12. Begegnung

23 3 0
                                    

Nicht zu wissen, was Noemie und Idan alles gemeinsam erlebt haben nagt an Emi. Sie weiß nie wann Idan etwas neues von sich preis gibt, wann er sie anders und wann er sie gleich behandelt. Sie weiß nie, wann sie Noemie betrügen und ab wann man ihre Gefühle als eins bezeichnen kann.
Alles in ihr sträubt sich dagegen Noemie zu sein. Sie will etwas eigenes sein. Nicht in ihrem Schatten leben.

Idans Worte schwirren immer noch in ihrem Kopf. Es tut weh.
Es tut einfach, wie er ihr immer das Gefühl gibt nur ein Ersatz zu sein. Austauschbar. Irgendwie gleichgültig. Sie ist so schön naiv. Aber wie will man auch nicht naiv sein, wenn man nichts von Gefühlen versteht.
Sie versteht ja noch nicht mal sich selbst.
Laut seufzt Emi und zieht sich an den Haaren.

"Was ist jetzt schon wieder?"

"Nichts."

"Ja genau.. Du musst mir nichts erzählen. Geht mich ja nichts an, aber dann fang nicht immer an und hör wieder mitten drin auf."

Da!
Da war es schon wieder, diese scheinbare Gleichgültigkeit. Es ginge ihn ja nichts an.
Aber sie ist ja nicht besser. Sie ist ja nicht mal ehrlich zu sich oder ihm. Denn auch wenn sie nicht lügt, so schweigt sie doch.

"Du hast Recht es ist mein Problem. Also lass uns nicht darüber sprechen."

Idan nervte es wenn Emi ihm nicht die Wahrheit erzählt. Wenn sie mitten im Satz abbricht. Aber was könne er schon tun.
Es ist ihr Leben und er hätte kein Recht irgendwas darin zu verändern. Das ist schon einmal schief gelaufen.

So fängt es an.
Das aneinander vorbei reden.
Das ist das Problem an Gefühlen, sobald zwei davon betroffen sind wird es irgendwie immer kompliziert. Deshalb will Idan die Grenze simpel halten. Er will das Emi auf eigenen Füßen steht, unabhängig und sie wiederum will abhängig sein.

"Was hast du heute vor?"

Emi kann das Schweigen und ihre Gedanken nicht länger ertragen. Sie ist viel mitteilungsbedürftiger als Noemie es war.

"Ich muss ein, zwei Bilder bearbeiten und ein paar Kundenaufträge durchschauen. Ach ja und ich muss noch die Firma vom letzten Shooting anrufen, das darf ich auf keinen Fall vergessen."

Emi muss schmunzeln. Manchmal ist Idan schon ein wenig lustig. In den einen Momenten weigert er sich sie in sein Denken einzubinden, schaltet auf Durchzug und in anderen Situationen eröffnet er ihr jegliche Gedankengänge.

"Dann warte ich hier auf dich."

Sie legt sich flach auf den Boden.
Arme und Beine von sich gestreckt.
Die Augen zu.
Wenige Minuten vergehen. Idan tippt sie mit seinen Fußspitzen an.

"Wenn du schlafen willst, kannst du dich ruhig auf die Couch legen."

Er deutet auf eine Ecke weiter hinten im Raum.

"Nein danke."

"Leg dich lieber auf die Couch.. Der Boden ist kalt."

Er lässt nicht locker.

"Aber hier bin ich näher bei dir."

"Na und was bringt dir das?"

Idan zuckt mit den Schultern.
Emi setzt sich auf.

"Dann kann ich dich beobachten."

Sie legt den Kopf schief und lächelt ihn an.

"Such dir lieber eine sinnvolle Beschäftigung."

Genervt verdreht sie die Augen.
Nie versteht er ihre Gefühle.
Sie will ihm doch einfach nahe sein.
Seine Nähe ist auf die Ferne zu etwas geworden, was sie wärmt und ihr ein Gefühl der Sicherheit gibt. Doch er lässt sie nicht bei ihm sein. Er will nicht das sie auf ihn angewiesen ist, er will das sie eine schöne eigenständige Frau ohne Ängste wird. Zwei gegensätzliche Ziele auf die beide stetig hinarbeiten.

