Kapitel 5 - Brooke

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„Miss Wheeler, was können Sie über die Myogenese sagen?"

Schlagartig ist da die Leere in meinem Kopf. Genau davor habe ich mich gefürchtet.

Myogenese... Myogenese... Myogenese...

Alles, was ich weiß ist, dass es sich dabei um die Entwicklung der Muskulatur handelt. Sonst nichts. Dass Professor Green etwas über Embryologie, also die menschliche Entwicklung, fragen könnte, damit hätte ich nicht im Traum gerechnet.

Jetzt stehe ich tatsächlich vor meinem gesamten Kurs, in meinem Kopf herrscht Schwärze und ich erstarre, während mein Herz beginnt laut in meinen Ohren zu pochen.

„Miss Wheeler?", hakt mein Professor ungeduldig nach.

Das ist der Moment, in dem ich die Kontrolle über mich selbst und meine Gehirnzellen verliere, denn ich beginne darüber nachzudenken, wie peinlich die Situation gerade ist und wie sehr ich mich blamiere, weil ich keine Antwort auf die Frage unseres Professors habe.

Ich versuche mit aller Kraft meinen Atem zu entschleunigen und mich auf die Frage zu konzentrieren, aber ich schaffe es nicht.

Dann ist da plötzlich Adams Stimme in meinem Ohr.

Wende den Master-Trick an.

Und das tue ich tatsächlich. Plötzlich sehe ich Adam neben mir auf der Couch sitzen, den schwarzen Lockenkopf an die Lehne gelehnt und sein schiefes Grinsen auf den Lippen. Wenn Adam mich fragen würde, was die Myogenese ist, würde ich ganz von vorne anfangen.

„Die... die Myo-Myogenese ist die... die Bildung von Muskelgewebe."

Meine Stimme klingt unsicher und kratzig, aber immerhin habe ich Worte über die Lippen gebracht.

„Mhm." Green macht sich mit stoischer Miene ein paar Notizen. Bisher habe ich alle seine Fragen ziemlich gut beantworten können. Jedes Mal hat er sich mit diesem Pokerface Notizen gemacht und gewirkt, als wäre er nicht zufrieden, ich kann also absolut nicht einschätzen, wie ich abgeschnitten habe.

Gerade fällt mir noch etwas zur Muskelentwicklung ein, doch Green kommt mir zuvor.

„Danke, Miss Wheeler. Ihre Zeit ist vorbei. Bereiten sie sich das nächste Mal auf alle Themen vor und nicht nur auf den ersten Teil."

Enttäuscht sacken meine Schultern herunter und ich schlurfe ausgelaugt zurück auf meinen Platz. Ruby wirft mir ein aufmunterndes Lächeln zu. Sie ist letzte Woche dran gewesen und Green hat sie ordentlich fertig gemacht.

Verglichen mit ihrer Abfrage, ist meine gerade fast human gewesen und trotzdem fühle ich mich, als hätte mich mein Professor durch den Fleischwolf gedreht.

Alles, was in meinem Kopf zurück bleibt, ist mein dummes Gestammel auf seine letzte Frage. Jetzt, im Nachhinein, während Green uns noch ein paar Informationen an die Tafel schreibt, fallen mir so viel mehr Dinge ein, die ich besser als Antwort hätte geben können. Er hat mich einfach eiskalt erwischt, denn auf diese Frage bin ich nicht vorbereitet gewesen.

Ich bin selbst Schuld, ich hätte mir auch die Muskelentwicklung vorher anschauen sollen, das ist unglaublich schlampig von mir gewesen. Diesen Vorwurf bekomme ich einfach nicht mehr aus dem Kopf. Ich rede mir das Ganze so sehr ein, dass ich völlig verdränge, dass die Präsentation super gelaufen ist und meine anderen Antworten eigentlich ziemlich ausführlich gewesen sind.

Natürlich hänge ich mich wieder einmal an dem einen Fehler auf, den ich gemacht habe.

Ruby fragt mich nach dem Seminar, ob ich noch Lust auf einen Kaffee habe, aber ich schiebe vor, dass ich eine Waschmaschine im Wohnheim reserviert habe und deshalb nach Hause muss. Tatsächlich ist das nicht einmal gelogen, nur, dass ich bis dahin noch zwei Stunden Zeit habe. Aber ich kann jetzt nicht mit Ruby Kaffee trinken und über meine Präsentation reden.

At First KissWo Geschichten leben. Entdecke jetzt