37.Zerbrochene Hoffnung

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Mit einem einfachen Schwebezauber hatte ich Samira in ihrer Beschützerform in das Zelt gebracht, was Harry kurz zuvor aufgebaut hatte. Hermine hatte unterdessen unseren Platz mit Bannzaubern geschützt und unauffindbar gemacht.
Auf einer ausgebreiteten Decke im Hauptraum ließ ich sie nieder und kniete mich zu ihr hinab. Hinter mir bemerkte ich wie Hermine mit ihrer Sammlung an Heilsalben und Tinkturen zu mir kam. Vorsichtig ließ sie sich neben mir auf den Boden nieder und breitete alles vor mir aus, ebenso einen Stapel an Leinenbinden.
„Weißt du schon, was ihr fehlt?", fragte mich meine beste Freundin und blickte zu Samira. Seufzend hob ich ihre eine Vorderpfote an und legte damit einen Teil ihres Brustfells frei. Erschrocken zog das Mädchen neben mir die Luft ein und auch die anderen reagierten nicht anders.
„Woher wusstest du, dass genau da die Verletzung ist?", fragte mich Harry, welcher sich auf einem Stuhl niedergelassen hatte. Ein Schauer überkam mich, als ich an das Szenario zurückdachte, was gerade einmal wenige Minuten zurücklag.
„Samira wollte die Schlange von Hermine ablenken, doch dabei hat sie nicht schnel genug reagiert. Sie wurde verletzt und hat deswegen diese Kreatur fortgeschleudert", antwortete ich ihm und tränkte nebenbei ein Stück Stoff mit einer Tinktur mit desinfizierenden Wirkung. Mit einem kurzen Blick von Hermine zu Samiras Pfote, verstand diese augenblicklich und hob diese an. Sanft begann ich die recht große Fleischwunde zu säubern. Hellmir sei dank, hatte diese Schlange keine großen Gefäße erwischt, so dass der Blutverlust überschaubar war.
„Nagini", hörte ich neben mir Harry abwesend murmeln, als ich kurz ein Stofftuch in die Wunde stopfte.
„Was hast du gesagt?", fragte ihn Leon verwirrt. Er hatte sich mir gegenüber an Samiras Nacken niedergelassen und streichelte ihren Kopf beruhigend.
„Die Schlange heißt Nagini", wiederholte sich der dunkelhaarige Junge. Währenddessen nahm ich mir von Hermines Phiolen die Dipdam-Essenz und hoffte, dass diese auch bei einer Felis Vindex wirkte.
„Dieses Ding ... hat einen Namen?", fragte Leon mit einem deutlichen Unglauben in der Stimme. Auch ich empfand diesen Gedanken als ziemlich abstrus.
„Sie ist seit einigen Jahren an der Seite von Ihr-wisst-schon-wem. Ohne Anweisung verlässt sie nie seine Seite", antwortete ihm Harry. Währenddessen hatte ich auf ein sauberes Stück Stoff eine Salbe mit heilender Wirkung gestrichen und es zusätzlich auf die Wunde gelegt. Gleichzeitig sollte Samira davor bewahren, Fieber zu bekommen, zumindest hoffte ich dies.
„Mit anderen Worten war sie bewusst dort eingesetzt worden. Wir wurden also erwartet", sagte Leon mit trockener Stimme und fuhr sich mit seiner freien Hand über das Gesicht. Samira ließ er dabei nicht einen Moment lang los.
„Ich glaube unter diesen Umständen wäre es zu leichtsinnig etwas anderes zu behaupten", meldete Hermine sich neben mir zu Wort und reichte mir einige Rollen an Binden. Sorgfältig verband ich mit diesen die Wunde am Brustkorb meiner Beschützerin. Jedoch unterbrach ein leises Seufzen meine Konzentration und ließ mich innehalten. Verwirrt blickte ich hoch zu Harry und bemerkte, dass ihm etwas auf der Zunge lag. Doch wusste er anscheinend nicht, wie er es aussprechen sollte.
„Was ist los Harry?", fragte ich ihn nervös und bemerkte, wie mein Puls sich verstärkte. Unangenehm pochte es gegen meine Rippen und ein Gefühl in mir sagte, dass etwas ganz und gar nicht richtig war. Unterbewusst bemerkte ich, wie Hermine mir die Stoffbinde aus den Händen nahm und den Verband beendete.
„Als ich in dem Haus die Verbindung zu Ihr-wisst-schon-wem hatte, habe ich nicht nur ihn gesehen. Erst dachte ich, dass mir mein Verstand durch die Schmerzen von meiner Narbe aus einen Streich spielen würde. Aber als wir uns dann aus dem Fenster gerettet haben, wusste ich, dass ich mir nichts dazugedacht habe.
„Dann war er also wirklich da gewesen?", fragte ich ihn entsetzt. Kurz huschte der Gedanke an die helle Silhouette in der dunklen Nacht vor meinem inneren Auge vorbei. Ein Frösteln ergriff meinen Körper, was ich nicht unterdrücken konnte.
„Also hast du ihn auch gesehen?", meinte Harry und sah mich mit schief gelegten Kopf an.
„Nur ganz kurz und dann auch ziemlich verschwommen. Dann haben die Schatten mein Sichtfeld ergriffen und der Strudel vom Apparieren war zu sehen", schilderte ich ihm meine Beobachtung. Aufmerksam blickte ich dabei zu dem dunkelhaarigen Jungen, der sich kurz daraufhin nervös durch die Haare fuhr.
„Erinnerst du dich an unser Gespräch nach meiner Ankunft im Fuchsbau?"
Verwirrt blickte ich zu Leon und Hermine, die mich ebenso verwundert ansahen, und dann wieder zu Harry, ehe ich zögernd nickte.
