21.Informatives Gespräch

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Neugierig, aber auch in erster Linie verwirrt, blickte ich von dem Text zu Hermine, nur um danach Leon anzusehen.
„Ist dies das Kapitel über die Abwehr von dunklen Wesen?", mischte sich Ron ein und ließ mich kurz zusammenzucken. Er und Harry wussten schließlich nur von den Umbrae und nicht von meinem anderen Ego. Nervös schluckte ich einen kleinen Kloß in meinem Hals herunter und nickte ihm zu.
„Ich habe dich vorhin darüber brüten sehen, Hermine. Meinst du, dass dort etwas über die Umbrae steht?"
„Möglich wäre es. Ich habe das Kapitel nur kurz überflogen, weil ich mich eher der Zerstörung von dunklen Artefakten, wie Horkruxen, widmen wollte. Doch bisher habe ich noch nichts heraus gefunden", antwortete ihm meine beste Freundin und sah mich entschuldigend an. Sie wusste, dass ich für einen kurzen Moment in Panik verfallen war. Verstehend nickte der Rotschopf, schlenderte zu uns an den Holztisch und ließ sich schlussendlich neben Hermine nieder. Kurz huschten meine Augen zwischen den Anwesenden hin und her, bis ich mich dem Kapitel zu wandte und begann zu studieren. Hinter mir bemerkte ich, dass sich Leon leicht nach vorn beugte, um das Kapitel ebenso in Augenschein zu nehmen.

Vergessene Schutz- und Abwehrzauber gegen Wesen der Dunkelheit und der Nacht

Seit Anbeginn der Aufzeichnungen von Hexen und Zauberern, wurden Neuentdeckungen von Wesen dokumentiert und entwickelte Schutzmechanismen verzeichnet. Die meisten finden seit je her ihren Platz im Zauber- und Abwehrrepatoir der magischen Bevölkerung und sind nicht mehr wegzudenken. Weit bekannt sind dabei Knoblauchknollen gegen Vampire oder in einigen Kreisen der Patronus bei Dementoren. Doch es gibt weitaus mehr dunkle Wesen in der Welt als nur Sabberhexen, Oger, Dementoren und Vampire.
Nur wenigen, bewanderten Hexen und Zauberern sind die Kreaturen aus den tiefsten Ecken der Erde bekannt und noch weniger kennen die Welt der Wesen aus Hellmir, eine der vier Welt. Letzte genannte beherbergt sowohl einige Wesen, die uns auch bekannt sind, als auch „eigene" Gefahren. Aus den wenigen Dokumentationen über diese Welt geht hervor, dass dort geisterähnliche Kreaturen umher wandern. Die Bewohner nennen sie „Umbra/Umbrae", umgangssprachlich genannt Schatten. Sie sind die Seelen der Verstorbenen, die umherwandeln und Unheil anrichten können. Doch im Unterschied zu den silbrig, durchscheinenden Gestalten auf der Erde, waren die Seelen der Umbrae, bereits in der Hölle oder dem Himmel, wurde jedoch gewaltsam mittels dunkler Magie von dort entführt. Bis zum heutigen Tag ist nicht genau bekannt, wie man diese Schatten effektiv abwehren kann. Nur bekannt ist, dass sie magische Schutzbarrieren kaum durchdringen können und wenn, dann nur durch äußere Hilfe.
Des Weiteren sind bekannt zwei weitere Kreaturen: der Dämonendrache und der Ater Angulus. Beide Wesen wären in unserer Welt laut der Zaubereiministeriumsklassifizierung der ZM-Klasse XXXXX zu zuordnen. Sie sind außergewöhnlich gefährlich und keinerlei Berichte existieren über sie, dass die Bewohner Hellmirs es jemals geschafft hätten, einen Dämonendrachen zu zähmen beziehungsweise mit einem dunklen Engel friedlich in Kontakt zu treten. Auch auf der Erde gab es bisher keinen nachweisbaren Kontakt zu einem Ater Angelus, der nicht mit schwersten Verletzungen oder dem Tod ausgegangen ist.
Dämonendrachen ähneln den uns bekannten und weit verbreiteten Drachen, wie der ungarische Hornschwanz oder den norwegischen Stachelbuckel. Sie ähneln sich im Körperbau und ihrer Verhaltensweise, da sie von massiger, eindrucksvoller Erscheinung und wilden Temperament sind. Unterscheidungen lassen sich jedoch bereits im Aussehen feststellen, da Dämonendrachen von schwarzen Schuppen überzogen sind, die sowohl die stärksten Flüche als auch die meisten Waffen abwehren. Ihr Rücken ist überzogen von klaren Kristallen, durch die sie ihre magische Energie hernehmen, ebenso wie ihre Kraft. Laut mündlichen Erzählungen soll es nur wenige Möglichkeiten geben, diese zutiefst gewalttätigen Kreaturen zu bezwingen. Zum einen wäre dies ein Schwert aus einem seltenen Metall aus Hellmir, als auch ein magisches Ritual aus verschieden Zutaten und Zaubern, was bei Vollmond stattfinden muss.
Ebenso wenig bekannte Fakten gibt es über den Ater Angelus, umgangssprachlich auch dunkler Engel genannt. Dieses „Wesen" wird ebenso als höchstgefährlich eingestuft, da sie ähnlich wie Dementoren, den Menschen auf seiner mentalen Ebene vernichten, beziehungsweise stark schädigen können. Anders als ein Dementor, kann der dunkle Engel aber nicht nur jemanden die Seele rauben und ihn in seinesgleichen verwandeln. Er kann sie auch physisch angreifen und dabei sogar tödlich verwunden. Es gibt zudem nur zwei Wege zu einer solchen Kreatur zu werden: die Seele wird geraubt durch einen Ater Angelus oder man wird verflucht. Letzteres bedarf jedoch die tiefste dunkle Magie, da man dem oder der Betroffenen unendliches Leid zufügt. Obwohl diese „Engel" auch auf der Erde, zwar selten, existieren, gibt es kaum Informationen oder Forschungen über sie. Ebenso wenig darüber, ob und wie man sie aufhalten kann. Sie sind brutal, schnell und geräuschlos, wie Jäger auf Nahrungssuche. Nur eine handvoll Menschen überlebten einen Angriff von ihnen und konnten vage Auskünfte über ihr Erscheinungsbild geben.
„Die Gestalt war dem eines Menschen ähnlich. Nur die Flügel, pechschwarz wie die Nacht und gewaltig aus dem Rücken ragend, trügten das Bild. Dieser dunkle Engel überfiel mich in einer Neumondnacht. Ich habe ihn nicht kommen sehen oder hören, ganz so als bestünde er aus Luft oder Rauch. Sein Griff war starr und gewaltig und brach mir das Handgelenk. Das Gesicht konnte ich nicht genau erkennen, lediglich dass es dies eines Menschen war. Neben den Flügeln gab es nur ein äußerliches Merkmal, was anders war. An seiner linken Hand konnte ich etwas schwarzes erkennen. Ein bisschen größer als eine Galleone und filligran. Doch genau konnte ich das Zeichen auf der Haut nicht erkennen. Es könnten Wellen oder Ranken gewesen sein, die ineinander übergingen. Der einzige Grund, warum ich heute noch lebe, ist, dass in der Nähe Muggel Feuerwerkskörper gezündet hatten. Innerhalb eines Wimpernschlages war der Ater Angelus verschwunden und ließ mich zurück mit einer Todesangst, die sich bis heute in meinen Knochen befindet."- Aussage von Dorothea Wimpelthore, eine der Überlebenden eines Angriffs durch dunkle Engel aus dem Jahr 1953


