30. Moment

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"Kein wenn und aber. Du gehst zum Psychologen."

Noemie will noch zu einem Satz ansetzen, doch Idans Entschlossenheit bringt sie zum Schweigen. Sie weiß nicht genau wie er das macht, nur wenn er sie so ansieht dann kann sie einfach nicht mehr nein sagen. Manchmal hat der Ausdruck in seinem Gesicht mehr etwas von einem Flehen statt einem Befehl.

Bei Befehlen stellt sie sich gerne stur, wenn sie jedoch versteht, dass es der anderen Person viel bedeutet bleibt ihr nichts mehr gegen das sie angehen könnte.

"Ist ja schon gut."

"Warum nicht direkt so?"

Fragt Idan sie schulterzuckend, ohne eine Antwort zu wollen.

"Ich fahr dich dann um 15 Uhr da hin."

"Heute?!"

Skeptisch und völlig überrascht fällt ihr fast alles aus dem Gesicht.

"Ja heute."

Aber.. Denkt sie nur noch in ihrem Kopf.

Es stellt sie vor ein Rätsel wie Idan so schnell an einen Termin gekommen ist. Normalerweise dauert es ewig bis man auch nur jemanden findet, der neue Patienten aufnimmt.

Sie schaut auf die Uhr an der Küchenwand.

14.00 Uhr.

Sichtlich überfordert läuft sie in ihr Zimmer, na ja wenn man das noch so nennen kann. Sie schläft jetzt immer bei Idan. Ihr Zimmer ist nur noch ein Ort an dem sie sich hin und wieder Klamotten holt, wenn sie nicht gerade seine anzieht.

Zum Psychologen sollte sie wohl etwas vernünftiges tragen. Wie war das denn früher?

Vor 3 Jahren in etwa ist sie das letzte Mal bei einer Therapiesitzung gewesen. Mit 19 hat sie alle Medikamente und sonstigen Unterstützungen abgesetzt.
Sie bräuchte sie nicht mehr.
Sie sei austherapiert.

Als es dann wieder schlimmer wurde, traute sie sich nicht nach einem neuen Arzt zu suchen. Sie wusste noch nicht mal, ob das gut ist. Diese Medikamente...

Sie schüttelt den Kopf und löst sich von den unerwünschten Erinnerungen.

Angezogen, mehr oder weniger ordentlich, ist sie dann trotzdem nicht wirklich bereit, als Idan sie ruft.

"Ich weiß du hast Angst."

Unterbricht Idan im Auto angekommen die Ruhe.
Es ist ihm unangenehm, wenn sie so still ist.
Ihre Augen zeigen ihm, was los ist.

"Aber du musst dir helfen lassen."

Sie schaut auf ihr Füße.
Es fällt ihr schwer ihn anzusehen, da sie genau weiß, dass ihm nichts entgeht. Seinen Blicken standzuhalten tut manchmal weh. Besonders wenn sie ihm nah ist. Je geringer die Distanz zwischen ihnen ist desto eher befürchtet sie, dass er ihr Herz sieht. Wie es schlägt, wofür es schlägt, was es sich wünscht.

"Ich weiß. Du verstehst das nur nicht."

Sie will nicht zickig klingen. Es ist nur eine Tatsache.

"Wenigestens hast du mich nicht direkt zum Psychiater geschickt."

Sie lehnt den Kopf zurück, schließt die Augen und trommelt mit den Fingern auf ihrem Bein. Eine Angewohnheit, die schon lange nicht mehr zum Vorschein kam.

"Wenn sie Tabletten ins Spiel bringen, dann verändert das einen. Man fühlt weder Schmerz noch Trauer noch Glück.. Man ist einfach wie taub.. für alles. Als würde man gar nicht leben. Das will ich nicht nochmal."

Ihr letztes Versprechen ~ KEANAWo Geschichten leben. Entdecke jetzt