Kuss?

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♧ These voices won't leave me alone ♧

,,Halt doch still." Ecco zappelte schrecklich, als ich ihre kleine Schnittwunde zunähte. Zwei Wochen bin ich schon wieder bei ihnen. Es scheint irgendetwas Großes anzustehen. So wirkte es zumindest. Jeremiah war nur noch beim Bau des Tunnels und beobachtete diesen. Wirklich jede freie Minute. ,,Danach hast du nichts mehr zu tun." ,,Wirklich?" Das war ja noch nie vorgekommen... Ecco nickte. ,,Der Boss hat das angeordnet." Warum sollte Jeremiah wollen, dass ich einen freien Tag habe und alles tun kann, was ich will? ,,Und fertig." Ich klebte ein kleines Pflaster auf ihren Unterarm und schon war sie auf und davon.

Zum ersten Mal konnte ich mich frei hier bewegen. Ich durchquerte die ganze Kirche und die dazugehörigen Gebäude. Der einzige Teil, wo ich nicht war, war der private Teil von Ecco und Jeremiah. Die Tür war zwar nicht abgeschlossen gewesen, aber ich hatte mich trotzdem nicht getraut in ihr Schlafzimmer zu sehen. Zwar war die Neugier riesen groß, aber die Angst vor Jeremiah noch größer. Ich wollte echt nicht wissen, was geschehen würde, wenn er rausfindet, dass ich in seinem Schlafzimmer gewesen war. So sehr dieser Mann mich verängstigte und verstörte, er war interessant. Nicht nur sein außergwöhnliches Erscheinungsbild. Sondern auch seine Theorien und Methoden, wie er Aufgaben anging.

Ich kaute still vor mich hin. Ecco und Jeremiah saßen zusammen und aßen ihr Abendessen, was ich gekocht hatte. Ich saß, wie immer, an einem anderen, kleinen Einzeltisch, der an die Wand gedreht war und las nebenbei ein Buch. Die zwei unterhielten sich leise. Okay, eigentlich redete fast nur Jeremiah, denn Ecco lachte bei jedem zweiten Wort wie ein dummes Huhn. Die scheint echt nicht viel in der Birne zu haben... ,,Welche Krankheiten sind bei dir festgestellt worden?", fragte Ecco mich plötzlich. ,,Einiges...", murmelte ich abwesend und schob mir eine weitere Gabel mit Erbsen in den Mund. ,,Was genau?", hakte sie nach. ,,Schizophrenie, dissoziative Identitätsstörung und bin manisch- depressiv." ,,Wie wurde das diagnostiziert?" Nun mischte sich auch Jeremiah ein. ,,Indem ich eingewiesen wurde. Wie denn sonst?" Jeremiah starrte mich einige Augenblicke an, ehe er sich seinem Essen zuwandte. Hm, alles klar.

,,Du musst mit ihr reden. Verstehst du?" Ich nickte aufmerksam. ,,Du musst rausfinden, was sie über uns weiß. Aber das wird sie dir nicht einfach erzählen Arabella. Deswegen." Jeremiah schob mir einige Magazine hin. ,,Diese hier wird sie als Bezahlung haben wollen." ,,Und was ist, wenn sie nicht mit mir sprechen möchte?", fragte ich ihn unsicher. ,,Vertrau mir, das wird sie." Er zwinkerte mit kühlem Gesichtsausdruck zu und drückte mir die Tasche voller Magazine in die Hand.

,,Und was genau willst du wissen?" Mir lief ein kalter Schauer über den Rücken, als Barbara Kean mich von oben bis unten scannte. Allein ihr Anblick verriet mir, dass diese Frau tödlich war. ,,Was weiß das GCPD über Jeremiah Valeska?" Ihre grünen Augen verengten sich. ,,Nicht viel. Sie suchen nach ihm." ,,Und?" Ich verschränkte die Arme vor der Brust. ,,Sie haben einen kleinen Jungen aufgenommen, der für ihn arbeitete." Fuck... ,,Mehr weiß ich nicht Miss...?" ,,Smith." Ich seufzte leise auf und fuhr durch meine Haare. Jeremiah wird einen Anfall bekommen, wenn ich ihm davon berichte. ,,Sie arbeiten für ihn, oder?" Ich sah die Blondine unbeeindruckt an. Ein falsches Wort und sie hätte eine weitere, wichtige Information. Dann lieber den Mund halten. ,,Auf Wiedersehen Miss Kean."

,,Was hat sie gesagt?" Ich nahm meine Mütze vom Kopf und zog meine Winterjacke aus. Jeremiah warf sein Jacket über den Schreibtischstuhl seines Büros und schenkte sich ein Glas Whiskey ein. Er reichte mir ebenfalls eins. Ich nahm einen kleinen Schluck. ,,Sie hat erzählt, dass das GCPD nach dir sucht. Und ein Junge sei zu ihnen bekommen. Ein Junge, der im Tunnel gearbeitet hat..." Meine Stimme wurde Wort für Wort leiser. So Schiss hatte ich vor seiner Reaktion. ,,Sie werden hergekommen." ,,Ja..." Bei Gott, woher wusste er das? Ich hatte ja noch gar nichts davon erwähnt! Wie schlau ist der bitte?

Doch Jeremiah reagierte nicht so, wie ich gedacht hatte. Er winkte kühl ab und ließ sich in den Schreibtischstuhl fallen. ,,Sollen sie kommen. Die haben eh kaum noch Munition und Arbeitskräfte finden wir überall." Ich spürte seinen Blick in meinem Rücken. Ich stieß mich vom Schreibtisch und drehte mich um, sodass ich ihn ansehen konnte.

,,Ich bin stolz auf dich Arabella." ,,Auf mich?" Ich sah ihn überrascht an. Jeremiah nickte ernst. ,,Ja. Du hörst besser als Ecco." Ich erstarrte zu einem Eisblock, als er freundlich über meinen Arm strich. Ein angenehmer Schauer durchfuhr meinen Körper, bei dieser Berührung. ,,Magst du Gotham? Hast du es dir so vorgestellt?" Schon war wieder Kälte zwischen uns. Jeremiah sah starr auf die, ins Dunkel gehauchte, Stadt,  die vor uns lag. ,,Es geht. Am Anfang habe ich es gehasst. Aber jetzt... Die Stadt hat mir Möglichkeiten gegeben, die keine andere Stadt mir hätte geben können. Ich bin auf freiem Fuß. Obwohl ich schlimme Dinge getan habe." ,,Du hast deine Eltern getötet." ,,Jep." Ich will gar nicht wissen, woher er das weiß. Das hatte ich ihm oder Ecco nie erzählt. Er stand auf und stellte sich neben mich. Wir sahen beide auf die zerstörte Stadt.

,,Warst du schon mal verliebt Jeremiah?" ,,Nein." Was für eine Überraschung... Hatte ich mir eh schon gedacht. ,,Du, Arabella?" ,,Auch noch nie. Ich habe Probleme Menschen vertrauen." ,,Warum?" Er wirkte echt neugierig. ,,Weil ich ein Trauma hinter mir habe. Ich wurde als Kind missbraucht", wisperte leise. Jeremiah nickte nur. ,,Ich habe früher einmal in einem Zirkus gelebt." Zirkus? Jeremiah? Als ob. Ich sah ihn überrascht an. Doch er nickte todernst. ,,Meine Mutter hat dort gearbeitet. Jerome und ich sind dort aufgewachsen." ,,Das war bestimmt cool. Überall Zuckerwatte, Fahrgeschäfte und..." ,,Es war dreckig und die Leute waren Arschlöcher", schnitt er mir kalt das Wort ab und wandte sich ab. ,,Oh..." Mehr bekam ich nicht raus. Was sollte ich denn auch darauf bitte antworten? Ich wusste ja nicht, wie es ist, im Zirkus aufzuwachsen.

Ich sah noch einige Momente aus dem Fenster, als ich plötzlich fest am Nacken gepackt wurde. Er drehte mich unsanft um. Jeremiah's Fingernägel bohrten sich schmerzhaft in die Haut. Er musterte mich mit einem durchdringlichen Blick. Er sah fast so aus, als würde er mich mit seinem Blick röntgen wollen. Jeremiah zog mich an sich. Ich spürte seinen Atem auf meiner Wange. Hm, er roch gut nach Minze. Ohne es zu wollen, schlug mein Herz augenblicklich schneller, je mehr Platz zwischen uns schwand. Es herrschte Spannung. Spannung, die gefährlich war. Eine Mischung aus sexueller Anziehung und Mordlust. Jeremiah lockerte seinen Griff um meinen Hals ein wenig und hob meinen Kopf, sodass ich diesen leicht in den Nacken legen musste.

Zwischen unsere Gesichter passten inzwischen nicht mal mehr ein Blatt. ,,Weißt du, was du bist Arabella?" ,,Eine Frau, ohne Verlängerung vom Aufenthaltsbestimmungsrecht?", fragte ich scherzhaft. Okay, eigentlich war das kein Scherz. Mein Visum war halt wirklich abgelaufen und konnte nicht verlängert werden, weil ich in einer verkackten, zerstörten Stadt war! Sein Griff verfestigte sich sofort. Der kam bei ihm wohl nicht so gut an. ,,Du bist ein Harlekin. Schon einmal davon gehört?" Ich konnte nicht mehr antworten. Er schnitt mir jegliche Luftzufuhr ab. Also nickte ich nur. ,,Gut, gut. Du bist mein Harlekin Arabella. Und dafür bin ich dir dankbar." Er lehnte sich an mein Ohr. Sein warmer Atem ließ mir einen angenehmen Schauer über den Rücken wandern. In meinem Bauch kribbelte es angenehm. Verdammt, ich sollte diesen wahnsinnigen Massenmörder hassen! ,,Es verlangt viel Ergebenheit und Loyalität um ein Harlekin zu sein. Und ein wenig Wahnsinn."

Er sah mich erwartungsvoll an. Hä? Was sollte ich denn jetzt tun? Sein Griff lockerte sich erneut, sodass ich endlich wieder mehr Luft bekam. Seine Hände legten sich an meine Taille. Okay, was genau geht jetzt ab?! Doch statt auf meine innere, vernünftige Stimme zu hören und ihn von mir zu stoßen, gehorchte ich der anderen, abenteuerfreudigeren Stimme. Ich sog lautstark die Luft ein, als Jeremiah sein Gesicht herabsenkte.

Und mich küsste! Er küsste mich wirklich! Zuerst war ich echt überrascht und versteinert, was, glaube ich, in meiner Situation auch ganz normal war. Doch als er die Arme fester um mich schlang und mich so noch näher an sich zog, erwiderte ich vorsichtig den Kuss. Ich hatte nicht gedacht, dass er so intensiv küsste. Aber mal nebenbei angemerkt, er küsste auch echt verdammt gut. Hatte ich irgendwie nicht erwartet gehabt.... Keine Ahnung warum. Mir entfuhr ein verzweifeltes Seufzen, als er meine Lippen mit seiner Zunge spaltete und meine Brust seine strich.

Und schon war es vorbei. Jeremiah wandte sich sofort ab und sah sich einen Bauplan auf seinem Schreibtisch an. Er hat so, als wäre nichts geschehen. Okay....? Ich glaube, es ist besser, wenn ich jetzt gehe... Auch wenn der Kuss Wahnsinn gewesen war.

Love in difficult conditionsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt