Zu Hause

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Als Bilbo am späten Abend wiederkam, war das Glas auf Thorins Nachttisch leer und der Schlüssel verschwunden.

Es war ein kalter Abend. Die Luft war klamm und stach in seiner Lunge, die grauen Wolken vor dem Fenster ließen auf baldigen Regen schließen und auf eine schwarze und sternenlose Nacht, in der Bilbo keinen Schlaf finden würde. Er konnte es in seinen Knochen spüren, in seinen Adern. Es war der Grund, aus dem er in Thorins Zimmer gekommen war; um diese einsamen, langen Stunden noch ein wenig heraus zu zögern und den Abend mit jemandem zu verbringen, dem es gelang, ihn davon abzulenken.  

Zu sehen, dass Thorin noch wach war, erleichterte ihn. Er saß in seinem Bett, aufrecht, so als hätte er ihn bereits seit einer Weile erwartet. Bilbo trat näher, benommen von seinen Gedanken und dieser falschen Müdigkeit, die ihn in langen Nächten in den Wahnsinn trieb, doch als er in Thorins Gesicht sah, wich sie etwas anderem. 

"Wie geht es dir?" fragte er, nachdem er auf dem Hocker Platz genommen hatte.

Ihre Hände berührten sich. Der Schwarzhaarige schenkte ihm ein müdes Lächeln, das seine Züge sanfter werden ließ. "Besser, jetzt wo du da bist", raunte er mit verschlafener Stimme. "Ist alles gut verlaufen?"

"Ich bin einfach nur froh, wieder hier zu sein."
Er sagte es leise, in einem kurzen, unbetonten Seufzen, das verbergen sollte, wie schwer der Weg für ihn gewesen war. Er sah Thorin nicht an, als er es sagte, denn der bloße Gedanke an die vergangenen Stunden ließ ihm Tränen in die Augen steigen und machte ihm die Lider schwer; er wusste nicht recht, weshalb es geschah. Wusste nicht recht, wieso er versuchte, es zu verbergen.

Der Zwergenkönig spürte Bilbos Schmerz, noch ehe er ihn sah oder hörte. Sachte nahm er seine Hand von der des Halblings, stützte sich auf der Matratze ab, um sich aufzurichten und widerstand dem Drang, nach seinen Narben zu tasten, die plötzlich wieder brannten, denn das Brennen in seinem Herzen war bei weitem das stärkere. Er wusste, dass Bilbo kein Interesse an einer Unterhaltung hatte, und das konnte er ihm nicht verübeln; er wusste selbst, wie schwer es war, über Gefühle zu reden. Er wollte ihm etwas sagen, doch seine Lippen öffneten sich ohne ein Wort, als verfolgten sie ein anderes Ziel.

Langsam lehnte er sich nach vorn, nahm das Gesicht des Halblings in seine warmen Hände und lächelte. Dann küsste er seine Stirn. Während er es tat, konnte er fühlen, wie Bilbo zu zittern begann, und als er spürte, wie etwas Warmes, Nasses auf seine Hand traf, senkte er den Kopf, küsste Bilbos Nasenspitze und schließlich seine Lippen. 

Für ein paar Sekunden verharrten sie so, mit geschlossenen Lidern, lauschten ihrem Herzschlag, bis er den Rhythmus änderte und sich die Bewegung ihrer Lippen aufeinander abstimmte. Thorin erstarrte, als er eine Hand in seinem Nacken spürte, denn sie war so kalt wie der Winter, genoss das Gefühl, das ihn erfüllte, als Bilbo sich erhob und sich an ihn drängte, ließ seine Arme hinter seinen Rücken wandern und zog ihn zu sich auf das Bett, als er sich sicher war, dass sich der Halbling nicht wehren würde.

Ihm wurde heiß. Für einen kurzen Moment unterbrach er den Kuss, schnappte nach Luft, sah in Bilbos glasige Augen, stellte fest, dass sie anders wirkten als sonst. Tiefer, dunkler. Intensiver. Er erlag ihrem Bann und küsste ihn erneut, spürte, wie er in der Berührung versank, wie sie verlangender wurde. Seine Narben glühten. 

Sie sanken gemeinsam nieder, ohne ihre Lippen voneinander zu trennen, ohne nachzudenken. 

Bilbo wusste nicht, wie ihm geschah, hörte nichts als seinen Herzschlag und diese kleine Stimme in seinem Kopf, die ihn hieß, es geschehen zu lassen. Er wusste nicht, was sie meinte und es war ihm egal. Benommen ließ er seine Hände über die nackten Schultern des Schwarzhaarigen wandern, fühlte, wie Thorin ihn ein Stückchen näher zog. Er tat es in einer Weise, die Bilbo spüren ließ, dass sich in diesem einen Moment irgendetwas zwischen ihnen veränderte.

More than gold | BagginshieldWo Geschichten leben. Entdecke jetzt