Am nächsten Morgen herrschte bei uns im Zelt eine eigenartige Stille. Zumindest zwischen meinem Beschützer und mir. Während Ron und Harry sich über die im Hintergrund laufende Radiosendung unterhielten, betrachtete Hermine Leon und mich mit nervösen Blicken. Denn als ich am Morgen nach ein paar Stunden Schlaf gemeinsam mit den Anderen in den ‚Speiseraum' gegangen war, flüchtete mein bester Freund gerade zu vor mir und meinen Blicken. Geschweige denn vor meinen Gesprächsversuchen. Nach einem weiteren eher schlechten Versuch mit ihm zu reden, senkte ich meinen Blick auf die Schüssel mit Haferbrei vor mir und stocherte lustlos darin herum. Ohne groß von meinem Frühstück gegessen zu haben, schob ich die mittlerweile lauwarme Schale von mir weg und ging zurück in den Schlafraum. Dabei bemerkte ich, wie mir die Blicke der anderen stumm folgten und lediglich das Radio weiter Geräusche verursachte.
Es war etwas unheimlich, als schlussendlich alles abgebaut war und wir uns nun zu Fuß aufmachten. Den Tag zuvor sind wir zwar appariert, jedoch war der Rotschopf nach dieser Reise auch immens geschwächt gewesen und die Wunde an seiner Schulter hatte wieder angefangen zu bluten. Deshalb hatten wir uns dazu entschlossen, ohne Magie zu reisen. Laut Hermine und Harry steuerte wir keine bestimmten Orte an, oder versuchten zumindest, solche mit magischen Aktivitäten zu meiden. Angeführt wurde unsere Gruppe von Harry und Ron, gefolgt von Leon, der an diesem Tag vielleicht ein paar Worte nur geäußert hatte. Das Schlusslicht bildete ich mit Samira, die mich ebenso wie Hermine vor mir immer wieder einmal unsicher musterte. Dann huschte ihr Blick nach vorn zu meinem anderen Beschützer und wieder zurück zu mir. Es war merkwürdig auf diesem Waldweg zu gehen, überdacht von den Kronen der Laubbäume und nicht mit Leon reden zu können. Natürlich war ich mir dessen bewusst, dass ich Leon mit meiner Entscheidung verletzt hatte. Doch warum er mich so sehr von sich abgrenzte, erlebte ich heute zum aller ersten Mal. Denn auch in Hellmir war dies zu keinem Zeitpunkt einmal vorgekommen.
Seufzend strich ich mir eine lose Haarsträhne hinter das Ohr und bemerkte, wie sich meine beste Freundin zu mir nach hinten fallen ließ. Besorgt betrachtete sie mich von der Seite, ehe sie mit gesenkter Stimme anfing zu reden.
„Thalia, es gefällt mir nicht euch so verstritten zu sehen. Harry und Ron ist es auch schon aufgefallen. Konntest du mit ihm noch nicht reden?"
Missmutig blickte ich zu ihr und schüttelte langsam meinen Kopf.
„Ich habe es heute Morgen mehrere Male versucht, doch immer ist er mir ausgewichen oder weggegangen. Hermine ich will nicht mit ihm streiten, in diesem Ausmaße kenne ich soetwas auch nicht von uns. Ich weiß, dass ich ihn damit verletzt habe, aber was hätte ich tun können?", antwortete ich ihr mit ebenso leiser Stimme und stieg bedacht über eine erhabene Wurzel.
„Wahrscheinlich weil ihr euch solange kennt, vertraut er dir blind. Leon möchte dich vor allem Bösen bewahren", merkte Hermine nachdenklich an und legte ihren Kopf leicht seitlich. Eine Angewohnheit von meiner besten Freundin, wenn sie über etwas nachdachte.
„Und das ist auch ein Teil des Problems. Er will um jeden Preis meine Sicherheit gewährleisten und bedenkt dabei nicht, dass andere, so wie ihr, dadurch in Gefahr geraten könnten. Ich... muss es nachher einfach noch einmal versuchen. Hier draußen ohne weiteren Schutz durch den Orden ist ein Streit in unserer Gruppe Gift. Sowohl für Harrys und meine, als auch für eure Sicherheit."
