Kapitel 1

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In einem beständigen Rhythmus trommeln meine Füße auf den vom Regen aufgeweichten Waldboden.

Gierig inhaliere ich die kalte und frische Luft in meine Lungenblässchen um den überlebenswichtigen Sauerstoff daraus filtern zu können. Die restliche, ungenutzte Luft stoße ich in Form von kleinen Atemwolken zurück in die Atmosphäre.

Für einen Augenblick unterbreche ich meine Atmung um über einen moosgewachsenen Baumstamm zu Hechten, welcher vermutlich vom letzten Sturm umgemäht wurde, da ich ihn noch nie zuvor bei meinem morgendlichen Lauf passieren musste.

In meinen Ohren dröhnt laut ein Beat von Eminem gepaart mit Ed sheeren aus zwei kleinen schwarzen Kopfhörern, als ich mich daran mache den schwierigsten Abschnitt der Laufstrecke zu passieren: ein steiles, unwirkliches Gelände, welches zur Seite in eine Schlucht abfällt.

Trittsicher landen meine Füße auf den kantigen Steinvorsprüngen um mich immer wieder in die Höhe zu stemmen. Einmal rutsche  ich um ein Haar aus, bewahre aber im letzten Moment noch mein Gleichgewicht. Andernfalls wäre ich vermutlich in der schmalen Klamm verschwunden und in dem reißenden Gebirgsstrom baden gegangen.

Darauf kann ich gut und gerne verzichten, denn auch wenn mir die Kälte nicht so viel ausmacht wie allen anderen Sterblichen, die nicht der Gattung der Lykanthropen ,umgangssprachlich auch Werwölfe genannt, angehören ,so ist es alles andere als angenehm.

Meine Waden fangen langsam an zu brennen, als ich die letzten Meter bestreite um mein Ziel, den höchst gelegensten Ort unseres Territoriums, zu besteigen. Meine Kondition ist eindeutig am Arsch.

Sobald ich auf der halbwegs geebneten Fläche stehe, lasse ich mich wie nasser Sack auf den Boden plumpsen. Ich bin mittlerweile völlig unfähig mich noch einen einzigen Meter fortzubewegen, egal ob auf Händen oder Füßen.

Meine Ober-und Unterschenkel scheinen in Flammen zu stehen ,was laut meinem Vater ein sicheres Anzeichen dafür ist, dass ich Muskeln aufbaue und sein Training gefruchtet hat.

Schon seit einigen Wochen muss ich seine wöchentlichen Trainingsmethoden in Form von diversen Kraftübungen und verschiedenen Kampfkünsten, die ihren Ursprung im asiatischen Raum haben, über mich ergehen lassen. Zu meinem Pech gehört auch der 5km Powerwalk einen Berg hinauf dazu, welchen ich soeben gemeistert habe.

Nach meiner glorreichen ersten Trainingsstunde, die je damit endete als ich ohnmächtig vor Anstrengung wurde, beschloss mein Vater widerwillig einen Gang runterzufahren. Das die Ohnmacht jedoch nur gespielt war, wusste er nicht.

Letztendlich dienen diese Selbstverteidigungspraktisen einzig und alleine dem Zweck, das ich, Saoirse Sorensen, Tochter des Alphas des Westrudels, keine Schwachstelle gegenüber anderen Rudeln darstelle. Dummerweise bin ich jedoch genau das, das verletzlichste Glied in unserer ach so starken Blutlinie.

Jahrelang wurde ich deswegen geheim gehalten, praktisch schon von Geburt an. Offiziell war mein älterer Bruder und somit auch der nächste Alpha des Rudels, Jonar, der einzige Nachkomme der Familie „de Lacy“, was mein eigentlicher Nachname ist.

Dieser sowie auch die Vorfahren meines Vaters haben ihren Ursprung in Irland. Zu meinem Schutz hatte ich allerdings den Mädchennamen meiner Mutter, Sorensen, annehmen müssen. Ihre Familie war schon immer hier im hohen Norden Norwegens beheimatet.

Aus dem anfänglichen Gemunkel über meine Existenz entstand mit den Jahren eine umfassende Gerüchteküche und seit den letzten Jahren war so ziemlich jedem klar, das Freya de Lacy, meine Mutter und auch die Luna des Rudels, sowie ihr Gatte, Hallvard de Lacy, eine Tochter besitzen mussten.

Jedoch hatte mich noch nie jemand, mit Ausnahme einiger ausgewählter Rudelmitglieder, zu Gesicht bekommen. Die Angst und Paranoia meiner Eltern, ich könne entführt und ermordet werden um meiner Familie zu schaden, war schießlich zu groß.

Diese war teilweise sogar berechtigt, denn an Feinden mangelte es uns wahrlich nicht. Vor allem das Nordpack hegte einen schier unstillbaren Hass auf uns und trachtete förmlich nach unserem Leben.

Als ich vor einem dreiviertel Jahr mein 17 Lebensjahr absolviert hatte und von nun an in der Lage war meine Gestalt in die eines Wolfes zu verwandeln, wenn auch nur kontrolliert an den Tagen vor Vollmond oder wenn ich wütend wurde, sank die Angst meiner Eltern geringfügig und mir wurden mehr Freiheiten eingeräumt.

Für mich waren dies Privilegien, die ich nur zu sehr genoss und ausschöpfte, denn ich war von Natur aus ein durch und durch temperamentvoller Mensch und hasste Vorschriften sowie Einschränkungen abgrundtief.

Oft gab es deswegen Streit zu Hause und nicht selten kam es vor, das im Anschluss daran ein angepisster Werwolf aus unserem Haus stürmte, zum Zerreißen angespannt und mit signalrot glühenden Augen. Für diese Farbgebung war unser Alphagen verantwortlich.

Da dieses sich allerdings bei mir nicht so stark durchgesetzt hatte wie bei meinem Bruder, glänzte bei einem Wutanfall meinerseits nur die Iris in einem matten Rubinrot.

Ich ziehe meine immer noch zitternden Beine an meinen Oberkörper und kann den Muskelkater am nächsten Tag schon erahnen. Meinen Kopf stützte ich auf meinen Knien ab und schlinge anschließend meine Arme um die Waden.

Mit den Fingern massiere ich sie sanft in kleinen kreisförmigen Bewegungen um alles etwas zu lockern und die lästigen Verspannungen auch gleich zu lösen, denn auch wenn ich ein Werwolf bin, erhalte ich meine vollständigen Kräfte, wie beispielsweise die Fähigkeit mich unabhängig von der Mondphase oder meiner Gefühlslage zu verwandeln, erst mit der Vollendung meines 18 Lebensjahres oder nach dem Aufnahmeritual.

Bis dahin bin ich mehr oder weniger resistent gegen Kälte, habe eine bessere Wundheilung und verfüge über einen deutlich verbesserten Gehör-,Geruchs- und Sehsinn, welcher mich den Menschen überlegen macht. Ach ja und ich bin auch generell stärker und schneller als sie.

Eine richtige Killermaschine, wie es in Büchern immer geschrieben steht, bin ich jedoch nur in Wolfsform, wenn meine innere Wölfin Skady das Sagen übernimmt. Ansonsten muss ich mit meinen asiatischen Kampfkünsten vorlieb nehmen, immerhin bin ich schon ein Meister des wenig abschreckenden Kampfschreis.

Huhu meine Lieben, das hier ist meine erste veröffentlichte Geschichte. Ich würde mich sehr über konstruktive Kritik oder generell ein Feedback freuen. Vielen Dank, Eure Annie Hunter :)
@mypassionforbooks

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