„Ich glaube unsere Befürchtung hat sich bewahrheitet. Die Schatten, die du gesehen hast, waren echt. Sie schwebten neben ihm mit diesen komisch, glühenden Augen."
Entsetzt starrte ich zu Harry, unfähig auch nur einen Ton über die Lippen zu bringen. Immer wieder tauchte das Bild in meinen Erinnerungen auf von diesen Wesen. So dunkel wie die tiefste Nacht mit glühenden Augen, so unheimlich und Unheil bringend.
„Umbrae?", hauchte Leon neben mir fassungslos und auch Hermine holte erschrocken Luft.
„Du musst dich irren Harry. Sie können nicht hier sein. ER kann nicht hier auf der Erde sein. Woher sollte ER denn wissen, wo wir uns aufhalten?", rief Leon aus. Ruckartig stand er auf und begann auf und ab zu tigern. Neben mir bemerkte ich, dass Samira bei der Erwähnung der Umbrae und IHM kurz zusammengezuckt war.
„Leon denkst du etwa ich freue mich darüber, dass diese ... Dinger da waren. Das habe ich mir nicht eingebildet und Thalia hat sie ebenso gesehen. Zum anderen würde es die Schatten von der Nacht meiner Ankunft im Fuchsbau erklären", erwiderte Harry entrüstet und verfolgte ihn mit seinen Augen. Bei meiner Erwähnung huschten Leons blaue Augen zu mir herüber. In ihnen schwang große Sorge und Furcht.
„Was machen wir nun?", mischte sich Hermine mit zitternder Stimme hinter mir ein.
„Ich habe keine Ahnung", sagte Leon kraftlos und sah zu mir herüber. Verwirrt blickte Harry zu ihm und streckte seinen Rücken durch.
„Wie du weißt es nicht?", fragte er ihn fassungslos und runzelte die Stirn. Augenblicklich blieb mein Beschützer stehen und warf dem dunkelhaarigen Jungen einen verärgerten Blick zu.
„Damit meine ich das, was ich damit aussagen wollte. Auf diese Situation waren wir nicht vorbereitet. Denn wenn ich das richtig sehe, haben wir ein gewaltiges Problem. Und nicht nur wir hier, sondern alle die Thalia und uns geholfen haben", entgegnete er ihm und fasste sich an die Nasenwurzel. Angestrengt stieß er einen Schwall Luft aus und seine Haltung ließ nur erahnen, wie es gerade in seinem Kopf arbeitete. In diesem Moment wirkte er so viel älter, als er eigentlich war.
Anscheinend hatte mein Beschützer die fragenden Blicke von Harry bemerkt und als ich nach hinten sah, bemerkte ich auch Hermines Verwunderung.
„Es ist schon schlimm genug, dass ER nun wirklich hier ist auf der Erde. Oder zumindest seine Umbrae. Damals in Hellmir hat ER in einem Brief angekündigt jeden zu bestrafen, der Lia helfen würde zu fliehen. Und glaubt mir, dass wird ER, wenn er die Chance dazu hat. Die Frage ist nur, warum SEINE Schatten an der Seite von Ihr-wisst-schon-wem sind."
„Ich dachte, Umbrae sind dazu in der Lage, Befehle in ihrem Ermessen auszuführen?", kam es von Hermine verwirrt.
„Sie würden es aber niemals wagen, ihren Meister zu hintergehen. Denn das würden sie in diesem Augenblick."
Augenblicklich spürte ich die besorgten und überraschten Blicke der anderen auf mir.
„Umbrae agieren im Verborgenen und abgeschottet von anderen dunklen Wesen oder magisch begabten Personen. Es gehört nicht zu ihrer Natur, sich einfach so mit jemanden zu verbünden, ohne dass ER es wöllte", meinte ich mit belegter Stimme und spürte die Angst. Wie sie kontinuierlich durch meinen Körper kroch und eine eiskalte Spur mit sich zog, bei dem Gedanken an die Bedeutung meiner Worte.
„Meinst du etwa damit, dass diese Umbrae bei Du-weißt-schon-wem waren, weil es ihr Befehl war?", fragte Harry mich schockiert und sah mich aus großen Augen an.
„Aber dann würde das bedeuten, dass ER mit Ihr-wisst-schon-wer zusammenarbeitet. Wenn die Umbrae bei ihm waren diese Nacht, dann hieße es, dass vermutlich zwischen den beiden ein Pakt besteht", fuhr Hermine mit leiser Stimme fort. Ganz so als befürchtete sie, belauscht zu werden.
„Wieso glaubst du, dass sie einen Pakt geschlossen haben, Hermine?", wandte sich Harry an meine beste Freundin und runzelte die Stirn.
„Ganz einfach. Wenn ich das richtig einschätze, sind beide vom selben Verschnitt. Beide wollen um jeden Preis das erreichen, was sie sich als Ziel gesetzt haben. Doch bisher bist du mit Thalia ihnen immer wieder entwischt. Daher kann ich mir nur denken, dass ER Du-weißt-schon-wem seine Umbrae angeboten hat, dich zu fangen. Im Gegenzug dafür liefert er IHM Thalia aus, sobald sich ihm die Gelegenheit bieten sollte", erläuterte Leon Harry die Situation. Dabei schwankte sein Blick zwischen ihm und mir hin und her.
„Also mit anderen Worten, werden Thalia und ich nun von jeweils beiden Seiten gesucht?", vergewisserte sich der dunkelhaarige Junge unsicher und fuhr sich dabei durch das Gesicht.
„Und sie werden nicht eher ruhen, bis wir einen Weg gefunden haben, alles zu beenden. Oder bis sie uns finden", ergänzte ich mit zitternder Stimme.

Engel der Finsternis (II.Teil)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt