Zusammengekauert saß ich auf dem kühlen Waldboden, den Kopf auf meinen Knien und die Arme um die Beine geschlungen. Mein Blick starrte dabei unablässig in die Dunkelheit des Laubwaldes und veränderte seinen Winkel kaum.
Wie konnte dies nur geschehen? Warum, um Hellmirs Willen, hatten wir es nicht abwenden können?
Leon und ich, aber auch Samira hatten die dunkle Präsenz des Medaillons spüren können. Wir hätten mehr unternehmen müssen, als nur unsere Vorahnung zu äußern. Doch was wäre dann gewesen? Hätte es schlimmer oder besser enden können?
Dieses ganze Hin und Her war zum Verzweifeln. Ron war weggegangen und hatte damit die Gruppe und uns alle zurückgelassen. Und all dies nur wegen diesem Horkrux im Inneren der Kette. Oder rührten einige Worte aus Rons Gedanken heraus, die ihn beschäftigt hatten?
Seufzend schloss ich die Augen, die sich schwer anfühlten.
Du würdest dich eh nie von deinem Posten als Schoßhündchen loslösen und Thalia allein lassen. Und welch ein Wunder, sie ist auch nirgendwo zu sehen.
Immer und immer wieder spukten mir die Worte des Rotschopfs durch den Kopf. Sie waren voller Wut, Verzweiflung und impulsiv gewählt. Und doch hatte Ron recht mit dem, was er Leon an den Kopf geworfen hatte. Mein Beschützer würde nie etwas anderes über seine Aufgabe, als Mitglied der königlichen Palastwache stellen, dem Auftrag und persönliche Aufgabe mich zu beschützen. Und das machte mir Sorgen, denn schon einmal wurde mein bester Freund deswegen schwer verletzt, sodass er heute noch die große Brandnarbe auf der Schulter trug.
Was würde er also noch alles in Kauf nehmen, nur weil ich in Gefahr war? Was, wenn es nächstes Mal nicht so glimpflich ablaufen würde wie vor über einem Jahr?Ein leises, jedoch lauter werdendes Rascheln kam auf mich zu. Vorsichtig blickte ich zur Seite und bemerkte, dass Leon etwa einen Meter von mir entfernt stand. Seine blauen Augen blickten mich niedergeschlagen an, während sich seine Mundwinkel zu einem halbherzigen Lächeln verzogen. Schnell stand ich von dem Waldboden auf und blickte gen Himmel. Noch immer waren über uns die Sterne zu sehen, die einzigen Lichtquellen dieser Nacht. Doch da mich Leon geradewegs ansah, und nicht an mir vorbei blickte, konnte dies nur eines bedeuten: der Neumond und die Bannzauber waren verschwunden.
„Du konntest alles mit anhören oder?", waren Leons erste Worte, als ich versuchte meine Hose abzuklopfen. Abrupt hörte ich auf und schielte kurz zu ihm, ehe ich langsam mit dem Kopf nickte. Ich vernahm ein tiefes Seufzen und ein Rascheln, ehe ich ein Paar Arme um meine Schultern bemerkte. Sofort erwiderte ich Leons Umarmung und lehnte meinen Kopf an seiner Schulter.
„Egal, was kommen wird, Thalia. Ich werde dich beschützen", meinte mein bester Freund leise und fuhr mir beruhigend über die Schulterblätter.
„Und genau das bereitet mir Sorgen. Was wenn es beim nächsten Mal nicht so gut ausgeht, wie bei uns in Hellmir?", entgegnete ich ihm und konnte ein leichtes Zittern in meiner Stimme nicht vermeiden. Anhand von Leons Schweigen wusste ich, dass auch er Angst davor hatte, was passieren könnte.
„Ich will ehrlich mit dir sein: vor diesem Tag und dieser Situation habe ich Angst. Angst davor zu sterben, meine Familie und dich zurück zu lassen. Vorallem wenn du dann ohne Schutz auf der Erde überleben musst. Aber, als ich damals meinen Posten bei der Wache eingenommen habe, wusste ich, worauf ich mich da einlasse. Und ich bereue es bisher keine Sekunde, dass ich diesen Weg eingeschlagen habe", begann mein Beschützer unsicher. Doch je weiter er erzählte, desto fester und sicherer wurde wieder seine Stimme.
Sanft löste ich mich aus unserer Umarmung und sah Leon nachdenklich in die Augen. Warum auch immer, erinnerte mich sein Verhalten in diesem Moment an das meines Bruders. Eine unangenehme Gänsehaut kroch meinen Rücken hinab und augenblicklich schossen mir die Bilder der Nacht vor Augen, in der Alexander starb. Schnell verbannte ich diese Gedanken wieder in die Tiefen meines Unterbewusstseins und blickte zu Boden, als ich einen sanften Druck an meinen Waden spürte. Aus großen grünen Augen musterte mich Samira aufmerksam, jedoch auch mit einer Spur der Besorgnis. Ein zaghaftes Miauen entfloh ihrer Kehle, gerade so als wollte sie fragen, wie es mir ging.
„Genau davor habe ich Angst, Leon. Du ähnelst... Alexander damit sehr. Ich kann und darf dich nicht auch noch verlieren, nicht nachdem auch Albus gestorben ist", meinte ich nach einer etwas längeren Pause und nahm meinen Anhänger zwischen die Finger. Wohl bekannt und angenehm wog das Metall in meiner Hand und versprühte einen Hauch an Geborgenheit.
„Lia, ich weiß, dass ich dir das nicht versprechen kann. Aber ich werde alles dafür unternehmen, damit wir alle lebend aus dieser Geschichte kommen. Sowohl wir, als auch die anderen drei."
Dankbar sah ich meinen besten Freund an und bemerkte einen Funken an Missmut. Nach dieser Nacht war dies auch nicht verwunderlich, Ron und Harry waren seine ersten richtigen Freunde geworden, neben Hermine. Und nachdem der Weasleyjunge ihm diese Worte an den Kopf geworfen hatte, war es nur verständlich, dass ihn dies zusetzte. Doch zugeben würde Leon es nie, dass ihn dies tief getroffen hatte.
„Kommt! Lasst uns in das Zelt gehen", sagte ich vorsichtig und schielte zu dem Zelt, aus dem noch immer Licht schien. Wahrscheinlich hatten es die anderen vergessen auszumachen. Stumm nickte Leon mir zu und gemeinsam mit Samira an unserer Seite, machten wir uns zu unserem Nachtlager auf. Vor dem Eingang lag im Dunklen noch die längst erloschene Feuerstelle und gab ein passendes trostloses Bild ab. Mit einem lautlosen, tiefen Atemzug zog ich die Leinenbahnen zur Seite und stockte in meiner Bewegung. Auch Leon neben mir verharrte in seiner Position und schluckte nervös. Das Licht, wo ich kurz zuvor noch dachte, es sei vergessen worden, war noch immer in Betrieb, bewusst. Denn am hölzernen Tisch saßen sowohl Hermine und Harry, beide mit einer bedrückten Mimik. Doch als sie unser Eintreten bemerkten, schnellten beide Köpfe in die Höhe. Für den Bruchteil einer Sekunde huschte eine Welle der Erleichterung über Hermines Gesichtszüge. Jedoch verschwand diese ebenso schnell und machte der Verunsicherung Platz. Unruhig wanderte ihr Blick zwischen uns und Harry hin und her. Und das zurecht, denn der schwarzhaarige Junge sah uns aus zusammengekniffenen Augen wütend an.

DU LIEST GERADE
Engel der Finsternis (II.Teil)
Fiksi PenggemarEs könnte für die Bewohner der Erde und vor allem Hogwarts nicht schlimmer laufen: ihr Schulleiter, Albus Dumbledore, ermordet durch einen ihrer Lehrer, Todesser werden immer häufiger im Zusammenhang mit schrecklichen Folgen gesichtet und der Dunkle...