Mit diesen Worten verfielen wir beide wieder in eine nachdenkliche Stille und folgten den Jungs vor uns blind durch den Wald. Hier und da liefen wir Anhöhen hoch und wieder herunter, bis wir schließlich nach etwa drei Stunden Fußmarsch an einer Senke mit mannshohen, sowie breiten Granitsteinen ankamen. An diesen drehte sich Harry zu uns um und schulterte dabei auf einer Seite seinen Rucksack ab.
„Ich würde vorschlagen, wir machen hier eine Pause und gehen dann weiter."
Einstimmig nickten wir ihm zu und stellten unser jeweiliges Gepäck auf dem Boden ab. Auch ich legte meine Umhängetasche mit zu Hermines kleinen Rucksack, in dem sie hauptsächlich Trinkflaschen und etwas Proviant verstaut hatte. Ein paar Meter vor mir sah ich, wie Leon ebenfalls seinen relativ kleinen Rucksack abstellte und aus einer darin verstauten Flasche trank. Neben mir bemerkte ich, wie Hermine mich mit ihren braunen Augen auffordernd und zugleich bestärkend ansah. Anschließend ging sie davon und gesellte sich zu den beiden anderen Jungs. Nervös holte ich Luft und lief bedächtig auf meinen besten Freund zu. Noch nie hatte ich solch eine Angst mit meinem Beschützer zu sprechen. Zwei Meter vor ihm blickten mich seine blauen Augen kurz an, jedoch wandten sie sich genau so schnell wieder ab. Fast, als wollte er mir wieder ausweichen.
„Leon, kann ich dich kurz sprechen?", fragte ich ihn leise und nestelte nervös an meinen Fingernägeln herum. Zweifelnd huschte sein Blick wieder zu mir und wollte sich schon abwenden, als ich den Abstand zwischen uns verkürzte und seine Hand sanft, aber dennoch bestimmend festhielt.
„Bitte", flehte ich ihn gerade zu schon an und drückte vorsichtig seine Finger.
„Wenn du das willst."
Erst dachte ich, mich verhört zu haben, da Leon zum einem recht leise und zum anderen das erste Mal an diesem Tag direkt mit mir gesprochen hatte. Entschlossen nickte ich und deutete mit einem Kopfnicken an, uns ein Stück von den anderen zu entfernen. Natürlich folgte uns dabei Samira mit wachsamen Augen, aber auch das goldene Trio beobachtete uns kurz mit ihren Blicken. Als wir etwa zehn Meter von dem Trio entfernt standen, blieben wir stehen und Leon sah mich mit verschränkten Armen vor der Brust abwartend an. Zunächst wusste ich nicht, wie ich anfangen sollte. Ein paar Mal öffnete ich meinen Mund, um zum Reden anzusetzen, doch wusste ich nicht wie. Schlussendlich räusperte ich mich und fing an mit Leon zu reden.
„Ich weiß, dass ich dich mit meiner Entscheidung gestern Abend verletzt habe. Und dafür möchte ich mich entschuldigen. Dennoch möchte ich, dass du mir noch einen Moment zuhörst", begann ich Letztenendes und sah ihn abwartend an. Etwas verwirrt nickte mir mein Gegenüber zu, als Zeichen dafür fortzufahren.
„Du hast mich all die Jahre zu Hause unterstützt und, wenn es darauf ankam, vor allem Dunklem beschützt. Das rechne ich dir hoch an, da es nicht selbstverständlich ist. Ich möchte nicht mit dir streiten, wirklich nicht, aber wir sind momentan nicht bei uns in Hellmir. Zudem sind einige Dinge dazwischen gekommen, wie... mein Fluch. Mit soetwas mussten wir vorher nicht zurecht kommen. Doch nun haben wir keine andere Wahl. Ich weiß, dass du geschworen hast mich zu beschützen, um jeden Preis. Aber ich kann dies nicht zulassen, wenn meine Freunde wie du, Hermine oder die Jungs dabei verletzt werden könnten", fuhr ich fort und wartete am Ende auf seine Reaktion. Diese ließ jedoch lange auf sich warten, denn während er mir zu hörte, legte sich Leons Stirn nachdenklich in Falten. Als er aber meinen letzten Satz vernahm, verdüsterte sich seine Mimik für den Bruchteil einer Sekunde. Gefühlt vergingen einige Minuten, in denen keiner von uns etwas sagte und ich unruhig von einem Bein auf das andere trat. Schlussendlich hörte ich meinen Gegenüber schwer seufzen und sah, wie er sich aus seiner starren Haltung lösten und einen Schritt auf mich zu kam. Erst dachte ich, dass er mich in eine von uns üblich versöhnlichen Umarmungen ziehen wollte. Doch stattdessen umschloss er mit seinen Händen meine Schultern und zwang mich somit ihm in die Augen zu blicken. Unüblicherweise versprühten ebendiese keine Wärme, sondern eine Art von Verletzlichkeit und Abwesenheit.
„Thalia, ich kenne dich schon seit knapp zwölf Jahren. Und seitdem ich in der königlichen Garde bin, nehme ich mein Versprechen dich zu beschützen nur noch umso ernster. Und ich werde dies niemals freiwillig brechen, so wahr mir Hellmir beisteht. Also zwing mich nicht dir dabei zu zusehen, wie du dich in Gefahr begibst. Denn egal, ob du mich mit oder ohne Magie aufhalten willst, es zu tun, ich stehe zu meinem Versprechen, was ich sowohl deinen Eltern, als auch deinen Schwestern und Alexander gegeben habe."
Sprachlos sah ich ihn während seiner Antwort an und konnte ihn nicht aufhalten, als er seinen sanften Griff um meine Schultern löste und zurück zu den anderen ging. Aus früheren Gesprächen wusste ich, dass er meinem Bruder kurz vor meiner offiziellen Ernennung zur Prinzessin versprochen hatte mich zu beschützen. Doch, dass er genau diese Karte in unserer Unterhaltung ausspielte, hatte ich nicht geahnt. Denn Leon wusste ebenso gut wie ich, dass wenn Alex in das Spiel einer Unterhaltung kam, meine Entschlossenheit zu wanken drohte. Unfähig zu reagieren, beobachtete ich, wie sich mein Beschützer zu unseren anderen Freunden gesellte und sich an ihrem Gespräch beteiligte.
Konnte ich es Leon übel nehmen, meinen Bruder mit in die Diskussion einbezogen zu haben?
Die eine Seite in mir sagte, schrie schon regelrecht ‚Ja!', doch die andere konnte es Leon nicht verübeln. Denn in dem ich Leon gestern Abend mit Magie aufgehalten habe und ihn somit zwang zu zusehen, wie ich mich in seinen Augen in Gefahr begab, empfand ich es als gerechte Strafe. Zumindest in manchen Punkten.
Ein leises Miauen zu meinen Füßen riss mich aus meinen Gedanken und ich bemerkte, wie sich meine Beschützerin sanft an mein Bein schmiegte. Immer noch leicht betrübt, lächelte ich sie nichtsdestotrotz an und hob sie behutsam auf meine Arme. Dort begann sie sich aufmunternd an mein Kinn zu schmiegen und schnurrte dabei beruhigend.
„Alles gut, Samira. Ich verstehe Leons Sichtweise doch, aber er muss auch meine verstehen. Immerhin sind wir nicht mehr zu Hause in Hellmir. Hier herrschen andere Regeln und Gefahren."
Auch wen ich wusste, dass sie mir nicht antworten konnte, sah ich es in ihren Augen, dass sie mein Gesagtes sehr gut verstand. Somit machte ich mich wieder auf zu den anderen und lauschten ihrem Gespräch über unser heutiges Nachtlager.
Nach unserer insgesamt einstündigen Pause machten wir uns schließlich wieder auf den Weg weiter durch den Wald. Natürlich hatte Hermine eine günstige Gelegenheit abgepasst, um mich nach meinem Gespräch mit Leon auszufragen.
„Habt ihr euch beide wieder vertragen?", startete sie unverblümt und sah mich auffordernd an. Dabei fielen ihr ein paar Haarsträhnen in ihr Gesicht, durch einen leichten Windstoß. Energisch strich sie sich diese wieder hinter ein Ohr.
