4.Hausghul und Gartengnome

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Leicht verschlafen rieb ich mir über meine immer noch schweren Augenlider, um ein wenig die Müdigkeit abzuschütteln. Die letzte halbe Nacht habe ich wach gelegen und über das belauschte Gespräch von Mr und Mrs Weasley gegrübelt. Mit Ginny hatte ich noch nicht darüber geredet, denn ich wollte es zusammen mit Leon, Ron und ihr bereden nach dem Frühstück. Auch wenn sie mich gestern mehr als einmal gefragt hatte, warum ich so nachdenklich sei, hatte ich sie nur damit vertröstet, dass ich es ihr heute im Beisein der Anderen erklären würde. Zwar war sie darüber nicht erfreut gewesen, gab sich aber schlussendlich geschlagen. Den restlichen Abend hatten wir, nachdem wir uns für das Bett fertig gemacht hatten, nur noch über belanglose Dinge unterhalten, bis wir schließlich in das Land der Träume abgedriftet sind.
Nun stand jedoch der nächste Morgen an und ich war nervös, wie sich Ginnys Eltern mir gegenüber verhalten würden. Ginny bemerkte dies und trat, nachdem sie ihr Bett gemacht hatte, an mich heran.
,,Mach dir keine Sorgen, Thalia. Wir stehen hinter dir und egal wie du dich entscheidest, ob du es Mum und Dad erzählst, wir werden dir helfen", bestärkte sie mich mit einem sanften Lächeln auf den Lippen. Seufzend sah ich ihr in die Augen, bis ich ihr stumm zustimmte und gemeinsam mit ihr und Samira nach unten in das Erdgeschoss ging. Dort bereitete eine emsige Mrs Weasley bereits das Frühstück zu und schwang hier und da ihren Zauberstab, um ihr das Handwerk zu erleichtern. In dem angrenzenden Wohnzimmer saßen bereits die Zwillinge und unterhielten sich angeregt miteinander. Da wir Mrs Weasley nicht weiter stören wollten, riefen wir mit Ginny nur ein 'Guten Morgen' in die Küche und gesellten uns zu Fred und George. Während Ginny sich auf das Sofa fallen ließ neben einem der Brüder, setzte ich mich in einen der Sessel nebendran. Kaum saß ich ruhig, sprang Samira elegant und geräuschlos auf meinen Schoß und musterte ihre Umgebung. Als sie fertig damit war, rollte sie sich auf meinen Oberschenkeln zusammen und ließ sich genüsslich von mir kraulen.
,,Guten Morgen, Thalia", begrüßte mich die Brüder freundlich und blickten beide zu mir.
,,Guten Morgen", entgegnete ich ihnen mit einem Lächeln.
,,Über was habt ihr euch gerade so angestrengt unterhalten?", fragte Ginny ihre Brüder interessiert und beugte sich ein wenig nach vorn, um beide im Auge zu behalten.
,,Das, liebe Schwester-"
,,-ist ein Betriebsgeheimnis", meinte beide nacheinander und schenkten ihrer Schwester ein verschmitztes Lächeln, was sie mit einem genervten Seufzen quittierte.
,,Wie immer!"
Belustigt über diese Szenerie konnte ich mir ein Lächeln nicht verkneifen. Irgendwie erinnerte es mich ein wenig an meine Schwestern und mich, wenn wir Zeit zusammen verbracht haben.
,,Wo hast du eigentlich dein Anhängsel gelassen?", riss mich einer der Zwillinge aus meinen Gedanken und gewann dadurch meine Aufmerksamkeit. Mit leicht schräg gelegten Kopf sah ich ihn fragend an.
,,Mein Anhängsel?"
,,Er meint damit deinen Freund", half mir sein Bruder auf die Sprünge und wackelte dabei mit seinen Augenbrauen.
,,Leon ist mein bester Freund. Wir sind nicht zusammen", meinte ich langsam. Doch anhand der verschmitzt grinsenden Gesichter der Zwillinge konnte ich erkennen, dass sie das nicht so sahen.
,,Wenn du das meinst, Thalia. Aber-"
,,-wir sagen nur, was wir sehen. Und ihr wirkt ein wenig mehr als nur vertraut."
Ginny, die stumm unser Gespräch verfolgte, rollte nur mit einem Kopfschütteln ihre Augen. Anscheinend hatte sie etwas ähnliches schon durchmachen müssen.
