ᗯᕼᗩT ᗩ ᗪᗩY

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Daheim angekommen, brachten wir die Pferde in ihre Boxen und räumten alles wieder ordentlich beiseite. Theo war mehr als stolz auf seine zwei Reiter. Zusammen sahen wir uns nochmal alle zusammen die Ritte an.
Er kommentierte bei den Beiden fast genau das Gleiche, was Nick schon vorher gesagt hatte. Das bestätigte wieder meine Bewunderung gegenüber ihm. Er verstand wirklich etwas, von dem, was er tat.

Für den Rest des späten nachmittags hatten wir frei. Während Luisa und Nick duschen gingen, saß ich mit meinem Laptop auf dem Schoß, auf meinem Bett und bearbeitete die ersten Bilder. Besonders die Bilder, die genau das Paar über dem Sprung zeigten, gefielen mir am meisten. Und ich hatte tausende davon.

Nachdem sie sich umgezogen hatten, kamen sie zu mir ins Zimmer und sahen sich die fertigen Fotos an. Ich erntete glorreichen Lobgesang für meine Fotografiekünste, welche ich allerdings nur beschwichtigend annahm. Denn ohne die Akteure, wären die Bilder nur halb so spektakulär.

Gemeinsam lachten wir viel über heutige Situationen und Nick weihte uns in ein paar Beziehungen ein. Ich wollte endlich wissen, mit wem er da heut alles gesprochen hatte. Die meisten alten Herren hatten ihren eigenen Stall. Dieser war aber meist nur auf wenige Pferde beschränkt. Sie betrieben selbst noch ein bisschen Zucht und stellten die Tiere später auf den Turnieren vor, um noch etwas Geld zu verdienen. Sie waren schon lang keine so großen Züchter mehr, wie Theo.

Von diesen Leuten würden eh sowieso nur die angestellten Bereiter oder Azubis die Pferde präsentieren. Genauso, wie es Theo handhabte.
Die Stimmung könnte nicht besser sein, doch plötzlich klingelte Luisa's Handy. Sofort verstummte unser Lachen, damit wir sie bei ihrem Telefonat nicht stören würden. Immer noch lächelten wir, doch als spätestens Luisa eine Träne über die Wange lief, glitt uns auch unser Grinsen aus den Gesichtern.

Hektisch kramte ich in meinem Rucksack nach den Taschentüchern, während Nick ihr beruhigend eine Hand auf den Rücken legte.
Sofort drückte ich ihr das weiße Tuch in die Hand, als ich sie gefunden hatte.

Stumm versuchten wir etwas mitzuhören, doch außer ganz leisen Geräuschen, konnte man nichts verstehen. Nach einer quälenden Ewigkeit und verwirrenden Worten, legte Luisa auf und begann richtig heftig zu weinen.
Mit allen Mitteln versuchten wir sie zu beruhigen, doch das brachte nichts.
Sie weinte und weinte und brachte kein Wort über ihre Lippen.

Irgendwann beruhigte sie sich ein wenig und sah uns mit verheuelten Augen an.
"Was ist los?", fragte ich sie leise und umarmte sie.

"Meine Mama...", fing sie an und schluchzte erneut.
"Der Krebs ist zurück...", erzählte sie heiser. Mir lief eine Gänsehaut über den Rücken. Urplötzlich hatte ich furchtbare Angst um Luisa und ihre Mutter. Auch Nick sah geschockt und ein wenig wehleidig zu ihr.
"Ich werde nach Hause fahren, um sie zu unterstützen...das heißt aber auch, dass ich die Ausbildung erstmal abbrechen werde...aber das ist egal...", sie hielt kurz inne und sah dann zu mir.
"Melanie, ich hab solch eine Angst um sie....."

Mit diesen Worten umarmte ich sie noch fester. Ich wollte mir gar nicht vorstellen, wie mir es wohl gehen würde, wenn meine Mutti mir sowas erzählen würde....

