Klirrende Ketten

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"Sie sind wunderschön." 

Müde legte Bilbo den Kopf schief und sah dem kleinen Geschöpf in die Augen. Es waren große, blaue Augen; die Art von Augen, die einen dazu bringen können, Mitleid zu fühlen wo keines sein sollte, und die trotz ihres jungen Alters so wirkten, als hätten sie schon viel zu viel gesehen.

Er wusste nicht, ob das Schimmern in diesen leuchtenden Iriden Mordlust oder Neugier war, doch es brachte ihn zum Lächeln.

Fili trat neben ihn, und als der kleine Drache den Eimer in seiner rechten Hand bemerkte, starrte er ihn an, als wäre er ein Heiliger.

"Sind es Jungen oder Mädchen?" fragte Bilbo, den Blick noch immer auf das kleine Wesen vor ihnen gerichtet, das nun mit all seiner Kraft nach vorne strebte, um zu dem Eimer zu gelangen, doch der Stärke seiner Ketten konnte es sich nicht widersetzen.

"Zwei Brüder würde ich meinen", antwortete der Blonde schulterzuckend, griff in den Eimer und reichte Bilbo einen Fisch, damit er ihn an den jungen Drachen verfüttern konnte. "Hier." 

Der Halbling nahm ihn entgegen, trat vorsichtig einen Schritt auf die kleine Feuerschlange zu und legte ihn vor seiner Nase ab, gerade so, dass sie ihn sich mit einer ihrer zierlichen Klauen heranziehen konnte. "Woher habt ihr den?" fragte er, als er sich bewusst wurde, wie frisch der Fisch gewesen war.

"Thal", erwiderte Fili, zog einen anderen heraus und wog ihn auf der Handfläche, wollte ihn erst zu dem anderen Drachen legen, ließ jedoch davon ab, als er erkannte, dass er noch schlief. "Wir erhalten Lieferungen, die Nähe zum See macht sich bezahlt. Woher glaubst du haben wir die ganze Zeit unsere Vorräte bezogen?"

"Ich weiß nicht", erwiderte er wahrheitsgetreu, während er dabei zusah, wie das kleine Wesen ein Stück aus dem Fisch herausriss und es in mehreren Versuchen herunterwürgte. Er wandte sich wieder Fili zu, denn der Anblick schlug ihm auf den Magen. "Nach allem was geschehen ist hatte ich nicht wirklich damit gerechnet, dass Thal den Einsamen Berg beliefert."

"Nun, Thal würde es wohl nicht mehr tun, wenn herauskommt, an wen wir ihren Fisch verfüttern", sagte der Zwerg mit einem Seufzen und sein Blick glitt zur Seite, galt nichts bestimmtem, sondern führte ins Nichts, in die Leere. "Aber sie werden es erfahren. Sie müssen es erfahren."

Schließlich zuckte er mit den Schultern, trat nach vorn und legte den Fisch vor die Schnauze des schlafenden Drachen. "Onkel hat heute Morgen einen Brief bekommen." Als er zu Bilbo sah, lächelte er. "Wenn alles gut läuft, wirst du in nicht allzu ferner Zukunft meine Mutter kennenlernen."

"Dís?" fragte der Halbling, und erwiderte das Lächeln. "Das sind großartige Neuigkeiten."

"Ja, weißt du... so langsam habe ich das Gefühl, es ginge wieder bergauf. Aber vielleicht ist es nicht mehr als ein Gefühl."

Bilbo legte den Kopf schief und behielt das Lächeln auf seinen Lippen. "Die Tage werden heller, sie müssen heller werden. Es gibt nichts, wovor wir jetzt noch Angst haben müssen."

Der Blick, mit dem Fili ihn auf diese Worte hin bedachte, verriet nicht, ob er ihm glaubte oder nicht, doch tief in seinem Herzen wusste er, dass seine Worte wahr waren, und seine Mundwinkel zuckten, als er es einsah. "Ach, nicht?" gluckste er, als das kleine Wesen vor ihren Füßen ein leises, erbärmliches Fauchen von sich gab.

Der Halbling lachte, als er sie betrachtete. Es war kaum zu glauben, dass diese zierlichen Geschöpfe die Nachkommen einer so grausamen Feuerschlange waren, und er hoffte inständig, dass die Farbe ihrer Schuppen das einzige war, das sie mit ihrem Vater gemein hatten.

"Wir sollten ihnen Namen geben", murmelte er.

"Das würde ich nicht tun."

Bilbo zog eine Braue hoch. "Weshalb?"

More than gold | BagginshieldWo Geschichten leben. Entdecke jetzt