"Idiot."

Gerade als Emi aufstehen und Gehen will, drückt Idans Hand sie wieder sanft zu Boden, während er an ihr vorbei zur Couch läuft.

"Bleib hier."

Sie hört aufs Wort, wenn auch widerwillig.

"Hier."

Er lässt eine Decke in ihren Schoß fallen.
Seine Sorge um sie ist willkommen und zugleich unerwünscht. Sie will Gefühle in ihm wecken egal welche, Hauptsache sie gehören ihr und nicht Noemie, doch sie hat auch Angst. Sie hat Angst wegen Aries Worten. Trotzdem legt sie sich lächelnd mit der Decke im Arm zurück auf den Boden.

Idan schmunzelt. Sie erinnert ihn immer mehr an eine Katze. Nur noch das Schnurren fehlt. Allmählich taute sie sein Innerstes auf.

"Sag mal Idan? Darf ich dich was fragen?"

"Machst du doch schon?!"

Sie schnalzt mit der Zunge.
Er ärgert sie viel zu gern.

"Komm frag schon."

"hm also wegen deinen Ex-Freundinnen."

"Ja was ist damit?"

"Wer hat jeweils Schluss gemacht?"

Normalerweise bevorzugt Idan es nicht über seine Vergangenheit oder seine Gefühle zu reden, doch er kann ihre unschuldige Seite einfach nicht enttäuschen.

"Ich."

"Jedes mal?"

"Jedes mal."

Beunruhigt vergräbt Emi ihr Gesicht in der Decke.

"Warum?"

"Weil sie mir zu lästig wurden."

"Warum?"

"Frag doch nicht immer warum.."

Idan möchte sie nicht näher an sich ran lassen. Sie zerrt noch mehr an seinem Herzen als sie es vor dem Verlust ihrer Erinnerungen getan hat. Das passt ihm nicht.

"Aber.."

"Kein aber. Ich beantworte noch das eine Warum danach ist schluss mit Warum."

Emi nickt.

"Sie sind mir zu lästig geworden, weil sie ständig versucht haben mich zu Kontrollieren. Mich von ihnen abhängig zu machen und sich dabei selbst einfach verloren haben. Irgendwann waren sie einfach nur lästig, nervig und uninteressant."

Emi denkt nach.
Vergräbt ihr Gesicht noch weiter in die Decke.

"Wird das bei mir auch passieren? Lässt du mich irgendwann auch fallen?"

Sie hat Angst.
Angst nichts mehr zu haben. Schon wieder. Wie als sie das erste mal die Augen aufgemacht hat. Sie hatte keine Erinnerung und niemand war bei ihr. Jede Nacht hat sie den selben Traum und die selbe Angst. Nicht mehr aufzuwachen. Idan nicht mehr wieder zu sehen. Nur noch leere um sich zu haben.
So abhängig ist sie schon.

"Keine Angst. Der Vertrag schließt eine Klausel ein, die besagt, dass ich nur gehen darf wenn du sagst, dass ich es soll. Also liegt es völlig in deiner Hand."

Kann er nicht einfach nein sagen?
Kann er sie nicht einfach lieben?
Kann er nicht einfach sagen, das er sie liebt und ihr versprechen nie zu gehen?

Kleine Tränen fallen leise von Emis Augen auf die Decke. Unbemerkt.

"Wenn du nicht von allein bleiben willst. Dann geh."

Unbemerkt.

"Was?"

"Nichts.."

Emi fällt ins Schweigen. Schläft ein.
Idan wundert sich eine Zeit lang warum sie nicht mehr antwortet, bis er ihren regelmäßigen Atem bemerkt. Er hebt sie vom Boden auf, trägt sie aufs Sofa. Streicht ihr die Haare aus dem Gesicht. Deckt sie zu.

"Du bist einfach zu naiv."

Er Küsst sie auf die Wange.

"Du musst besser aufpassen."

Er küsst sie auf die Stirn,
Streicht ihr über den Kopf,
Deckt sie zu.

"Ich will dir nicht wieder weh tun."




Ihr letztes Versprechen ~ KEANAWo Geschichten leben. Entdecke jetzt