Die Stille, welche bisher herrschte, wurde von Martha unterbrochen, die uns zum Essen rief. Theo und seine Frau saßen ebenfalls schon in der Küche, als wir drei den Raum betraten. Doch als Theo Luisa sah, ging er zusammen mit seiner Frau und ihr gleich in sein Büro. Zurück blieb eine verdutzte Martha und zwei niedergeschlagenen Azubis.

Schonend weihten wir auch Martha in die plötzlichen Geschehnisse ein. Vor Schreck schlug sie sich ihre Hand vor den Mund. Das Essen fiel uns an diesem Abend wohl alle schwer...obwohl der Tag doch so gut verlaufen war, nahm er ein bitteres Ende. Ich wünschte mir, dass wir einige Minuten zurück reisen könnten. Zu einem Moment, wo wir noch gelacht hatten, um diesen dann einzufrieren...

Luisa war eine wirklich gute Freundin von mir geworden und ich fühlte einfach nur mit ihr. Es war zwar Schade, dass sie gehen wollte, doch nichts war wichtiger, als die Familie. So verstand ich ihre sofortige Entscheidung komplett. Ich hätte es nicht anders getan.

Schon am Abend packte sie ihre Koffer und machte ihr Auto abfahr bereit. Ich glaubte, sie war ein wenig erleichtert schon morgen zu ihrer Mutter fahren zu können. Nick und ich hatten ihr unsere Gesellschaft angeboten, doch sie wollte lieber allein sein und sich Gedanken, über die kommende Zeit machen.

Nun saßen wir also, wie zwei Trauerklöße auf seinem Bett. Jeder in seinen eigenen Gedanken versunken. Meine Augen brannten zwar schon vor Müdigkeit und ich war mir sicher Nick's auch, aber ich wollte jetzt nicht einfach schlafen, wenn Luisa vielleicht Hilfe bräuchte.

Ich seufzte frustriert.
"Ich bin so müde..."

"Ich auch..", erwiderte Nick und rieb sich verschlafen die Augen.
Für einen kurzen Moment sah ich ihn an. Das sah unfassbar niedlich aus. Doch gleich hätte ich mich für diesen Gedanken schlagen können.
Wie konnte ich in so einer Situation, nur an sowas denken?!

Mit einem Mal ging plötzlich die Tür auf und Luisa kam herein. Irritiert, schaute sie uns an.
"Ihr seid noch wach?"

Zeitgleich nickten wir.

"Wir wollen dich nicht allein lassen", begründete ich unsere müden Gesichter.

"Ach Quatsch, geht schlafen. Ich gehe jetzt auch ins Bett. Ich wollte nur noch sehen, ob meine Ladekabel hier liegt.
Mir geht es gut. Ehrlich. Meine Mutti hat den Krebs schon mal überlebt und diesmal ist er sogar kleiner als davor. Sie schafft das. Ich war vorhin nur wegen des Schocks so aufgelöst. Also bitte ruht euch aus. Es war ein anstrengender und erfolgreicher Tag."

Dann lächelte sie. Und dieses Lächeln sah wirklich echt aus. Mir war es fast unbegreiflich, wie sie jetzt lächeln konnte. Mein Sitznachbarn schien auch verwirrt. Erwiderte aber ihre Geste erleichtert und lächelte zurück.
"Ich bin froh, dass du nicht mehr so traurig bist. Und es ist wirklich in Ordnung? Falls noch was ist, dann weck uns bitte. Ja? Wir sind immer für dich da", versicherte Nick ihr und ich unterstreichte seine Aussage mit einem tatkräftigen Nicken.
Dann kam sie zu uns und schloss uns beide nochmal in eine herzzerreißende Umarmung.
Jetzt wusste auch ich, dass Luisa gut damit umgehen konnte. Wahrscheinlich besser als ich.
Und so schleppte ich mich in mein Bett und kuschelte mich in meine Decke. Was ein Tag.


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