Schwarz-Weisse Tasten

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Als wir am Bahnhof in den Bus umsteigen mussten, hatten wir eine Wartezeit von zwanzig Minuten. "Wir müssen warten", berichtete ich und liess mich erschöpft auf eine Bank sinken. Ein kühler Wind wehte und ich zitterte in der Kälte der Nacht. Doch Emmanuel scheint weder auf meine Worte noch auf die Kälte zu reagieren. "Jamie", flüsterte er ehrfürchtig: "Warum ist da ein Klavier?" Mit seinem Kopf nickte der junge Mann in Richtung des Pianos auf dem Perron. "Es gibt eine Aktion, an welcher Klaviere an verschiedenen Bahnhöfen stehen." Sen Blick war ratlos, warscheinlich hatte er mich nicht verstanden. Seine Augen schauten nervös hin und her und dann fragte er: "Darf jemand spielen?" Müde nickte ich, nicht wirklich begeistert, jetz ein geklimper zu hören. "Komm mit Jamie", sprühte Emmanuel plötzlich vor Freude und Begeisterung und der junge Mann wirkte plötzlich wie einen kleinen Jungen an Wiehnachten. Er packte seinen Koffer und ich schlüfte seinen schnellen Schritten hinterher und setzte mich auf den Boden neben das Instrument.

"Ich darf?", versicherte sich meine Begleitung noch einmal und ich versuchte mit einem Lächeln: "Ja klar", zu antworten. Es misslang, doch ihn schien es nichtzu stören. Gelangweilt zog ich mein Handy hervor und tippte eine Nachricht an Serena, wann wir bei ihnen sein würden, etwa um elf Uhr Nachts. Plötzlich erklang der Anfang einer wunderschönen Melodie. Überrascht schaute ich auf und betrachtete seine Hände welche mühelos über die Tastatur flogen und die Tasten wie selbstverständlich drückten. Schöne Hände, musste ich mir eingestehen, sehr schöne Hände. "Wow", meinte ich beinahe lautlos und Emmanuel schaute während er ohne Probleme weiterspielte zu mir und lächelte. "Das habe ich wirklich vermisst", vertraute er mir an: "Zuhause haben wir kein Klavier und ich habe seit vieler Zeit nicht mehr gespielt." Das war das erste Gespräch, welches ein wenig persönlicher war und ich war überfordert, was ich nun wohl antworten sollte.

"Du spielst sehr gut", flüsterte ich beinahe ehrfürchtig. Ich liebte Klaviermusik und hörte oft Songs von Youtube, aber das hier war irgenwie anders. Es war so voller Gefühle, voller Sehnsucht und beinahe Schmerz. 'Hallo Jamie', unterbrach ich meine Gedanken. Was bildete ich mir hier eigentlich ein? Vermutlich war es die Müdigkeit. "Danke", strahlte Emmanuel, ich wusste nicht einmal mehr für was. Also lächelte ich einfach, dieses Mal echt. Während dieses geheimnisvolle Typ ein neues Lied anstimmte, schaute ich ihn an. Das schwache, kalte Licht des Bahnhofes warf Schatten auf seine Gesichtszüge und seine Augen waren dunkel. Seine rotblonden Haaren wirkten faal in dem Neonlicht und trotzdem faszinierte er mich. Für einen kurzen Moment schloss ich die Augen und genoss die beruhigende aber gefühlvolle Melodie einfach, während ich den Wunsch verdrängte, dies aufzunehmen und immer wieder zu hören.

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