,,Ich kenne ihn schon seit ich klein bin. Durch das ständige herumreisen unserer Familien, hatten meine Geschwister, Leon und ich nie viele Freunde. Eigentlich hatten wir nur uns.  Als mein Bruder noch lebte, war er das Vorbild für Leon. Er hat zu ihm aufgeschaut und wollte immer mit ihm üben und trainieren. Nach seinem Tod zog er sich genauso zurück wie wir anderen, hielt sich aber immer in unserer Nähe auf. Leon hat schon immer das richtige Händchen dafür gehabt mit einer Situation umgehen zu können, wie es für den Anderen das Beste ist. Ich habe damals meinen  Bruder verloren, aber er hat seinen besten Freund und Vorbild verloren. Für euch mag es vielleicht etwas anderes bedeuten, wenn wir so vertraut mit einander umgehen. Aber für uns ist es das normalste der Welt."
Kaum war ich fertig mit erklären, ertönte aus der Küche die laute Stimme von Mrs Weasley.
,,Kinder, das Frühstück ist fertig. Jungs würdet ihr eurem Vater im alten Hühnerstall Bescheid geben?"
,,Ja Mum", riefen die Zwillinge im Chor und erhoben sich, nicht aber bevor sie mir einen Blick zuwarfen, der bedeutete, dass diese Sache noch nicht beendet war. Belustigt schüttelte ich den Kopf und stand mit Samira auf dem Arm auf. Ginny tat es mir gleich und gemeinsam liefen wir in die Küche. 
,,Sind Ron und Leon noch gar nicht unten gewesen?", fragte Ginny verwirrt und sah sich in der Küche um.
,,Nein Süße, ich glaube ihr müsst die beiden wecken gehen. Beeilt euch aber", erwiderte sie und deutete dabei auf eine Pfanne auf dem Herd.
Zustimmend nickten wir und gingen gefolgt von Samira die Holztreppe bis in das Dachgeschoss nach oben. Gerade als ich an die Tür klopfen wollte, ertönte über unseren Köpfen ein leises Poltern gefolgt von einem tiefen Ächzen.
,,Wunder dich nicht, dass ist nur unser Hausghul. Nicht besonders clever, das Kerlchen, schafft es aber immer wieder auf den Dachboden", klärte Ginny mich auf und trat an die Tür. Mit einem lauten Klopfen kündigte sie uns an und ging, ohne auf eine Antwort zu warten, in das Zimmer ihres Bruders. Sein Zimmer war ebenfalls nicht sehr groß und besaß wie Ginnys Raum eine beachtliche Sammlung an magischen Quidditchpostern und Gryffindorfähnchen, sowie einen kleine Schreibtisch aus Holz.
Doch das Bild, was sich uns eröffnete, lenkte alle Aufmerksamkeit auf sich. In seinem Bett lag ein noch immer vor sich hin schnarchender Ron, Arme und Beine von sich gestreckt, wobei die Beine mehr auf dem Boden lagen als auf der Matratze. Anstelle seiner Füße lag sein Kopf am Fußende neben seiner Bettdecke. Neben dem Bett, ähnlich wie bei Ginnys Zimmer, stand ein Feldbett, in dem ein wacher Leon lag mit tiefen Augenringen und grimmigem Gesichtsausdruck.
,,Guten Morgen, Leon. Hast du die ganze Nacht nicht schlafen können?", fragte ich in den Raum hinein, erhielt jedoch keine Reaktion. Erst als ich auf ihn zuging, zuckte sein Kopf überrascht zu mir und mit einem Mal saß er kerzengerade auf dem Feldbett. Vorsichtig griff er an seinem Kopf und holte aus seinen Ohren zusammengeknüllte Taschentücher hervor.
,,Morgen, Lia. Hast du etwas gesagt?", fragte er mich mit einer müden Stimme und strich sich kurz über die Augen.
,,Hast du die ganze Nacht so da gelegen, denn du siehst so unausgeschlafen aus?", fragte ich ihn schmunzelnd und hockte mich an sein Bett.
,,Ja, ich wusste ja nicht, dass Ron so laut schnarchen kann und irgendetwas über uns hat in der Nacht immer wieder mal Lärm gemacht", antwortete er mir und stand noch etwas ungelenk auf.
,,Das ist unser Hausghul. Man gewöhnt sich daran, nach einer gewissen Zeit. Wir wollten euch beide auch eigentlich abholen zum Frühstück. Alle anderen warten schon auf euch", meinte Ginny belustigt und lehnte sich an den Türrahmen.
Eine plötzliche Bewegung von Rons Bett, zog unsere Aufmerksamkeit auf sich. Ron saß, wie Leon zuvor nun kerzengerade im Bett und blickte zu seiner Schwester.
,,Hat jemand was von Frühstück gesagt?", fragte er neugierig .
,,Ja, ich, ihr habt beide nämlich verschlafen. Mum und die anderen warten schon auf euch", entgegnete sie ihm und stieß sich vom Türrahmen ab, um nach unten zu gehen. Schmunzelnd folgte ich ihr und zog hinter mir die Tür in das Schloss.
Es dauerte gerade einmal zwei Minuten, dann standen die beiden Jungs in der Küche und wünschten einen 'Guten Morgen' in die Runde. Während Ron relativ ausgeschlafen wirkte, sah Leon so aus, als würde er jeden Moment wieder einschlafen.
,,Ah da seid ihr beiden ja. Lass mich raten, Leon. Ronald hat dich nicht vor unserem Hausghul gewarnt. Der macht in der Nacht hin und wieder ein bisschen Krach", erwiderte Mrs Weasley und sah ihren Sohn ein wenig tadelnd an. Schnell schwang sie ihren Zauberstab und ein drei Pfannen und zwei Teller flogen auf den Tisch zu und landeten auf ihren angedachten Platz.
,,Ein bisschen Krach?", murmelte Leon kaum hörbar vor sich hin, als er sich wieder neben mich setzte. Als ich seinen Monolog mitbekam, konnte ich nur schwer ein Grinsen verkneifen. Jedoch reagierte nicht darauf, sondern befolgte Mrs Weasleys Anweisung mit dem Frühstück zu beginnen. Bei ihr traute ich mich nämlich nicht, dies nicht gleich zu machen. Dafür hatte ich jetzt schon genug Respekt vor ihr.

Nach dem üppigen Essen, wie am Abend zuvor, teilte sich unsere Gesellschaft auf. Während Mr Weasley sich in seinem Schuppen verabschiedete, wurden die Zwillinge delegiert die Bete hinter dem Haus zu bewirtschaften. Wir vier, und indirekt auch Samira, wurden zum entgnomen des Gartens nach draußen verwiesen. Ohne große Widerreden nahmen wir unsere Aufgaben entgegen und verließen den Fuchsbau in Richtung des weitläufigen Gartens. Auf den Weg erklärte uns Ron schnell, wie das entgnomen ging, da Leon bei dieser Tätigkeit nur fragend die Augenbraue angehoben hatte. Auch ich war ihm dankbar, dass er es uns sagte, da ich genauso unwissend war. 
Nachdem wir knapp zwei Minuten gelaufen waren, erreichten wir eine hüfthohe Steinmauer.
,,Bevor wir anfangen, müssen wir noch etwas mit euch bereden", hielt ich die Geschwister auf, die sich schon an die Arbeit machen wollten. Ohne weitere Umschweife fing ich an, von dem belauschten Gespräch ihrer Eltern an, wobei mir Leon aushalf. Zunächst waren beide nicht von dem Umstand angetan, dass wir dieses Gespräch mit angehört hatten. Doch als ich geendet hatte, sahen sich die beiden Geschwister verunsichert und auch leicht ratlos an.
,,So skeptisch kenne ich nicht einmal Dad, zumindest in der Hinsicht, wenn jemand Hilfe braucht", meinte Ron nachdenklich und steckte seine Hände in die Hosentaschen. Ginny nickte ihm zustimmend zu.
,,Das stimmt. Natürlich wird auch die angespannte Situation sie mit beeinflussen, aber das hätte ich nicht von ihnen erwartet."
,,Und was, schlagt ihr vor, sollen wir nun tun? Für Thalia ist es sicherer, wenn so wenig Leute wie möglich von ihrer wahren Herkunft wissen", mischte sich Leon ein und sah sie gespannt an.
,,Die einfachste Variante wäre es, wenn du ihnen die Wahrheit sagst, oder zumindest unserem Dad. Er hat mehr mit dem Orden zu tun. Aber das musst du letztendlich entscheiden, Thalia", wandte sich Ginny an mich und blickte mich abwartend an. Stumm nickte ich und dachte nach, doch kam, wie gestern Abend schon, zu keinem klaren Ergebnis.
,,Ich überlege es mir bis heute Abend. Inzwischen sollten wir mit dem Entgnomen beginnen", vertröstete ich sie. Jedoch nickten sie verständnisvoll und so fingen wir an, die unliebsamen Bewohner des Gartens über unsere Köpfe hinweg zu schleudern.

Anders als gedacht, machte das entgnomen mit den anderen recht viel Spaß und nach etwa zwei Stunden waren wir fertig. Erschöpft rieb ich mir über meine Arme und Schultern, die von dem herumschleudern etwas angespannt waren. Auch den anderen erging es nicht anders. Ginny stand mit den Händen in den Hüften mir gegenüber und holte ein paar Mal tief Luft, während Ron sich ein wenig streckte. Nur Leon stand ganz normal da, doch an seinem Gesichtsausdruck konnte ich erkennen, dass auch er ein wenig erschöpft war.
