41. Schwarzweiß

133 9 66
                                    

Wie angewurzelt stehe ich da, auch als Minuten vergangen sind. Oben, wo Lion verwunden ist, höre ich wie er Schränke öffnet und sie hastig wieder zuschlägt. Ich solle ihm folgen, hat Jacob gesagt, aber ich konnte mich nicht von der Stelle bewegen. Seine Worte hielten mich fest.

Sicher, dass es dir leid tut? Ja, hätte ich am liebsten geschrien aber mein Mund blieb geschlossen. Natürlich tut es mir leid. Alles was er jetzt durchmachen musste ist meine Schuld. Ich habe ihn verletzt, sonst keiner. Ich fühle mich so schlecht. Ich habe ihn verletzt und er hat es nicht verdient. Niemand hat das.

»Hol die Ketten.« Lion steht am Fußende der Treppen. Das sah ich im Augenwinkel. Ich machte keine Anstalt zu ihm zu sehen, sondern tat einfach nur das, was er von mir wollte. Ich spüre seinen Blick in meinem Nacken, ignorierte es aber gewissenhaft.

Als ich die Tür öffne und mir die kalte Luft ins Gesicht bläst atme ich tief ein. Der Himmel ist grau und der Wind pustet mir von allen Seiten entgegen. Zumindest fühlt es sich so an. Das tosen des Windes ist die einzige Musik, die spielt und die Melodie wiederholt sich in meinem Kopf. Die Melodie ist der Wind und der Himmel, die verlassenen Straßen, das gesamte Bild, das mir präsentiert wird ist der Text. Wunderschön, laut und still zugleich.

Ich gehe auf das Auto zu, das vor der Garage geparkt ist und öffne die Fahrertür. Nicht gerade wirklich schlau ein teures Auto offen zu lassen, aber jeder wie er möchte. Da ich gesehen habe, wo er die Ketten hingetan hat, muss ich mir keinen Kopf machen um sie suchen. Er hat sie einfach nach hinten gelegt, wo ich sie auch sehen kann. War dumm von mir die Fahrertür zu öffnen, aber was soll.

Ich bin ziemlich durch den Wind.

Ich hole die Kette heraus, schließe die Tür und will mich wieder ins Haus begeben, doch ich bewegen mich nicht weg. Stattdessen hefte ich meinen Blick auf die Diamanten.

Sie haben sich geändert. Die Farbe ist anders. Sie ist noch rot aber der Farbton... ich kann es nicht erklären. Ich weiß nicht ob die Farbe jetzt dunkler oder heller ist als vorher. Kann auch sein das ich mich irre und diese Veränderung nachdem Ganzen nur einbilde. Ich schüttle den Kopf, umfasse die Ketten mit beiden Händen, ehe ich wieder ins Haus flüchte und die Tür hinter mir verriegle.

Ich vermisse die Kälte, die mich draußen umgeben hat. Sie hat mir Luft zum Atmen geben, denn ich scheine zu ersticken.

Lion muss irgendwo oben sein, weswegen ich die Treppen raufgehe. Beim Gang angelangen bleibe ich kurz stehen. Ich weiß noch, wie ich das erste mal hier war. Sein großes Haus hat mich fasziniert. Ich hatte da mein „eigenes Zimmer". So hatte er es zumindest gesagt. Das ist wahrscheinlich das Gästezimmer. Ein wirklich schönes, muss ich sagen. Lions Zimmer ist genau gegenüber von meinen. Ich konnte bis jetzt keinen Blick darinnen erhaschen.

Wie gesagt, bis jetzt.

Die Tür seines Zimmers steht ganz offen. Lion sitzt im Schneidersitz auf dem Boden, starrt dabei auf ein paar Bücher, die vor ihm liegen und runzelt dabei die Stirn. Die Lederjacke, die er bis jetzt anhatte, liegt unachtsam auf dem Boden. Dadurch das er die Jacke nicht mehr anhat kann ich einen erneuten Blick auf sein Tattoo erhaschen. Ich hab es bis jetzt nur einmal gesehen. Das war das letzte und das erste mal als ich es sah.

Er hatte sie ausgezogen und mir somit sein wunderschönes Tattoo preisgegeben.

Ich hatte schon oft mit dem Gedanken gespielt mir ein Tattoo stechen zu lassen. Zumindest früher hatte ich mit dem Gedanken gespielt. Ich wollt ein Tattoo haben, um erwachsener zu wirken und einfach weil Tattoos wirklich schön sind. Jetzt wo ich Lion ansehen, beziehungsweise sein Tattoo wird mir bewusst das Tattoos nicht nur schön sind sondern auch attraktiv sind, in so vielen Hinsichten.

Sie strahlen, auf unerklärliche Art und Weise, Eleganz und Stärke aus. Besonders seines.

Ich habe das Tattoo noch nie ganz gesehen und ich wusste, es würde noch etwas geben. Ich wusste, etwas ist da noch versteckt geblieben. Ich hatte so ein Gefühl, das es so war.

Querida StonesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt