wir wollen auch mit!"
"Meinetwegen könnt ihr das auch. Aber Martha hat mit mir gesprochen. Ich halte es für besser, wenn ihr heute erstmal eure Zimmer aufräumt. Das ist leider auch eine Regel hier, wer sein Zimmer nicht sauber halten kann, muss aufräumen. So einfach ist das. Am Nachmittag könnt ihr ja wie gewohnt bei Nick im Unterricht reiten."
Uw, das hatte gesessen. Beleidigt zogen beide eine Schippe. Ich hingegen musste meinen Freundenschrei verkneifen. Endlich ausreiten. Ich war kurz vor einem Hallenkollaps. Nick schenkte mir ebenfalls ein aufmunterndes Lächeln, welches ich schwach erwiderte, denn trotz der Freude über den Ausritt, keimte in mir die Befürchtung auf, dass ich Geysir nicht wieder einfangen könnte, wenn wir galoppieren würden, was Nick sicherlich vorhatte.
Voller Tatendrang und dem Vorhaben meine Bedenken erstmal zur Seite zu schieben, ging ich nach dem Frühstück in den Stall und schnappte mir meine Stammforke. Komischerweise wollte die nie jemand haben, doch ich fand sie super. Ich begann mit der üblichen Box. Mittlerweile konnten meine Hände schon einiges ab und ich bekam nicht jeden Tag Blasen an den Händen. In der ersten Woche hatte ich mir noch jedes Mal Handschuhe angezogen, aber die störten mich nur noch. Es war heute schon so kalt, dass man den Mist ordentlich dampfen sah. Langsam wurde es Winter und ich war gespannt, wie diese Zeit wohl werden würde.
Wir hatten die Boxen mit frischem Einstreu befüllt und nun widmete ich mich meinem geliebten Wallach. Hoffentlich würde er sich im Gelände benehmen. Wie üblich bindete ich ihn in der Stallgasse an und begann ihn ordentlich durchzuschrubben. Ich wusste nicht, wo er sich wieder gewälzt hatte, aber er sah aus wie ein paniertes Schnitzel. Ein Schlammschnitzel. Wenn ich nicht so tierfreundlich gewesen wäre, hätte ich ihn wohl abgekerchert. Nick kam ebenfalls in die Stallgasse und holte sich das Jungpferd aus der Box, dass er die letzten Tage öfters ritt. Es war ein schwarzer Wallach, welcher an den Vorderbeinen zwei weiße Socken hatte. Sonst zeichneten sich keine weiteren Abzeichen auf seinem Fell ab.
Er stellte sich mit ihm auf den Putzplatz neben mir und putzte mit dem Striegel das Tier. Ab und zu tänzelte der junge Wallach hin und her. Doch Nick ließ sich davon nicht beeindrucken und fuhr mit seiner Routine einfach fort.
Wir sattelten unsere Pferde und führten sie ein paar Runden auf dem Hof, bevor wir sie fertig machten und aufstiegen. Geysir merkte sofort, das heut etwas anderes anstand. Aufgeregt regte er seine Kopf nach oben und spitzte die Ohren. Jetzt war es der Wallach von Nick, der Ruhe ausstrahlte.
"Wollen wir?", fragte mich Nick. Mit einer zustimmenden Kopfbewegung antwortet ich und ritt hinter ihm vom Hof.
Wie ich schon bei meiner Ankunft festgestellt hatte, war die Gegend hier draußen wunderschön. Daheim hatten wir nur Wald. Hier waren lauter weite Wiesen. Wenn Geysir hier einmal fahrt aufgenommen hatte, war es bestimmt schwer ihn wieder einzufangen. Obwohl... ich hatte immer Platz, um einen Notzirkel einzulegen. Auf den Wiesen lag leichter Tau und die Sonnenstrahlen wurden von dem nassen Grass ein wenig reflektiert. Trotzdem war der leichte Wind ziemlich kalt. Geysir trabte das ein oder andere Mal kurz an, ließ sich aber gleich wieder in den Schritt zurück holen. Nicks Pferd ging hingegen zufrieden am langen Zügel.