,,Wie kommt es, dass du noch so normal und ruhig dastehen kannst?", fragte ihn Ginny ein wenig ungläubig und versuchte ihren Atem ein wenig zu regulieren. Auch ihr Bruder blickte ihn fragend an und hörte auf sich zu dehnen. Schulterzuckend blickte er in die Runde ehe er ihr antwortete.
,,Es war zwar etwas vollkommen anderes, aber durch mein Training als Wache muss ich auf alle Eventualitäten gefasst sein. Ich bin einfach ein bisschen mehr an Sport gewöhnt."
Als er sein Training als Palastwache und mein Beschützer erwähnte, horchte Ron auf und sah ihn interessiert an.
,,Was müsst ihr dort alles eigentlich können? Das wollte ich dich gestern schon fragen", meinte er und richtete sich ein wenig auf. Zwar Ron auch groß und schlaksig, jedoch war Leon ein paar Zentimeter größer als er und von sportlicher Natur.
Erfreut über das Interesse wandte sich mein bester Freund an ihn, während das rothaarige Mädchen zu mir kam.
,,Da haben sich ja zwei gefunden", flüsterte sie mir zu und schnappte sich meine Hand.
,,Komm, wir gehen rein und fragen meine Mum, ob wir ihr bei irgendetwas behilflich sein können."
Zustimmend nickte ich und schaute mit einem Schmunzeln zu den beiden Jungs. Innerlich stimmte ich Ginny zu, denn Leon sah ein wenig lockerer aus als sonst. Ron und Harry waren schließlich die ersten Jungs in seinem Alter, zu denen er ein freundschaftliches Verhältnis pflegte, nachdem mein Bruder starb und auch so im Allgemeinen. Es war für ihn doch nicht so verkehrt gewesen, dass er mir auf die Erde gefolgt war.

Nachdem wir mit Ginny wieder den Fuchsbau betreten hatten, suchten wir Mrs Weasley in einer Kammer im Erdgeschoss auf, wo sie emsig Wäsche in verschiedene Körbe sortierte.
,,Mum? Wir sind fertig mit den Gnomen. Sollen wir dir bei etwas noch helfen?", fragte Ginny sie und lehnte ihren Kopf am Türrahmen an. Etwas verwirrt blickte sie uns an, ehe sie kaum merklich ihren roten Schopf schüttelte und uns dankbar anlächelte.
,,Ihr könntet mal im Keller nach den Tischdecken gucken, ob die ausreichen für Bill und Fleur. Wenn nicht haben wir noch Zeit welche nachzubestellen. Am besten ihr schaut auch gleich nach, wegen dem Zelt, ob das dort ist oder bei deinem Vater in der Garage", entgegnete sie und legte dabei Socken zusammen.
,,In Ordnung machen wir."
,,Danke euch beiden."
Mit einem Stirnrunzeln folgte ich Ginny durch das  Erdgeschoss zu einer unscheinbaren Holztür, die das Weasley-Mädchen auch sogleich aufklinkte. 
,,Ginny, warum sollen wir nach diesen Dingen gucken?", fragte ich sie schließlich, als sie nach einer magisch leuchtenden Laterne an einem Wandhacken griff und diese sofort anfing zu glühen.
,,Bill, mein ältester Bruder, heiratet in ein paar Wochen hier bei uns im Fuchsbau. Und Fleur, seine Verlobte, war vor ein paar Jahren eine Teilnehmerin am Trimagischen Turnier, wo auch Harry mitgemacht hatte. Mum wird deswegen von Woche zu Woche immer nervöser", beantwortete sie mir meine Frage mit einem belustigten Lächeln und stieg zügig die Holztreppe nach unten. Mit einen kurzen Seitenblick auf Samira folgten wir ihr beide vorsichtig nach unten. Der Keller der Weasleys war für eine Großfamilie recht klein und doch war er voll gestopft mit Kisten, Truhen und Regalen. Etwas erschlagen von dem Anblick sah ich zu Ginny herüber, die die Laterne auf einen Karton abgestellt hatte und das Glühen intensiver eingestellt hatte, sodass man nun einen besseren Überblick über den Raum hatte.
,,Dann wollen wir mal", meinte sie darauf hin nur mit einem leichten Seufzen und fing an den ersten Karton zu durchsuchen. Auch ich machte mich ans Werk und öffnete eine große Truhe nahe der Kellertreppe. Bei Hellmir, das wird eine Suchaktion werden, so wie es hier aussah.

Engel der Finsternis (II.Teil)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt