Kapitel 21 - Adam

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Obwohl ich selbst in den Kreisen aufgewachsen bin, in denen auch die Campbells verkehren und derart große Anwesen mich kaum mehr beeindrucken können, raubt es mir den Atem, als ich geleitet von Brookes zitternder Stimme meinen Wagen auf den langen Kiesweg, der zum Campbell-Anwesen führt, steuere.

Das große moderne Gebäude wird von der Straße von dichten Baumreihen abgeschirmt, doch wir haben kaum die Hälfte der Zufahrt hinter uns gelassen, da ragt es uns in seiner vollen Pracht entgegen. Es ist ein schönes Gebäude, ziemlich modern gehalten, aber trotzdem strahlt es eine zeitlose Eleganz aus. Nichtsdestotrotz habe ich das Gefühl, von ihm erdrückt zu werden. Denn Brooke gehört hier einfach nicht her.

Bevor ich gewusst habe, in welche Familie ihre Mutter eingeheiratet hat, ist sie in meiner Vorstellung jedes Mal in ein kleines Vorstadtfamilienhaus in Washington D.C. gefahren, wenn die standardmäßigen Heimatbesuche an Thanksgiving und Weihnachten angestanden haben.

Dass Brooke hier tatsächlich fast zehn Jahre ihres Lebens verbracht hat, kommt mir so unwirklich vor.

Ich lasse meinen Blick ein letztes Mal über die gut gepflegte Fassade wandern, bevor ich zu Brooke neben mir schaue. Sie ist auf dem Fahrersitz zusammengesunken, verknetet ihre Finger immer und immer wieder ineinander und kaut sich nervös auf der Unterlippe herum.

Mit jeder Meile, die wir näher an unser Ziel gekommen sind, ist sie stiller und nervöser geworden. Es hat mich mehr und mehr Anstrengung gekostet, sie abzulenken. Gleichzeitig ist mit jeder Meile, die wir hinter uns gelassen haben, meine Wut auf ihre Familie gestiegen.

Für mich sind Abendessen in meinem Elternhaus oder große Feiern mit der ganzen Familie auch oft anstrengend und eine richtige Tortur, aber niemals bin ich derartigen Events mit einer solchen Angst entgegengetreten, wie sie Brooke gerade zu empfinden scheint.

„Hey...", murmle ich in die Stille meines Wagens hinein, weil ich nicht weiß, was ich Brooke am besten sage, um sie aufzubauen.

Aber sie reagiert nicht. Sie starrt nur weiter geradeaus auf die riesige Haustür. Ihr ganzer Körper ist angespannt und verkrampft.

Ich weiß nicht, wie ich anders zu ihr durchdringen soll, deshalb lege ich meine Finger um ihr Kinn und drehe ihren Kopf in meine Richtung. Ich zwinge Brooke, mir in die Augen zu sehen und versuche so viel Zuversicht, wie nur möglich in meinen Blick zu legen.

Langsam lasse ich meinen Zeigefinger über die Kante ihres Kinns wandern, während ich nach Worten suche. Aber ich finde keine. Deshalb beuge ich mich vor und lege meine Lippen zaghaft auf Brooks. Obwohl unsere Münder sich zunächst kaum berühren, entfacht schon der minimale Kontakt einen Flächenbrand an meinen Lippen, der keine Sekunde später meinen gesamten Körper erobert. Es ist Brooke, die zuerst ihre Lippen an meinen bewegt und ein Stück auf ihrem Sitz zu mir rückt, um ihren Mund dichter an meinen zu pressen.

Als sie wie selbstverständlich ihre Lippen öffnet und meiner Zunge Einlass gewährt, meine ich zu zergehen. Das Bedürfnis, sie auf meinen Schoß zu ziehen und all das mit ihr zu machen, was seit unserem Telefonat zwischen uns schwebt, übermannt mich beinahe.

Doch dann seufzt Brooke in unseren Kuss hinein und ich besinne mich langsam wieder, warum ich das getan habe. Ihr ist es schlecht gegangen und ich habe sie beruhigen wollen.

Wir machen das hier nicht, um meine niedersten Triebe zu sättigen, sondern, damit Brooke sich wieder besser fühlt.

Nur widerwillig löse ich unseren Kuss, lege meine Stirn für einige schwere Atemzüge an ihre und versuche wieder einen klaren Gedanken zu fassen.

Was ich hier gerade fabriziere, ist absolut nicht das, was ich letzte Woche in Cleveland beschlossen habe. Ich wage mich gerade auf ganz dünnes Eis. Keine Ahnung, wie lange ich so noch weitermachen kann, ohne uns beide in den Abgrund zu ziehen.

At First KissWo Geschichten leben. Entdecke jetzt