34. Moment

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Ihe Beziehung fühlt sich immer normaler an. Wären da nicht gewisse Umstände die alles ziemlich absurd machen. Genau diese Umstände die alles einfach immer viel zu kompliziert machen.

Unter anderem wäre da Noemie Verlustangst.

Als sie einmal morgens aufwacht, sitzt Idan auf der Bettkante und schaut sie an.

"Weist du das du wirklich hübsch bist?"

"Schleimer."

Sie will sich gerade umdrehen als Idans Hand sie daran hindert.

"Ich mein das Ernst."

Seine blau-grünen Augen haften an ihr.

"Hör auf zu gucken."

"Warum?"

Fragt er sie neckend.

"Weils peinlich ist."

"Dann erst recht. Gewöhn dich lieber dran."

Seine raue Stimme vernebelt ihre Sicht immer mehr. Durch ihn glaubt sie beinahe an sich. Beinahe.

"Brauch ich nicht. Irgendwann wird auch das vergehen."

"Red doch nicht schon wieder so ein Schwachsinn."

Idan ist sichtlich genervt davon, dass das Thema schon wieder in diese Richtung läuft.

"Es ist nur die Wahrheit. Irgendwann wirst du genug von mir haben."

"Weist du was, denk doch, was du willst."

Mit lauten Schritten verlässt Idan den Raum.

Noemie ist von sich selbst frustriert.
Jedes mal sagt sie das, was sie gar nicht meint. Eigentlich will sie sagen bleib, stattdessen fordert sie ihn auch noch auf zu gehen. Sie hasst sich dafür. Dafür, dass sie nicht weiß, wie man sei ne Gefühle richtig ausdrückt oder auch dafür, dass sie so unehrlich zu sich selbst ist. Die Ängste bestimmen immer noch ihr Leben und ihre Reaktionen. Idan versucht sie ja zu verstehen, aber er hat einfach keine Lust von ihren Launen kommandiert zu werden.

Wortlos fährt er sie etwas später zur Psychologin.

Weber bemerkt schon den dem Moment an als Noemie in den Raum kommt, das etwas nicht stimmt. Ihre Haltung ist gekrümmt und in sich gekehrt. Sie lächelt nicht. Ihre Augen sehen müde aus, nahezu glanzlos.

"Wie war Ihr Tag?"

Taktvoll versucht sie sich heranzutasten.

"Nicht gut. Ich hab mal wieder Müll gebaut."

Sie hält sich die Hände vors Gesicht und seufzt. Planlos.

"Was denken Sie in solchen Momenten?"

Noemie fällt es leicht sich Weber gegenüber zu öffnen. Was auch immer sie in den Sitzungen macht, sie wird niemals einfach gehen. Sie vertraut nicht direkt, aber durch die ungebundenheit und der Distanz zwischen ihnen ist das auch nicht notwendig.

"Ganz ehrlich?"

"Klar sagen Sie einfach, was Sie fühlen."

Weber strahlt auf eine komische Weise eine Wärme aus, durch die sie sich wohlfühlt.

"Ich bin dann immer so frustriert. Ich hab das Gefühl für nichts zu genügen. Und wenn mich niemand brauch, kann ich auch einfach verschwinden oder? Eigentlich will ich das gar nicht.. Aber sterben ist so viel leichter. Nichts mehr zu fühlen. Man kann auch nicht mehr verletzt werden und vor allem niemanden verletzten. Ich sehe dann schwarz.. Leere. Kein Licht. Würde mich jemand vermissen.. Würde sich irgendwer auf die Suche nach mir machen? Gäb es auch nur eine Person, die traurig ist."

"Und kamen Sie zu einem Ergebnis?"

Webers Gegenfrage verwundert Noemie.
Nicht gerade eine typische Reaktion, aber auch eben etwas, dass sie weiter bringt.

"Idan hat es interessiert.. Idan hat mir geholfen.."

Weber wartet einen Moment, um ihr Zeit zu geben sich zu sammeln.

"Aber ich werde auch ihn verlieren wenn ich so weiter mache.. Meine Gefühle auf ander abzuwälzen ist so unfair. Meinen Frust raus zu lassen.. Sie mit meinem Leben zu belasten ist nicht richtig."

Die Ärztin überlegt einen Moment.
Bei Noemie greifen Dinge nicht, die man sonst zu anderen sagt, um sie zu trösten.

"Vielleicht müssen sie einen andern Blickwinkel einnehmen."

Noemie ist verdutzt.
Die Ideen ihrer Psychologin sind oft recht sonderbar.

"Fragt er sie, wie es ihnen geht?
Versucht er ihnen zu helfen?
Hat er schon mal gesagt oder gezeigt, dass er will, dass sie leben?"

Weber macht nach jeder Frage eine kurze Pause, um ihre Reaktion zu sehen. Ein nicken folgt auf alle drei.

"Wissen Sie, wenn Sie nicht mehr leben wollen, könnten sie auch einfach versuchen ihr leben jemanden zu geben, der es haben will."

"Wie meinen Sie das?"

Sie kann ja nicht einfach sterben und den Rest ihrer Zeit jemandem geben, der krank ist oder ähnliches.

"Haben Sie schon mal versucht für jemand oder etwas weiter zu leben? Ihre Kraft und Energie für diesen zu nutzen?"

"Na ja.. Aber wenn er dann trotzdem geht, obwohl ich ihm mein Leben geschenkt habe?"

Tja bei Menschen ist das so eine Sache oder nicht? Nicht alle bewahren Geschenke auf. Die meisten haben doch keine Wertschätzung mehr.

"Vertrauen. Vertrauen ist hier der Schlüssel oder auch Ihr Problem. Versuchen Sie Idan mehr zu vertrauen."

Aber Menschen sind so unberechenbar, so instabil. Sagen sie noch in dem einen Moment sie bleiben, sind sie in der nächsten Sekunde schon nicht mehr da.

"Und gehen Sie auf ihn zu, statt ihn wegzustoßen."

Etwas niedergeschlagen lässt Noemie den Kopf hängen. Mal wieder ist sie das Problem.

"Sein Sie nicht entmutigt. Dinge gehen schief, damit wir daraus lernen."

Eine etwas optimistische Sicht auf das Leben. Unpassend zu ihrer zynischen Art.

"Wissen Sie, Noemie, zwischenmenschliche Beziehungen kosten Mühe und Anstrengung, aber Sie geben uns auch viel zurück. Stoßen Sie sie nicht von sich. Okay?"

Einfacher gesagt als getan.
Was wenn der andere einen weg stößt?

"Ihre Hausaufgabe ist es den Streit beizulegen und Idan zu erklären, was wirklich das Problem ist."

Wird er ihr zu hören?

Ihr letztes Versprechen ~ KEANAWo Geschichten leben. Entdecke jetzt