46. Der Königsball

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Virtutibus insignis. Control me et te quid feceris. Die ganze Zeit wiederhole ich diese Wörter in meinem Kopf, während Jacob und ich schweigend zum Ball fahren. Es hat lange gedauert, bis wir den Spruch auswendig gelernt haben. Zum einem, weil wir nicht wussten, ob wir es richtig aussprechen oder nicht und zum anderen, weil wir nicht wussten, ob es wirklich klappen würde. Wir haben uns nicht getraut es an jemanden auszuprobieren, da wir niemanden verletzten wollten.

Wir mussten nachschauen was dieser Spruch bedeutet und wie man ihn ausspricht. Den Rest mussten wir in unserem Kopf fortsetzen, wie zum Beispiel, wie oft man es sagen sollte. Wir haben uns damit geeinigt die Worte die ganze Zeit auszusprechen, bis es funktioniert.

Der Spruch ist auf Latein und sollte, laut dem Internet, »Mächtige edle Form. Ich kontrolliere dich und was du tust« bedeuten. Aber wir sind uns da nicht so sicher. Jedes Mal als wir den Spruch eingegeben haben kam was anderes heraus, aber bei jedem Ergebnis deuten sie auf das gleiche hin: Kontrolle. Da keiner von uns etwas auf Latein kann, entschieden wir uns für die erste Bedeutung, als wir sie im Internet eingegeben haben.

Die Fahrt zum Ball lief schweigend ab. Jacob und ich sind viel zu sehr in unseren Gedanken versunken, um miteinander zu sprechen. Vielleicht ist es auch besser so. Aber nicht nur dass meine Gedanken im Kopf rumwirbeln, sondern auch die Nervosität und die Angst mich befallen hat, um fähig zu sein, etwas über meine Lippen zu bringen. Mir wurde klar in ein paar Minuten oder Stunden, je nachdem wann er sich blicken lässt, werde ich Isaac zum ersten Mal gegenüberstehen und das ganze endlich beenden.

Jacob hält nach einer einstündigen Fahrt vor einem Schloss. Wem das Schloss gehört weiß keiner so wirklich. Es wurde jedes Jahr für diesen einen Ball der Schule zur Verfügung gestellt. Wie dem auch sei... Dieses Schloss ist ein absoluter Traum. Sie ist wunderschön, alt und besetzt einen großzügigen Platz auf dem Grund. Sie ist einfach atemberaubend, dass ich, als Jacob schon ausgestiegen ist, noch auf meinem Sitz saß und dieses Gebäude mit einem offenen Mund anstarrte.

Die anderen hatten mich schon gewarnt, sie würde unfassbar sein und ich dachte, ich wäre darauf vorbereitet und sie haben nur übertrieben, aber ich lag bei beiden falsch. Ich bin weder bereit noch haben sie übertrieben. Es ist fast angsteinflößend wie groß das Schloss ist. Aber was habe ich den auch anderes erwartet?

»Rina?« Jacob hat an die Fensterscheibe geklopft, weswegen ich mich erschrecke. Mit einem fragendem Blick sieht er mich an, was sowas wie 'kommst du jetzt oder nicht?' bedeuten sollte. Nachdem mein Herz sich von dem Schreck beruhigt hat atme ich tief durch und nicke ihm zu, dann steige ich, so gut es geht, elegant aus seinem Wagen. In dem Kleid ist es zwar leicht elegant, reich und wunderschön auszusehen aber nicht sich elegant zu verhalten. Das ist eine reinste Herausforderung. Ich bin froh wenigstens schwarze Sneakers anhaben zu dürfen.

Josie wollte mich eigentlich dazu zwingen High Heels zu tragen, doch ich habe dankend abgelehnt. Dieses pompöse Kleid ist eine Sache und High Heels eine andere. High Heels würde sowieso keiner sehen, dafür ist das Kleid viel zu lang und in Sneakers fühle ich mich einfach wohler. Na gut, ich hätte auch Ballerinas anziehen können aber weder Josie noch ich haben diese Schuhe perrat. Mit den Schuhen, die ich jetzt anhabe, gebe ich mich mehr als nur zufrieden.

Jacob schließt das Auto ab und hält mir, ganz der Gentlemen, seinen Arm hin, damit ich mich einhaken konnte. Dankend nehme ich seine Geste an, hake mich ein und betrachte die Leute, die paarweise, in Gruppen oder auch alleine auf das Schloss zusteuerten. Und dann erkannte ich Mason vom weiten, der uns zu sich winkt und zusammen mit Josephine, David, Aidana, Jeff und Cruz steht. Ich winke ihnen zu und will mich schon auf sie zu bewegen als Jacob mich davon abhält.

»Bist du bereit?«, fragt er mich. Ich zögere kurz, starre dabei in seine grünen Augen, ehe ich dann nicke, was eine Lüge ist. Ich bin absolut nicht bereit. Ich bin nervös und habe Angst, das den anderen etwas passieren könnte. Ich habe angst, sie alle zu verlieren, egal auf welche Weise auch immer. »Ich weiß das ist eine Lüge aber...« Seine Hand, die vorher noch auf meinem Unterarm lag, fährt herunter zu meiner Hand. Mit seinem Daumen streicht er über sie und sieht dabei kurz an ihr herunter, ehe seine Augen wieder in meine Blicken. »Wir schaffen das.«

Querida StonesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt