"Mir ist ein guter Schluss für mein Buch eingefallen."
Der Zwerg hob den Kopf und lächelte.
Bilbo kannte die Geste; ein wortloses "Erzähl-es-mir", das Thorin oft tat, wenn er ihm zuhörte und sich in seiner Stimme verlor.
"Und sie lebten glücklich bis ans Ende ihrer Tage.""Bis ans Ende ihrer Tage..." wiederholte der Schwarzhaarige leise, den Blick auf das glänzende Wasser gerichtet, den milden Wind im Haar.
"Ja", sagte er schließlich, und sein Lächeln wurde breiter. "Ja, das werden wir."Bilbo folgte seinem Blick, und seufzte tonlos, spürte, wie ihn die ruhigen Bewegungen des Wassers müde machten und seine Gedanken beflügelten. Der Arm um seine Schulter zog ihn ein wenig näher, ließ sein Herz ein wenig höher schlagen und seine Wangen erröten und entfachte in ihm die Gewissheit, er würde sich wohl nie so ganz daran gewöhnen.
Und für eine kleine Weile verfielen sie in ein Schweigen, das sie von früher kannten, als sie noch blind und befangen an dem Gedanken festgehalten hatten, dass Liebe ein Feuer ist, das man löschen kann. Sie waren dämlich gewesen, das überhaupt zu versuchen.
Sie waren schon eine Weile am See, hatten sich davongestohlen, als ihnen die Zeit günstig erschienen war, und nun saßen sie hier auf einem Stein in der Nähe des Ufers; ein kleiner Moment der Zweisamkeit, der sich anfühlte wie ein Abschied, oder wie der Schlussstrich unter einem Kapitel, das sie bis jetzt noch nicht gewagt hatten, zu beenden. Und Bilbo hatte nichts gegen diesen Schlussstrich, nicht dieses Mal, nicht jetzt, nicht hier.
Der Regen hatte einen sanften Schleier hinterlassen, der sich über die Landschaft spannte, ein nasses, ruhiges Glitzern, das mit dem schwindenden Sonnenlicht langsam verblasste. Das vom Wind bewegte Wasser, kalt und klar und honigfarben, schwappte in einem leisen Rhythmus gegen die Kiesel zu ihren Füßen. Es war ein stiller Abend, der erste stille Abend seit langem, und vielleicht ein gutes Omen.
Aus dem Augenwinkel sah der Halbling, wie Thorin den Kopf schief legte und die Augen schloss, um die letzten Strahlen zu genießen und dem Spiel zu lauschen, das der Wind mit dem Wasser trieb. Ihn so glücklich zu sehen, ließ Bilbo etwas fühlen, das einen warmen, angenehmen Schauer durch seinen Körper schickte, denn das Lächeln des Zwergen war rein und ehrlich und ließ ihn für einen Moment vergessen, dass Thorin gezeichnet war.
Gezeichnet, von einer Vergangenheit, von der nun nichts als Narben und Schatten übrig waren; der Tag, an dem sie ihr Königreich im Feuer verloren hatten, die Schlacht von Azanulbizar und die Schlacht der fünf Heere, die Krankheit, deren Wurzeln tiefer reichten als manch eine Erinnerung. Doch er war auf dem Weg der Besserung, und das Lächeln auf seinen Lippen schien nicht wie das eines Gezeichneten, und wenn doch, dann war es gezeichnet von Liebe.Bilbo seufzte tonlos, blinzelte der tiefen Sonne entgegen und lehnte sich gegen Thorins Schulter.
"Müde?", fragte der Zwerg und strich ihm sachte über den Rücken, und der Klang seiner Stimme verriet, dass sein Lächeln breiter geworden war.Der kleine Halbling seufzte erneut, bemüht, ein Gähnen zu unterdrücken.
"Nicht müde, nur... nachdenklich."Thorin nickte und sah wieder auf das Wasser hinaus. Er wusste ganz genau, was Bilbo auf dem Herzen lag. Er hatte es vor ein paar Stunden gesehen, als die Elben das Tal verlassen hatten, und auch schon zuvor gab es Momente, in denen er geahnt hatte, dass sie aus unterschiedlichen Gründen in die Ferne sahen.
Nach einer Weile, die Bilbo wohl gebraucht hatte, um die richtigen Worte zu finden, öffnete er die Lippen und schöpfte neuen Atem, und als er schließlich sprach, tat er es sehr, sehr langsam und mit gesenktem Blick.
"Ich glaube, ich bin noch nie so glücklich gewesen wie hier, mit dir, in diesem Augenblick. Und daher mag es albern klingen", seine Stimme wurde leiser, "aber ich verliere mich oft in der Vorstellung an meinen verwildernden Garten, an meinen überfüllten Briefkasten und meine eingestaubten Regale. Ich frage mich, ob sich jemand darum gekümmert hat. Und ob ich Beutelsend..."
Er hielt kurz inne, um den Schmerz zu lindern, den das Wort auf seiner Zunge hinterlassen hatte.
"... ob ich es jemals wiedersehen werde."
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More than gold | Bagginshield
FanfictionDie Geschichte eines Hobbits und eines Zwergen - zwei Geschöpfe, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten. Doch Gegensätze ziehen sich bekanntlich an... Die Schlacht ist gewonnen, die Feinde besiegt, die Schulden beglichen. Bilbo weiß, was das b...