Geschafft und auch ein wenig schockiert über das Kapitel musste ich einmal tief Luft holen. Unauffällig linste ich von Leon zu Hermine, damit Ron nichts mitbekam, der gelangweilt durch die Gegend stierte. Anhand der Körperhaltung meines Hintermannes wusste ich, dass mein bester Freund ebenso wenig über diesen Bericht erfreut war als ich. Anstatt neue Informationen zu erfahren, bekam ich stattdessen neue Ängste. Furcht davor jemanden zu verletzen, der mir wichtig war, wenn nicht sogar zu töten. Ein Schauer ging mir durch den Körper und ich musste mich beherrschen, nicht zu zittern.
„Und war das Kapitel interessant?", durchbrach mit einem Mal Rons Stimme die Stille um uns herum. Nervös sah ich zu ihm und dann wieder zu dem Buch, bis ich es demonstrativ wieder zuschlug.
„Ansich schon, doch bringt es uns nicht weiter", entgegnete ich ihm und schob den Band über den Tisch wieder zu Hermine. Ohne zu zögern, verstaute sie es wieder in ihrer Perlenhandtasche und schielte nun ebenfalls zu Ron hinüber. Dieser nickte lediglich und begann wieder damit, durch das Zelt zu blicken.
Betretenes Schweigen erfüllte die Luft und machte mich nur unruhiger nach diesen Zeilen. Geradeso, als würde man mir die Atemluft rauben wollen.
„Ich gehe mal kurz nach draußen", meinte ich und erhob mich zeitgleich von meinem Stuhl. Stumm nickten mir Hermine und Ron zu, während ich bemerkte, dass Leon mir folgen wollte. Sanft hielt ich ihm an seinem rechte Oberarm zurück und sah meinen Beschützer bittend an.
„Allein", meinte ich leise und bemerkte den Widerwillen in seinen Augen. Doch letztendlich nickte er, wenn auch nicht begeistert. Flink schlängelte ich mich an ihm vorbei und verließ das Zelt durch die zwei Vorhänge. Beinahe schon begierig atmete ich die frische, leicht abgekühlte Waldluft ein. Dabei war ich bemüht, mich auf den Duft des nassen Laubes zu konzentrieren und nicht auf den Text aus dem Schulbuch. Langsam fing ich an, vor dem Zelt auf und ab zu gehen, wie Ron zuvor im Lager. Aus dem Inneren hörte ich knisterndes Rauschen, was mich vermuten ließ, dass der Rotschopf wieder an seinem tragbaren Radio herumspielte. Vorsichtig stieg ich auf einen umgestürzten Baumstumpf und begann auf diesen zu balancieren. Eine Angewohnheit, die ich des Öfteren auch bei uns in den Gärten angewendet habe. Sie ließ mich für einen Moment lang nur an mein Gleichgewicht und nicht an den Rest um mich herum denken. Doch als ich ein lautes Rascheln von Blättern hörte, blieb ich abrupt stehen und stieg von dem Stamm herunter. Vorsichtig lief ich in die Richtung von der anderen Seite des Zeltes. Es konnte nur Harry sein, der das Geräusch verursacht hatte, denn die anderen befanden sich immer noch im Zelt. Nach wenigen Schritten hatte ich bereits die Rückseite erreicht und bemerkte einen blassen und schweißgebadeten schwarzhaarigen Jungen, der in das Nichts starrte. Langsam hockte ich mich neben ihn und berührte ihn zaghaft an der Schulter. Kaum spürte er meine Finger, zuckte sein Kopf ruckartig zu mir herum.
„Hast du wieder eine Vision gehabt?"
Zögernd nickte er und richtete sich ein wenig auf. Schnell wischte er sich mit seinem Hemdsärmel über die Stirn und räusperte sich kurz.
„Du darfst ihn nicht mehr in deine Gedanken hinein lassen", meinte ich und half ihm dabei aufzustehen.
„Das weiß ich, aber diese Bilder... sie kommen so plötzlich. Ich kann es nicht verhindern. Ebenso wie du deine Träume."
Seufzend beobachtete ich ihn, wie er an der Kette des Horkruxes spielte.
„Du musst aufhören, diese Kette dauerhaft zu tragen. Sie tut dir nicht gut", erwiderte ich lediglich und ging nicht weiter auf seine Aussage ein.
„Entschuldige, vielleicht sollte ich wirklich für eine gewisse Zeit aufhören die Kette zu tragen", meinte Harry seufzend, nahm das Medaillon ab und hielt es mir hin. Kopfschüttelnd trat ich einen kleinen Schritt nach hinten und verschränkte meine Arme vor dem Brustkorb.
„Es tut mir leid, aber weder Leon noch ich werden diese Kette anfassen."
„Wieso das denn?", fragte mich Harry leicht entsetzt.
„Leon, Samira und ich spüren praktisch die Dunkelheit in diesem Anhänger. Warum auch immer, reagieren wir darauf empfindlicher als ihr. In allen anderen Dingen werden wir dich unterstützen, aber hierbei müssen wir passen."
Stumm nickte Harry, doch bemerkte ich, wie er kurz mit seinem Kiefer malmte. Mit einem kurzen Nicken in Richtung Zelt gingen wir zurück zu den anderen in den Innenraum.
„Was ist denn mit dir passiert, Harry? Du bist ja ganz blass um die Nase", fragte Ron seinen besten Freund, als wir bei ihnen ankamen.

Engel der Finsternis (II.Teil)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt