Thorin schlief noch, als Bilbo erwachte.
Die Luft im Raum war nicht wärmer als an einem Frühlingsmorgen, doch die Arme des Schwarzhaarigen wärmten ihn sanfter und besser als es ein Feuer hätte tun können. Sie fühlten sich nach Sommer an. Nach Heimat.
Bilbo gefiel die Art, wie sie ihn hielten. Wie schwer und schlaftrunken sie auf seinem Körper lagen. Wie sich ihre nackten Beine berührten, wie sich Thorins Atem anhörte, wenn sie so dicht beieinander waren.
Er musste lächeln, als er die Hand des Zwergen bemerkte, die im Schlaf unter sein Hemd gewandert war und auf seinem Bauch ruhte. Er schloss die Augen, um den Moment zu bewahren, füllte seine Lunge mit der kalten, vom Regen schweren Luft und ließ seine Gedanken wandern, in der Hoffnung, sie würden ihn zurück in den Schlaf tragen. Doch sie taten es nicht.Er wehrte sich nicht, als sie ihn in eine Zeit trugen, die ihn noch immer prägte, als sie ihn an den Ort führten, den er vor langen Monaten zurückgelassen hatte. Als er sein altes Ich sah, und es mit seinem jetzigen verglich.
Er hatte sich verändert, ja - in seiner Art, die Welt zu sehen. Doch seiner wahren Natur war er treu geblieben. Er war nicht Bilbo, der Abenteurer, oder Bilbo, der Drachenbezwinger; nicht einmal Bilbo, der Meisterdieb. Er war noch immer Bilbo Beutlin aus Beutelsend.Beutelsend... Er lächelte erneut. Es überraschte ihn, wie sehr er sich nach diesem Ort sehnte. Doch sein Herz war hier, und hier allein. Und hier würde es bleiben, hier würde es glücklich werden. Sofern er es zuließ.
Er meinte zu verstehen, weshalb es ihn so wenig Überwindung gekostet hatte, umzudrehen, als er die Chance hatte, nach Hause zu kommen.
Denn er war nach Hause gekommen.
Auf einem anderen Weg. An einem anderen Ort. In den Armen von jemandem, der ihm ab dem heutigen Tag nicht mehr gehören würde; nicht mehr ganz gehören würde. Vielleicht war das der Grund, aus dem ihn die Aussicht auf die anderen Zwerge nervös werden ließ. Weil er befürchtete, Thorin in den Pflichten eines Königs zu verlieren.Bilbo seufzte, ließ seinen Blick auf die Uhr gleiten und sah zu, wie der Moment vorüberzog, hoffte, die Zeiger würden stehen bleiben und die Zeit am Fließen hindern, doch sie wanderten weiter. In Bilbos Kopf, hingegen, standen sie still.
Der Himmel stöhnte. Die Wolken des Vorabends waren verschwunden, doch vor dem Fenster hatten sich neue gebildet, die dunkler und schwerer wirkten und sich nicht bewegten. Vielleicht würden sie gen Abend leichter werden und das Tal verlassen und über andere Lande ziehen, zu denen er ihnen nicht folgen konnte.
Im Moment wollte er das gar nicht. Doch in seinem Inneren wusste er; die Zeit, sich nach der Ferne zu sehnen, würde noch kommen.
~~~
Sie kamen mit dem Regen, als sich der Tag gen Mittag neigte.
Es war ein warmer Regen, doch der Wind, der ihn ins Tal gebracht hatte, war das Gegenteil von sommerlich.
Bilbo sah sich um. Seine Gedanken sehnten sich nach Wanderschaft, waren wirr und wolkenfarben.
Er war bei Thorin geblieben, aus Angst, in der Menge verloren zu gehen, doch er hatte nicht gewagt, seine Hand zu halten oder die Neuankömmlinge ahnen zu lassen, dass er ihrem König in irgendeiner Weise nahe stand. Dass er an diesen Ort gehörte.Denn das tat er nicht. Nicht wirklich. Nicht so wie sie.
Das war der Grund, aus dem er sich so seltsam fehl am Platz fühlte. Der Grund, aus dem er sich dazu zwang, die Blicke der anderen zu ignorieren, denn sie erinnerten ihn daran, dass der Schein, den er zu wahren suchte, nur ein Schein war. Sie würden ihn bald mit anderen Augen sehen, und sich an ihn gewöhnen müssen. So wie er sich an sie.Er hatte das Glück gespürt, das Thorins Herz erfüllt hatte, als sein Blick auf seine Schwester gefallen war.
Sie war eine der ersten gewesen, die das große Tor passiert hatten. Das Wiedersehen zwischen ihrem Bruder und ihr war eines ohne viele Worte, doch es war ein herzliches, von dem Bilbo nicht allzu viel mitbekam, denn die Zwerge, die sich an ihm verbeidrängten, versperrten ihm die Sicht und er selbst war zu sehr damit beschäftigt, sich nichts aus ihren Blicken zu machen, die so wirkten, als hätten sie noch nie zuvor einen Halbling gesehen.
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More than gold | Bagginshield
FanfictionDie Geschichte eines Hobbits und eines Zwergen - zwei Geschöpfe, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten. Doch Gegensätze ziehen sich bekanntlich an... Die Schlacht ist gewonnen, die Feinde besiegt, die Schulden beglichen. Bilbo weiß, was das b...