Die Winde wehten kalt in dieser Nacht. Das Licht der Sterne wurde von einem dichten Wolkenteppich verschluckt, der sich breit und unnachgiebig über das weite Himmelszelt spannte. Nur ein schwaches, silbernes Glimmen hinter einem tiefen graublauen Schleier verriet, an welcher Stelle sich der Mond befand.
Der Sturm kam aus dem Nichts. Er sollte eine Weile bleiben, wie Balin später gemeint hatte, auch wenn sich Bilbo fragte, woran das der Weißbärtige erkennen wollte. Im Nachhinein hatte er sich gefragt, ob er wirklich das Gewitter oder etwas Anderes gemeint hatte. Ob er den anderen "Sturm" meinte; die Unruhen, die von Thal rührten. Er hatte es nie herausgefunden.
Er hatte Thorin kaum wiedererkannt, als sie zurückgekommen waren. Sein Gesicht war bleich wie Wachs, seine Augen wirkten gläsern, seine Stimme zerbrechlich und grau. Er hatte nicht viel gesprochen, als Bard und Thranduil ihm erzählten, was sie zuvor auch Bilbo gesagt hatten - dass die Elben vorerst in Thal bleiben würden, dass sie hofften, es würde dem Schwarzhaarigen bald besser gehen, und sie erinnerten ihn mit Nachdruck an das, was er sich im vergangenen Winter geleistet hatte, und dass es nie, niemals wieder so weit kommen dürfte.
"Vielleicht ist unser Handeln naiv. Vielleicht ist es Zeit, Euch mit anderen Mitteln als dem Gespräch zum Lernen zu zwingen. Denn Ihr werdet lernen müssen, wenn wir einer Zukunft in Frieden entgegenblicken wollen, einer Zukunft mit helleren Tagen, wie Ihr so schön sagtet. Nach den Worten Eures... Meisterdiebes habt Ihr Eure Lektion bereits gelernt, doch ich mache mir lieber selbst ein Bild." Das war der genaue Wortlaut Thranduils gewesen, meinte sich Bilbo zu erinnern. Und dann war da noch etwas.
"Denn glaubt mir, wenn Ihr Eure Hand gegen Thal erhebt, so wird die meine Euch davon abhalten. Wenn Eure Hand nach dem Schwert greift, so wird die meine es auch tun." Zwischen diesem und dem nächsten Satz hatte Thranduil lange gezögert. "Doch wenn Ihr meint, Ihr stündet zu nah am Rand einer Schlucht, werden wir die Hand sein, die Euch hält. Wir sind nicht gekommen, um Euch stürzen zu sehen, wir sind gekommen, um Euch vor dem Fall zu bewahren. Solltet Ihr in irgendeiner Weise Hilfe benötigen - Ihr werdet sie bei uns finden."
Bilbo war nicht der einzige in der Halle gewesen, den diese Worte überrascht hatten. Es lag sowohl an der Bedeutung dieser Worte als auch an der Art und Weise, wie sie über seine Lippen gekommen waren, dass Thorin eine Weile gebraucht hatte, um eine Antwort zu ersinnen. Als sich die Blicke der drei Könige kreuzten, schien irgendetwas anders als zuvor.
"Ich danke Euch." Es hatte gewirkt, als hätte Thorin auf diesen Satz noch etwas sagen wollen, doch irgendetwas hinderte ihn daran und er schloss die bleichen Lippen. Nach einer seltsamen, wortleeren Pause öffnete er sie jedoch und sprach seinen Dank und den seiner Gefolgschaft mit ernster, aber schwacher und schwerer Stimme aus, und während er sprach, bebten seine Worte und seine Hände zitterten.
Thranduil und Bard waren nicht mehr lang geblieben, denn in Thal gab es Ohren, die einer Auskunft bedurften und Fässer, die geöffnet werden mussten, denn der Elbenkönig war nach dem erhellenden Gespräch guter Laune und verreiste nie ohne Wein.
Der Abschied war wärmer als der Willkommensgruß, und war binnen weniger Minuten vorüber. In der Halle wurde es ruhig, als sie den Berg verlassen und den Rückweg angetreten hatten. Bilbo hatte ihnen mit einem flauen Gefühl im Magen hinterhergesehen.
Die Zwerge hatten kein Wort gesagt, ehe die Besucher die Halle verlassen hatten. Und nun stand Bilbo wieder hier, an dem Platz, den er zuvor auf Thranduils Bitte hin hatte verlassen müssen. Er spürte eine Hand auf seiner rechten Schulter, fuhr herum und sah in das Gesicht von Kili.
"Gut gemacht." Der Zwerg grinste, und es war, als hätte Bilbo erst bei diesem Anblick erkannt, wie erleichtert er war, dieses Gespräch hinter sich gebracht zu haben und vor allem, dass er ein Recht darauf hatte, erleichtert zu sein. Seine Mundwinkel zuckten.
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More than gold | Bagginshield
FanfictionDie Geschichte eines Hobbits und eines Zwergen - zwei Geschöpfe, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten. Doch Gegensätze ziehen sich bekanntlich an... Die Schlacht ist gewonnen, die Feinde besiegt, die Schulden beglichen. Bilbo weiß, was das b...