Kapitel 24 - Brooke

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Sie hat eine Sechsunddreißig bestellt!

Eine Sechs-und-fucking-dreißig! Wegen meines ausladenden Busens hätte ich nicht einmal in Zeiten, in denen ich mich durch Wasser und exzessive Sporteinheiten auf ein Minimalgewicht gehungert habe in eine Sechsunddreißig gepasst.

Das und die Tatsache, dass Megan uns unbedingt hat begleiten müssen, hat diese Anprobe noch so viel schlimmer gemacht, als ich in den letzten Wochen befürchtet habe.

Rosalie, die ständig wiederholt hat, was sie alles ändern muss, damit ich in das dunkelblaue Abendkleid passe, das meine Mutter ausgewählt hat. Megan, die immer wieder betont hat, dass ihr Kleid – eine vierunddreißig – sogar enger genäht werden muss und meine Mutter, die nicht aufhören kann davon zu reden, dass Adam wahrscheinlich auch lieber mit einem Mädchen zusammen sein würde, die in diese Sechsunddreißig passt.

Ich sage den ganzen Nachmittag über kein Wort, sondern lasse es einfach nur stumm über mich ergehen. Denn ich bin damit beschäftigt mir von innen so fest auf die Wange zu beißen, um die Tränen, die in meinen Augen brennen nicht kullern zu lassen.

Und mit jedem Wort der drei anderen Frauen, komme ich meinem Zusammenbruch näher. Ich kann nur die Minuten zählen, bis ich endlich von hier verschwinden kann. Sobald ich zurück im Haus bin, werde ich Adam anflehen, dass wir Washington auf der Stelle verlassen. Wenn ihm die Rückfahrt zu spät wird, kann ich mich mit ihm hinter dem Steuer abwechseln, aber ich werde keinesfalls länger hierbleiben.

Das halte ich nicht aus, ohne zusammen zu brechen. Drick hatte Recht. Ich hätte absagen sollen. Ich habe so gute Fortschritte in State College gemacht, habe Zentimeter für Zentimeter akzeptiert, wer ich bin und wie ich aussehe und das das in Ordnung ist. Keine Vierundzwanzigstunden zurück bei meiner Familie, haben ausgereicht, um jedes Fitzelchen hart erkämpftes Selbstvertrauen in der Luft zu zerschmettern.

„Eleanor, das wird eine knappe Sache. Wenn ich gewusst hätte, was ich alles ändern muss, hätte ich euch früher einbestellt. Wie alt sind denn die Maße, die du mir gegeben hast?"

Der Biss auf meine Wange wird fester, ich meine, dass der metallische Geschmack von Blut sich beginnt in meinem Mund auszubreiten.

„Komm Kind, schälen wir dich wieder aus dem Ding."

Ich folge Rosalie in die Umkleide und lasse mich von ihr aus dem Kleid befreien, dann schlüpft sie unter dem Vorhang hindurch und lässt mich alleine mit meiner Verzweiflung. Ich stehe nur in BH und Slip vor dem großen Spiegel und würde am liebsten die Faust dagegen rammen, um mich nicht mehr sehen zu müssen. Mit gesenktem Blick streife ich mir das Kleid über den Kopf und werfe mir den Blazer über die Schultern.

Ihre Tochter sieht einfach umwerfend aus.

Adams Worte vom Frühstück, die in meinem Kopf immer und immer widerhallen, verhöhnen mich. Wie kann er das ernst gemeint haben?

Meine Riemchen-Sandalen streife ich mir über, ohne noch einmal einen Blick in den Spiegel zu wagen. Damit kann ich jetzt einfach nicht umgehen. Schnell verlasse ich die Umkleide und gehe zurück in den Eingangsbereich. Dort stehen meine Mum, Megan und Rosalie. Sie schlürfen ihr Glas Sekt, lassen sich von Rosalie ein paar Kleider der neuesten Kollektionen von wem auch immer zeigen und tratschen lautstark.

Ich kann mir ihr schallendes Gelächter keine Sekunde länger anhören.

„Können wir gehen?", unterbreche ich Megan mitten im Satz.

Böse funkelt sie mich an, lässt sich ihren Ärger aber ansonsten ganz ladylike nicht anmerken.

„Rosalie möchte mir noch ein Kleid für das Dinner bei den Godwins nächste Woche zeigen.", fährt Megan mich mit dieser unterschwelligen Strenge an, die sie so perfekt beherrscht. Es ist die Perfektion aus hübsch verpackter Schärfe.

At First KissWo Geschichten leben. Entdecke jetzt