21. Moment

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Idan erlaubt sich immer mehr Freiheiten bei Noemie. Sie gewöhnt sich daran. An seine Nähe. Auch wenn es schwer ist bemüht sie sich nicht zurück zu weichen.

Es gewittert. Noemie liebt dir Geräusche von Donner und Blitz. Das Lichtspektakel und die dunklen Wolken. Idan kam auf die Idee zusammen auf den Dachboden zu gehen. Zwischen all seinen Bildern und Büchern ungefähr in der Mitte des Raumes befindet sich ein Dachfenster. Idan scheint dort oft zu sitzen. Es ist der einzige Platz im Raum der nicht vollgestopft ist. Groß genug um zu zweit darunter Platz zu nehmen.

Idan setzt sich als erster hin und legt die Decke um sich. Hier oben ist es nämlich ein bisschen kalt und am ziehen. Er friert nicht schnell aber er weiß, dass sie es tut.

Noemie zögert sich zu ihm zu setzten und bleibt neben ihm stehen. Sie umschlingt ihre Körper mit den Armen.

"Setzt dich doch!"

Sie schüttelt den Kopf.
Es ist ihr nicht unbehaglich neben ihm zu sein, aber manchmal glaubt sie nicht das Recht zu haben. Sie versteht nie was überhaupt ihre Rechte sind.

"Bitte?"

Erst als Idan sie bittend anlächelt versteht sie, dass er sie bei sich haben will. Idan ist es nicht gewohnt ihr zu sagen, was er sich von ihr wünscht. Er will sie nicht belasten oder zu etwas zwingen und umgekehrt versteht sie deshalb meistens nicht, was sie machen soll. Sie denkt dann oft es interessiert ihn gar nicht, ob sie da ist und ob sie ihm nah ist. Beide haben wohl nicht so Recht eine Ahnung, wie man Gespräche führt und seine Gefühle äußert.

Noemie setzt sich zögernd mit etwas Abstand neben ihn.

Er lacht.
Er weiß nicht, ob sie schüchtern ist oder Angst hat. Doch im ist klar geworden, dass man bei ihr etwas direkter sein muss. Manchmal muss man sie dazu zwingen über ihren Schatten zu springen.

Er steht auf.

"Was machst du da?"

Noemie ist sichtlich irritiert.
Hat sie ihn falsch verstanden.

"Ich hätte mich auch weiter weg setzten können. Tut mir - "

Noch bevor sie den Satz beenden kann, hat er sich auch schon hinter sie gesetzt. Seine langen Beine seitlich um sie gelegt. Die Decke zusammen mit seinen Armen über ihren Schultern.

Ihr Gesicht glüht.
Ihr Herz rasst.
Sie hat gelernt das ein Herz auf eine schlechte Art schneller schlagen kann, aber auch auf eine gute. Bei Idan in ihrer Nähe ist es mittlerweile immer zweiteres.

"Dummkopf."

Haucht seine Stimme von hinten in ihr Ohr.

Sie drückt sein Gesicht mit der Hand ein Stück weiter weg.
Löst seine Arme mit der Decke von sich.

"Du bist zu nah. Es ist zu warm!"

Erwidert sie so schnell, dass sich ihre Worte beinahe überschlagen.

"Ich dachte dir wäre kalt."

Idan zuckt hämisch grinsend mit den Schultern.

Noemie kann kaum reden.
Sie ist nur froh das er in dem Licht kaum ihre roten Wangen erkennen kann. Sie will ihm nicht noch mehr geben mit der er sie aufziehen kann.

Mit derzeit rückt Idan wieder näher zu ihr.
So vorsichtig und bedacht, dass sie es gar nicht bemerkt.

Ihr Gesicht kühlt sich ab und sie fängt ein wenig an zu zittern. Als sich dann seine Arme mit der Decke wieder um sie klammern, ist sie irgendwie dankbar und nicht mehr so nervös.

"Siehst du? Besser oder?"

"Besser."

Sie nickt glücklich und hält seind Hände vor ihr fest.

"Weist du was dein Problem ist?"

Vieles denkt sie bei sich, doch noch bevor sie etwas sagen kann redet er weiter.

"Du musst lernen dich selbst und deine Bedürfnisse zu akzeptieren."

Hm.. Stimmt das?

Sie kennt ihre Bedürfnisse.
Sie musste als Kind im Gegensatz zu anderen lernen, was Bedürfnisse sind und wie man sich selbst wahrnimmt. Aber sie hat es gelernt. Und sie hat auch gelernt sich selbst zu akzeptieren. Ja ihre Messlatte für sich selbst ist ziemlich hoch. Sie ist ehrgeizig und perfektionistisch, doch sie würde sich selbst auch nicht ändern wollen. Heißt es das nicht sich selbst zu akzeptieren? Sich selbst gern zu haben?

Sie schüttelt mit dem Kopf.

"Weißt du als Kind hatte ich keine Ahnung von Bedürfnissen. Noch nicht mal, wenn es ums Essen oder Auf Klo gehen ging. Ich hab meinen Körper nicht verstanden. Aber ich hab durch viele Therapien gelernt, damit umzugehen. Meinen Körper und das was er will wahrzunehmen und es anzunehmen. Du hast recht eine Zeit lang war das mein Problem, aber nicht mehr."

Stille.
Idan weiß nicht genau, was er sagen soll.

"Tut mir leid ich wollte nichts falsches sagen.."

"Alles gut. Du hast nichts falsches gesagt. Ich hab nur bemerkt das ich dich vielleicht gerade mal zu Hälfte verstehe."

"Okay.. Dann ist ja gut."

Sie findet es interessant, wie selbst ehr sie immer noch nicht richtig kennt oder versteht.

"Sag mal Emi, was ist eigentlich dann dein Problem?"

Sie lacht über seine Neugier.

"Ich mein du musst nicht mit mir reden."

"Nein nein schon gut. Frag mich ruhig wenn was ist. Ich mag das."

Sie lehnt ihren Kopf zurück und grinst ihn an. Er hat das Bedürfnis ihre Stirn zu küssen, aber er macht es nicht. Er will sie nicht wieder verschließen, wenn sie sich gerade öffnet. Anstattdessen schreicht er ihr über die Haare.

"Mein Problem war es schon immer das von anderen geliebt zu werden. Ich nehm mir nicht gerne was raus. Ich hab mir als Kind auch immer nur die billigsten oder einfachsten Dinge gewünscht, weil ich anderen keine Last sein wollte. Ich dachte irgendwie immer, dass wenn ich zur Last werde sie mich allein lassen. Das man mich nur mag wenn ich brav und einfach bin. Ich hab meine Grenzen deswegen nie verteidigt, weil ich gerne von anderen geliebt werden wollte. Ich dachte die Ärzte hätten mir weh getan und niemand hätte mir geholfen, weil man mich nicht liebt. Deshalb versteh ich bis heute nicht woher ich weiß das mich jemand mag und wie ich diese Liebe aufrecht erhalten kann. Ob ich überhaupt das Recht dazu habe. Ich frag mich immer wann sie wieder gehen. Ich glaub deshalb lass ich emotional niemanden gerne an mich ran.. Es macht mir immer Angst."

Ihre Schultern beben. Ihr Herz fängt immer stärker an zu zittern während sie Idan noch weiter in sie sehen lässt.

"Danke."

Er hat kein Recht sein Mitleid zu bekunden und er weiß kaum, was er sonst sagen soll. Aber es berührt ihn wie nah sie ihn heran lässt.

Immer wieder erleuchten Blitze den Dachboden und bringen Donner sie zum zusammen zucken.

Noemie fühlt sich hier sicher.
Das erste Mal in ihrem Leben.
Sie weiß er bleibt zumindest für eine Weile und in dieser will sie lernen, was Lieben wirklich heißt.

Idan küsst sie.
Löst sich und streicht ihr über die Wangen.

"Gibt es irgendwas das du dir wünschst?"

In letzter Zeit fragt er das öfter wenn er sich Sachen wie einen Kuss erlaubt. Sie weiß er meint es nicht so, aber er fühlt sich immer so an würde er sie für ihre Zuneigung bezahlen. Dafür das sie ihn gewähren lässt. Irgendwie lässt sie das Stück für Stück etwas dreckig fühlen. Nicht geliebt.

Ihr Gesicht verfinstert sich.
Sie schüttelt den Kopf.
In der Dunkelheit nimmt er es nicht wahr.
Ihr Herz.
Ihr Herz, dass er immer abhängiger macht, um ihr dann nach und nach kleine Nadeln durch zu jagen.

"Ich will nur das du mich liebst."

Murmelt sie vor sich hin.

"Was hast du gesagt?"

"Erzähl ich dir wann anders nicht jetzt."

Mit traurigen Augen löst sie sich aus seiner Umarmung, steht auf und verlässt den Dachboden.

Manche Sachen bleiben besser ungesagt.

Ihr letztes Versprechen ~ KEANAWo Geschichten leben. Entdecke jetzt