Sie kann nicht klar denken. Jeglicher Gedanke ist umfangen von dichtem, düsteren Nebel. Sie weiß auch nicht, was genau sie gedenkt zu tun, doch ihre Beine tragen sie immer weiter vorwärts und immer weiter die Treppen hinauf, auch wenn Draco hinter ihr her eilt und ihren Namen zum wiederholten Male ruft. Zumindest er scheint längst verstanden zu haben, wohin ihr weg sie führt: ins Klassenzimmer für Verteidigung gegen die dunklen Künste.
"Toula! Verdammter Mist...", flucht Draco hinter ihr und fällt fast die Treppen hinunter, als er ihr auf die nächste sich bewegende Plattform hastet und fast dem Abgrund begegnet.
Keuchend schaut er hinter ihr her. Er sieht nur ihren aufbauschenden Umhang und ihre dunklen schwingenden Strähnen, die im Wind ihres schnellen Schrittes wehen. "Warum ist sie so schnell?", bringt er nach Luft schnappend hervor und setzt nun zu einem schnelleren Sprint an. Er muss sie unbedingt aufhalten, bevor sie in sein Klassenzimmer stürmt. Das kann nur eine Szene werden, die nicht gut endet. Eine Katastrophe, die für keinen von beiden angenehm wird.
"TOULA!", er schreit über den gesamten Flur hinweg und springt ab, sodass er sie mit zu Boden reißt. Er spürt ihren Körper an den ihren, bevor sie der Länge nach zu Boden stürzen und für den Bruchteil einer Sekunde regungslos liegen bleiben.
Wütend rappelt sie sich auf und dreht sich mit erhobenen Finger zu ihm um, sodass er langsam folgt und sich den Staub von der Kleidung klopft. Ihr Finger wackelt drohend vor seinem Gesicht herum. "Er wusste davon!", entgegnet sie laut und zeigt auf die nicht weit entfernte Türe des Klassenzimmers. Jeder wird ihre Anwesenheit im Flur mitbekommen haben - auch Snape in seinem Klassenraum.
"Er wusste es und hat mir nichts gesagt!", wiederholt sie laut und Tränen vor Zorn, aber auch vor Traurigkeit rinnen über ihr Gesicht. Sie kann kaum noch etwas erkennen, ihr gesamtes Sichtfeld ist verschleiert, aber das wichtigste kann sie sehen. Sie kann Draco sehen und sie kann auch die Türe zum Klassenzimmer Snapes sehen, den sie zum ersten Mal in ihrem Leben richtig schlagen will. Ihre Stimme bebt, als sie zu Sprechen beginnt.
"Und woher wusste er das? Sicher nicht durch die Zeitung wie die restliche Schule! Er wusste es vor allen anderen. Er wusste es durch ihn!", ruft sie frustriert. Sie rauft sich überfordert die Haare. Sie spürt so viel und doch so wenig, aber was sie spürt ist ein tiefes, klaffendes Loch in ihrem untergegangenen Herzen. Draco läuft langsam auf sie zu, doch sie tritt sofort einen Schritt zurück. Wie ein scheues Reh, welches Angst davor hat eingefangen zu werden. Sie will seine Nähe nicht.Sie will nicht mehr. Gar nicht mehr. Ihr Schmerz scheint sie zu zerbersten, gänzlich einzunehmen und in ihrem Strudel aus Gefühlen tiefer in den Abgrund zu ziehen. Tiefer in die Dunkelheit, die sie nur an seine schwarzen Augen, seine rabenschwarzen Haare oder seinen Faible für schwarze Kleidung erinnert.
Gequält platziert sie ihre Hand auf ihr Herz und krallt sich in die Uniform.
"Er war die Nacht bei ihm, Draco! Vielleicht hat er es selbst getan!", schluchzt sie laut, gestikluiert wild mit der anderen Hand und wischt sich mit ihrem Umhang über das Gesicht. Sie stützt sich erschöpft an der Wand ab und beobachtet Draco aus glasigen Augen, während sie versucht genügend Luft in ihre Lungen zu schaffen. "Woher willst du das wissen, Toula?", fragt er vorsichtig. "Weil in seinen Augen die gleiche Traurigkeit stand, wie in allen anderen!", entgegnet sie hysterisch und vorsichtig nickt er. "Er hat es mir nicht gesagt... warum sagt er mir sowas nicht?", wiederholt sie weinend und lehnt sich nun mit einer aufkommenden Schnappatmung an die Wand, an der sie langsam hinuntergleitet.
Pure Verzweiflung breitet sich in ihrem innersten aus.
Sie vergräbt ihren Kopf in ihrer Armbeuge, zieht die Knie an sich heran und schluchzt verzweifelter auf als zuvor. Ihr gesamter Körper zittert und in ihrer Brust breitet sich ein noch größeres Loch aus. Eine innere Leere, die tief in ihr wahnsinnig schmerzt. Jahre war sie wütend auf ihre Eltern, Jahre, und erst im letzten Sommer nach ihrem Schulwechsel haben sie sich vertragen. Sie hat die beiden doch erst wieder zurück gehabt und jetzt sind sie tot.
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Das Versteckspiel der Todesser (Severus Snape FF)
FanfictionDie Rettung der Welt lag nie in Harry Potters Händen, sondern einzig allein in ihren, während sie von ihrem dunklen Tränkeprofessor begleitet wird, der sich immer tiefer in ihren grünen Augen verliert, obwohl sie ihm schon längst ihr Herz geschenkt...