42. Moment

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"Redest du jetzt nicht mehr mit mir?"

"Nö."

Noemie könnte sich dafür selbst schlagen, dass sie durch ihre Antwort auf die Frage schon mit ihm geredet hat.

Idan schmunzelt nur, als er bemerkt, wie hartnäckig sie versucht die Worte runter zu schlucken.

"Du hättest es respektieren müssen.. So fühlt es sich an als würdest du mich gar nicht Ernst nehmen."

Manchmal tut er das auch nicht.
Ihr Mangel an Erfahrung macht es ihm oft schwer ihren Standpunkt anzuerkennen. Und dann ist sie ja auch noch so stur und teils unbeständig. Da weiß er nie, wann er es als wichtig an sehen soll.

"Was ist denn so schlimm daran?"

Er versucht die Situation immer noch locker zu nehmen.

"Ich wollte es halt nicht wissen.. Wir haben da schon mehr mals drüber gesprochen.."

"Und jetzt freust du dich nicht mehr oder wie?"

Idans Verständnis und Ausdauer neigt sich dem Ende. Warum muss sie so verbissen sein.

"Es geht ums Prinzip."

Prinzipien.
Etwas das Noemie liebt.
Idan sind sie auch wichtig, doch manchmal verliert er das aus den Augen. Wenn sie ihn dann daran erinnert kann er nicht anders als ein schlechtes Gewissen zu haben.

"Es tut mir leid. Ich geb ja schon zu ich hätte es nicht machen sollen. Aber ich bereue es trotzdem nicht es endlich zu wissen."

Noemie dreht sich weg.
Es ist so unfair, dass er immer so schnell die richtigen Worte findet und dann meint jetzt sei alles in Ordnung.

"Ich wills trotzdem nicht wissen also behalte es für dich."

Sie macht dicht.

"Wie stellst du dir dass denn vor? So können wir uns doch nicht mal auf einen Namen einigen."

"Behalt es für dich."

Sie schaut ihn böse an und versiegelt so seine Lippen. Selbst ihre Neugier kommt nicht gegen die Mauer auf, die sie in ihrem Inneren aufgebaut hat. Hin und wieder hat Idan bei dem ganzen ein ungutes Gefühl. Eine Befürchtung, die er nicht aussprechen will. Doch es gibt Dinge, die müssen ausgesprochen werden.

"Du denkst nicht an irgendwas dummes oder?"

Idans Stimme nimmt immer einen tiefes Raunen an, wenn er Wichtiges fragt.

"Was meinst du?"

Sie sieht beinahe ertappt aus.

"Noemie.. Du sprichst ständig davon, was wäre wenn jemandem von uns etwas zustößt. Du willst das Geschlecht unseres Kindes nicht wissen. Und auf einen Namen willst du dich eigentlich auch nicht einigen.. Also was ist los?"

Sie beißt sich auf die Lippen.
Hält ihre Tränen zurück.

"Ich hab so unglaubliche Angst."

"Wovor?"

"Dass das alles Falsch ist. Nicht real. Das ich irgendwann aufwache und allein bin. Manchmal will ich einfach aufhören.."

"Womit?"

"Zu atmen.. Zu leben.. Aber ich bin nicht mehr allein. Ich merke dieses kleine Leben in mir. Doch was soll ich machen, wenn ich nicht ausreiche? Nicht genüge? Wenn du irgendwann gehst? Dann würde ich lieber gehen."

Eine Pause in ihren Worten drückt sein Herz noch tiefer.

"Dann würde ich dir lieber dieses Geschenk hinterlassen und sterben."

Als der Satz erst einmal über ihre Lieben kommt kann sie nicht mehr anhalten.
Als sie danach bemerkt, was sie gerade gesagt hat trifft es sie schwer.

"Es tut mir leid.."

Ihre Tränen brechen aus ihr heraus.

"Warum sag ich immer so was.. Was stimmt nicht mit mir.. Ich bin so dumm. Es tut mir leid."

Hysterisch zieht sie an ihren eigenen Haaren.

Idans Blick wandert zum Boden.
Er schafft es nicht sie an zu sehen.
Seine Lippen pressen sich aufeinander.

"Sag so etwas nie wieder in meiner Gegenwart."

"Aber wenn ich es fühle. Du wolltest doch immer, das wir -"

"Nie wieder."

Seine Stimme klingt emotionslos. Doch als seine Augen ihre treffen sieht sie den Schleier der über ihnen liegt.

"Es tut mir leid.."

Diesmal senkt sie den Blick.
Aber es kommt kein beruhigendes Kopf streicheln. Es kommen auch keine weiteren Worte. Er ist einfach enttäuscht.

Hat sie ihm je vertraut?
Seinen Worten geglaubt?

Noemie dachte immer, dass es ihre Angst vor Nähe wäre, die einer gesunden Beziehung im Weg steht. Sie dachte immer es wäre ihr Unvermögen einen anderen Menschen anzufassen. Jetzt weiß sie jedoch, dass es ihre Zwänge sind. Ihre düsteren Gedanken. Das nicht sie die Verletzte, sondern die Verletztende ist.

"Kannst du mir nicht vergeben? Noch dieses eine mal?"

Sie klammert sie an seinen Arm und schiebt sich in sein Blickfeld.
Diese Frage sticht sogar mehr als ihre Aussage davor. Traurig legt er seine Hand auf ihren Kopf. Ruft sich ihre Vergangenheit in Erinnerung.

"Was muss alles passieren, damit ein Mensch so kaputt ist.."

Murmelt er vor sich hin, während er tief ausatmet.

"Ich verlange kein Wunder von dir. Du musst ja nicht von heute auf morgen anders sein. Aber bitte, sag sowas nicht mehr. Denk es noch nicht mal."

Seine flehenden Worte graben sich tief in ihr Herz. Sie setzten sich dort fest. Brennen sich ein, damit sie es nicht mehr vergisst.

"Tu es für mich und für sie."

Er legt seine andere Hand auf ihren Bauch.
Sie kann ihm noch nicht mal böse sein.
Es zu wissen, macht es ihr ein Stück weit schwieriger sich selbst aufzugeben.
Idan weiß genau, wann er welche Karte ausspielen muss. Nur er spielt dieses Spiel nicht, um Noemie zu schlagen, sondern sie zu gewinnen.

Ihr letztes Versprechen ~ KEANAWo Geschichten leben. Entdecke jetzt