"Wie heißt er?", versuchte ich ein Gespräch aufzubauen. Ich wollte nicht, dass wir uns die ganze Zeit anschwiegen.
"Soundcheck. Er ist 6 Jahre alt. Nächstes Jahr soll ich ihn in den Sport bringen. Ist der immer so?", fragte Nick nun zurück und sah dabei zu meinem aufgeregten Pferd.
"Solange ich ihn nicht ordentlich reite, ja. Er ist einfach ein Energiebündel und wenn er einmal rennt, dann richtig. Manchmal ist es wirklich schwer, ihn wieder einzufangen." Ich lächelte und tätschelte meinem Pferd beruhigend den Hals.
"Wollen wir die nachher mal richtig losfetzen lassen? Dahinten gibt es einen Acker, der uns gehört. Da ist es auch nicht so rutschig, wie hier auf den Wiesen."
"Joa, können wir machen", entgegnete ich. Ich freute mich wirklich mit Nick im Gelände unterwegs zu sein und auch mit meinem Pferd etwas Abwechslung zu erleben. Nichts desto trotz wollten meine Gedanken keine Ruhe geben. Was war, wenn mein Pferd wie ein Irrer losrannte und ich zum Beifahrer wurde?
"Das klingt ja nicht so begeistert. Schlechte Erfahrung?"
Oh Mist, es klang wohl doch misstrauischer als gewollt....
Ich schüttelte den Kopf.
"Nein, damit nicht." Ich lachte leicht auf. Das Thema bewegte sich in eine falsche Richtung.
"Womit dann?", gab er von sich zurück.
Verstand er es nicht, oder wollte er es unbedingt wissen, dass er über meine offensichtliche Grenze hinausfragte? Ich wollte meine schöne Stimmung ungern mit meinen Ängsten zerstören. Aber was sollte ich jetzt sagen?
"Ich hab einfach schon ein paar prägende Stürze hinter mir", beantwortete ich nach kurzer Überlegung, seine Frage.
"Zum Bespiel?" Nick sah mich neugierig an und es war komisch, dass er mich so lang und vor allem belustigt ansah. Als ob es ihm Spaß machen würde, mich an alles erinnern zu lassen. Sadist!
"Muss ich dir die jetzt alle erzählen?"
"Aufjedenfall."
Ich seufzte einmal und sah dann in sein begeistertes Gesicht. Warum war er so fröhlich?
"Also das eine Mal, bin ich im Sprung gelandet, das anderen Mal ist das Pferd gestiegen und wir sind zusammen umgefallen. Ich hatte Glück, dass sie nicht, auf mich raufgefallen ist...Und dann war da noch einer, wo ich gesprungen bin. Ich bin nach dem Sprung runtergefallen. Meine Stute wollte von mir wegspringen und hat beim Wegspringen meinen Kopf mit ihrem Huf getroffen. Später bin ich dadurch aufgewacht, das meine Reitlehrerin gegen meine Wangen geklopft hat. Das waren so die Schlimmsten, die anderen die ich noch hatte, waren harmlos dagegen."
Mit einem Nicken resignierte er meine Antwort. Hoffentlich hörte er jetzt auf zu fragen.
"Bist du immer wieder aufgestiegen?"
"Ja, außer bei der Stute, die mit mir in den Himmel gekrabbelt ist. Auf die kam selbst nicht mein Reitlehrer. Ich hatte mein Reitpony verkauft und war auf der Suche nach einem Großpferd. For Queen hieß sie....Sie kam für ein paar Tage auf unseren Hof. Also packten wir da einen Sattel rauf, damit ich sie Probereiten konnte...."
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Go for it!
Novela JuvenilMelanie ist eine 19 jähriges Mädchen, welches eine Ausbildung zur Pferdewirtin auf dem Gestüt in Marbach machen will. Gerne würde sie mit ihrem Wallach Geysir mehr zusammen wachsen und vielleicht ein paar Turniere beschreiten. Doch sie traut sich n...