Kapitel 28 - Brooke

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Die Stunden direkt nach einer Prüfung, sind mir oft die liebsten. Das Gefühl, wenn der Adrenalinrausch nachlässt und pure Zufriedenheit in einem zurücklässt, weil man es endlich hinter sich hat. Es gibt diese kurze Zeit, in der es ganz egal ist, welche Note es geworden ist und man einfach nur glücklich ist.

Es sind die seltenen Stunden, in denen nicht sofort das nächste To-do in meinem Kopf aufpoppt, ich mir keine Gedanken darüber mache, wann die nächste Abgabe ansteht und ich die Fakten, die ich für Tage oder Wochen versucht habe in meinem Kopf zu verankern, erst einmal loslassen kann.

Wenn es dazu auch noch ein Tag ist wie heute, an dem die Sonne warm, aber nicht zu heiß auf uns nieder scheint, dann kann ich mir eigentlich keinen perfekteren Tag vorstellen.

„Können wir bitte die Zeit genau hier anhalten.", murmelt Ruby, der es ganz ähnlich wie mir zu gehen scheint. Sie liegt mit angewinkelten Beinen auf dem Rücken, hat den Kopf auf ihrer Tasche liegen und die Augen fest zusammengepresst. Ich weiß ganz genau, dass sie diese kostbaren Momente in der prallen Sonne morgen bereuen wird, denn Rubys blasse Haut ist hyperempfindlich.

Aber ich verderbe ihr das gute Gefühl nicht, sondern gebe nur ein bestätigendes Seufzen von mir. Mich selbst würde nicht einmal der Sonnenbrand des Jahrzehnts dazu bewegen, unseren Platz auf der Wiese neben der Bibliothek zu verlassen.

Das steigende Hautkrebsrisiko nehme ich leichtsinnig in Kauf.

„Was machen wir heute noch?", kommt es da von Willow, die im Schneidersitz im Gras hockt und einen Halm nach dem nächsten aus der Erde zupft.

Ein leichtes Lächeln zuckt bei der Ungeduld in ihrer Stimme um meine Mundwinkel. Sich zusammen mit Willow für einige Stunden in die Sonne zu legen und zu schweigen, ist unmöglich. Ihr ist das viel zu langweilig und man merkt ihr immer schon nach wenigen Minuten an, wie sie etwas zu tun braucht.

Lange wird sie uns hier nicht mehr in Ruhe die Sonne genießen lassen. Ahnungslos zucke ich mit den Schultern, denn ich habe tatsächlich selbst keinen Plan für den freien Nachmittag. So ist das immer, wenn ein Prüfungstag ansteht. Meine Gedanken reichen nur bis zum Beginn der Abfrage oder der Klausur.

Ich wage keine Überlegungen daran, was ich danach machen könnte, wenn ich wieder ein freier Mensch bin. Was das betrifft, bin ich einfach abergläubig. Ich will nicht eine Zeit verplanen, die ich unter Umständen auch damit verbringe, mir die Augen auszuweinen, weil ich nicht bestanden habe.

Zum Glück ist es dazu bisher noch nicht gekommen.

„Wir könnten etwas essen gehen.", schlägt Willow als Erstes vor.

Das lässt mich die Nase rümpfen.

Nein, nur, weil ich es einmal geschafft habe, mit Drick und Adam zusammen in eine Pizzeria zu gehen, werde ich dieses Glücksgefühl, das ich heute habe, nicht mit einem Restaurantbesuch gefährden.

„Lieber einen Kaffee.", versuche ich Willow von ihrer Idee abzubringen.

Das sorgt dafür, dass Ruby neben mir einen grunzenden Laut von sich gibt.

„Ich habe die ganze Nacht durchgelernt und mich mit Kaffee wachgehalten. Noch mehr davon und mein Körper wird kollabieren."

Mit noch immer geschlossenen Augen hebt Ruby ihre flache Hand in die Höhe, im Versuch sie so still wie möglich zu halten.

Doch ihre Handfläche zittert unkontrolliert.

Lachend schüttle ich den Kopf. Ich glaube, ein viel zu hoher Kaffeekonsum ist Grundvoraussetzung für unser Studium.

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