„Wir haben miteinander geredet, das ja. Aber ob wir uns wieder vertragen haben, weiß ich ehrlich gesagt nicht. Gefragt hat es keiner von uns. Wenigstens hat Leon sich das angehört, was ich ihm mitteilen wollte", erwiderte ich ein wenig ernüchternd und starrte auf Leons Rücken, der vor mir neben Harry war. Doch ganz so, als würde er meinen Blick bemerken, drehte mein Beschützer seinen Kopf gerade weit genug zur Seite, um mich aus dem Augenwinkel zu beobachten.
„Wenigstens habt ihr miteinander geredet, dass ist schon einmal ein Anfang. Und vertrau mir, wenn ich dir sage, dass ihr euch schon bald wieder versöhnen werdet. Ihr ward, seitdem ich euch das erste Mal zusammen gesehen habe, unzertrennlich. Von daher habe ich nicht die Befürchtung, dass Leon dir weiterhin aus dem Weg gehen wird", antwortete mir meine beste Freundin und sah mich aufmunternd an.
„Ich hoffe, dass du damit recht behälst", flüsterte ich so leise zu mir selbst, dass Hermine es nicht verstehen konnte.
Nach weiteren drei Stunden Fußmarsch erreichten wir eine kleine Lichtung in dem Wald und entschieden einstimmig, hier unser nächstes Lager aufzuschlagen. Während Harry und Ron begannen das Zelt aufzurichten, half Leon Hermine bei der Vorbereitung unseres Abendessens. Ich hingegen hatte mich dazu bereit erklärt, die Schutzzauber rund um unsere Schlafstätte zu ziehen. Kaum hatte ich den letzten Zauber ausgesprochen und mich auf den Weg zurück zu dem Zelt begeben, hörte ich, wie sich zwei Stimmen angeregt unterhielt. Auch wenn streiten das treffendere Wort gewesen wäre.
„...schon seit Tagen umher, ohne wirklichen Plan", vernahm ich Rons wütende Stimme und linste vorsichtig um die Ecke von dem Zelt zu der Rückseite.
„Es tut mir leid, wenn wir nicht innerhalb von einer Woche alle Horkruxe finden und zerstören konnten, Ron. Aber du vergisst, dass England und Schottland ein wenig größer sind als die Ländereien von Hogwarts", antwortete Harry ihm mit erzürnter Stimme und verschränkte verärgert die Arme vor seinem Brustkorb.
„Ich glaube es wäre besser, wenn Hermine nun das Medaillon bekommt, Ron", fuhr der dunkelhaarige Junge fort und hielt ihm auffordernd die Hand hin. Genervt holte der Rotschopf die Kette unter seiner Jacke hervor und gab sie seinem besten Freund. Kaum hatte er keinen Kontakt mehr zu dem dunklen Artefakt, bemerkte ich, wie sich seine Gesichtszüge ein wenig glätteten. Verwirrt runzelte ich meine Stirn darüber, während ich leise vor zu Hermine ging.
„Ist alles in Ordnung, Thalia?", riss mich die Stimme meiner besten Freundin aus den Gedanken. Etwas überrascht, schüttelte ich, als ich mich wieder fokussiert hatte, den Kopf.
„Erkläre ich dir nachher", flüsterte ich ihr lediglich zu, da in demselben Moment Schritte zu hören waren, die über trockenes Laub gingen. Zur gleicher Zeit, in der Harry und Ron erschienen, kehrte auch mein Beschützer mit Schüsseln und Besteck in den Händen aus dem Zelt zurück. Wortlos hielt Harry dem braunhaarigen Mädchen das verfluchte Medaillon hin, was sie lediglich mit einem leisen Seufzer entgegennahm und es sich über den Kopf streifte. Bei dieser Aktion schielte ich vorsichtig zu Leon und bemerkte, dass er dasselbe in meine Richtung unternahm. Trotz unserer Unstimmigkeit, waren wir beide einer Meinung, dass diese Kette uns noch mehr Ärger einbringen würde, als wir es jetzt ahnen konnten.
DU LIEST GERADE
Engel der Finsternis (II.Teil)
Fiksi PenggemarEs könnte für die Bewohner der Erde und vor allem Hogwarts nicht schlimmer laufen: ihr Schulleiter, Albus Dumbledore, ermordet durch einen ihrer Lehrer, Todesser werden immer häufiger im Zusammenhang mit schrecklichen Folgen gesichtet und der Dunkle...