Schmerzhafte Sehnsüchte

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Als der Bus einfuhr, trennte sich Emmanuel schweren Herzens vom Klavier, es fiel ihm sichtbar unglaublich schwer. Schweigsam setzten wir uns nebeneinander auf die Sitze und ich schaute gedankenverloren aus dem Fenster. "Danke", stupste mich Emmanuel plötzlich an und ich fuhr erschrocken hoch. "Für was", legte ich meinen Kopf schief, jedoch klang meine Stimme viel ruhiger und freundlicher als noch im Zug. Fragt mich nicht warum. "Für das abholen und für das Klavier." Jetzt musste ich von Herzen Lächeln. "Gerne", nahm ich seine Dankbarkeit an und blickte dann wieder aus dem Fenster. Ich hätte wirklich gerne mehr gesagt, irgendetwas liebes oder so. Schliesslich war er fremd hier und ich wollte ihm ein herzliches Ankommen bieten, aber ich wusste nicht was ich sagen sollte, alle Worte schienen jetzt überflüssig.

Anscheinend war meine Begleitung der selben Meinung. Er hatte seine Ellbogen auf die Knie gestütz und seinen Kopf an den Vordersitz gelehnt. Er musste wohl noch viel erschöpfter sein als ich es war. Errötend ertappte ich mich dabei, dass ich mir wünschte ihm ein wenig Entspannung schenken zu können, als wäre er einen kleinen Jungen welchem ich am liebsten durch die Haare fahren würde um ihm etwas gutes zu tun. Um diesen abartigen Wunsch und das Verlangen danach zu ignorieren begann ich trotzdem erneut ein Gespräch: "Wie lange hast du nicht mehr gespielt?", durchbrach meine Frage die Stille und übertönte den leise rumpelnden Motor. Emmanuel schaute auf und mir direkt in die Augen, worauf ich meinen Blick verlegen auf seine Nasenspitze wandte. "Zwei Jahre", gab er zurück und liess die Schultern sinken. Gegen meinen Willen riss ich die Augen auf: "Und du kannst es immer noch so gut?!", fragte ich ein wenig zu überrascht, was ihn zu einem breiten Lächeln veranlasste. Schöne Lippen, fiel mir auf, während ich weiterhin versuchte direkten Blickkontakt zu vermeiden.

"Klar", lächlete er immer noch und ich unterdrückte den Drang mir verlegen auf die Lippen zu beissen. Sein Selbstbewusstsein war auf eine verrückte Art attraktiv. Stop! Was dachte ich da. "Klavierspielen ist wie fahren mit dem Fahrrad", erklärte er mir: "Ich vergesse nie wie das geht." Verträumt starrte er auf seine Finger und ich schaute seinem Blick nach. "Und spielen kann ich überall, auch ohne Ton." Er lachte auf, auch wenn es ein wenig bitterlich klang und zur Demonstration zeigte er mir mit den Finger auf seinen Oberschenkel die Bewegungen auf der immaginären Tastatur. "Auch wenn ich wünschte in Kief gäbe es ein Klavier am Bahnhof." Seine Stimme war voller Sehnsucht, so extrem, dass die ausgesprochenen Worte beinahe die Luft zerschnitten. Voller Schmerz.

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