5.Erfreuliches Geschenk

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Karton um Karton und Truhe um Truhe durchsuchten Ginny und ich nacheinander. Einen Aufrufzauber konnten wir nicht wirken, denn das würde ein riesiges Chaos hinterlassen. So mussten wir uns also per Hand durch die Unmenge an Gegenständen wühlen.
,,Hast du schon eine Tischdecke gefunden?", fragte ich Ginny, die am anderen Ende des Raumes gerade einen kleinen Schrank seufzend schloss.
,,Bis auf alte Kindersachen und Bücher nicht viel", meinte sie und wischte sich kurz mit dem Handrücken über die Stirn. Sie war erschöpft und mir ging es nicht anders.
,,Wollen wir kurz nach oben und ein bisschen was trinken?", fragte ich sie seufzend und erhielt von ihr ein zustimmendes Nicken. So machten wir uns mit Samira wieder in das Erdgeschoss auf geradewegs in die Küche.
Dort angekommen wurden wir schon von Leon und Ron erwartet, die uns etwas verwirrt musterten.
,,Wo kommt ihr denn her?", fragte Ron uns gerade heraus und neigte leicht seinen Kopf.
,,Mum hat uns damit beauftragt nach dem Zelt und den Tischdecken zu suchen, für Bill und Fleurs Hochzeit", antwortete ihm seine Schwester und goss Wasser aus einer Glaskaraffe in zwei Gläser und reichte mir eins davon. Dankbar nahm ich es entgegen und leerte es, ebenso wie Ginny innerhalb von wenigen Züge. Als ich das Glas schließlich wieder dem rothaarigem Mädchen reichte, bemerkte ich, wie Leon mir einen schmunzelnden Blick zuwarf. Doch ich erwiderte darauf nichts und dachte mir nur meinen Teil dazu.
,,Sag bloß nicht, dass Mum das alles in unserem Keller verstaut hat", rief Ron aus und sah seine Schwester leicht flehend an.
,,Dann sage ich halt nichts", kam es nur von ihr und konnte sich ein schmunzeln nicht verkneifen. Seufzend strich sich Ron durch das Gesicht und schloss kurz die Augen.
Dieser Anblick war schon irgendwie belustigend und ich konnte mir, ebenso wie Ginny nur schwer ein Lachen verkneifen.
,,Dann helfen wir euch. Das wird sicherlich schneller gehen, wenn wir vier danach suchen", schlug Leon vor und stieß sich von der hölzernen Anrichte ab und gesellte sich an meine Seite. Schwer atmend musterte Ron uns nacheinander, ehe auch er sich aufraffen konnte und auf uns zu kam.
,,Na dann wollen wir mal."

Die weiteren Stunden verbrachten wir vier, beobachtet von Samira, damit jedes Staubkorn in dem Keller der Weasleys um zu drehen. Schlussendlich, mit der Unterbrechung für das Mittagessen, fanden wir die ellenlangen Tischdecken, die im Lichtschein einen silbrigen, fliederfarbenen Touch besaßen. Mittlerweile saßen wir alle wieder am Esstisch der Weasleys und verdauten das üppige Abendessen, während lockere Gesprächsfetzen durch den Raum schwebten. Nach einer Weile verabschiedeten sich die Zwillinge in das Wohnzimmer und auch die anderen beiden Geschwister wollten ihnen folgen und sahen uns abwartend an. Doch ich blieb sitzen, denn ich hatte während der Suchaktion meine Entscheidung bezüglich Mr und Mrs Weasley getroffen. Mit einem leichten, kaum merklichen Kopfschütteln zeigte ich Ginny damit, dass ich, zumindest noch nicht mitkommen würde. Etwas überrascht sah sie zwischen mir und ihren Eltern hin und her, ehe sie sich nickend umdrehte und gemeinsam mit ihrem Bruder im Schlepptau, verließ sie die Küche. Leon blieb währenddessen neben mir sitzen und beobachte unsere Umgebung und die Weasleys mit klaren Blick.
Als die Eltern unserer Freunde dieses Szenario mitbekamen, blickten sie erst sich und dann uns ratlos an.
,,Thalia, Leon... ist alles in Ordnung?", fragte uns Mr Weasley als Erster und spielte leicht mit seinen Daumen. Auch seine Frau musterte uns mit einem besorgten Blick, was mich leicht nervös machte. Verunsichert sah ich meinen besten Freund an, ehe ich ihm zunickte und wir beide gemeinsam aufstanden.
,,Momentan ja. Aber es gibt da etwas, was wir mit ihnen beiden besprechen müssten, allein", antwortete ich ihm und nestelte am Saum meines T-Shirts vor Aufregung herum. Verwirrt blickte sich das Ehepaar an, bevor sich Mr Weasley von seinem Platz erhob.
,,In Ordnung, dann lasst uns nach draußen vor die Tür gehen."
,,Entschuldigen Sie, Mr Weasley, aber es wäre sicherer an einem anderen Ort darüber zu reden, der nicht im Freien liegt", mischte sich Leon in die Konversation ein und sah ihn dabei bittend an.
,,Wenn euch das so wichtig ist, dann können wir auch in meine Garage gehen. Sie steht draußen auf dem Gelände", stimmte der Familienvater ihm nach ein paar Sekunden des Zögerns zu. Stumm nickten Leon und ich ihm zu und folgten ihm und seiner Frau hinaus in den Garten. Sofort empfingen uns die letzten Sonnenstrahlen des Tages und eine leichte, angenehm warme Brise berührte meine Haut. Doch ich durfte mich davon jetzt nicht ablenken lassen und fokussierte meinen Blick stattdessen auf das kleine Holzhäuschen mit den kleinen Glasfenstern, welches ungefähr dreißig Meter vom Fuchsbau entfernt stand. Während ich den Schuppen betrachtete, hatte Mr Weasley in der Zeit die Tür dazu bereits aufgeschlossen und forderte uns mit einer einladenden Geste auf in das Innere zu treten. Kaum, dass ich die Türschwelle überquert hatte, wurde ich von einer Flut an Eindrücken erschlagen. Die Garage von Mr Weasley war bis unter die Decke gefüllt mit allerlei Gegenständen und Kisten mit verschiedenen Aufschriften. Nur allzu gern hätte ich mich noch länger umgesehen, doch hinter mir hörte ich, wie die Schuppentür in ihr Schloss fiel und bemerkte, wie eine kleine Lichtquelle entfacht wurde. Gemeinsam mit Leon drehte ich mich zu den beiden um und sah ihnen in die abwartenden Gesichter.
,,Mr und Mrs Weasley, wir müssen ihnen etwas sagen, was sich auf unseren Aufenthalt hier bezieht und warum Albus sie beide darum gebeten hat, uns aufzunehmen", begann ich zögernd und holte am Ende tief Luft. Mit einem letzten Blick auf Leons Mimik, begann ich mit meiner Erklärung. Ich erzählte ihnen die Wahrheit, dass wir aus Hellmir stammten, ich aus der Königsfamilie kam und von dem Pakt meiner Eltern mit IHM. Auch wie ich nach Hogwarts erzählte ich ihnen und als ich schließlich nach einer Weile mit meiner Erklärung fertig war, blickte ich in die erstaunten Gesichter des Paares. Jedoch verriet mir ihr Zögern mit einer Antwort auch, dass sie mir beziehungsweise uns noch nicht glaubten. Vorsichtig wandte ich mich zu Leon um und nickte ihn bittend an, was er verstand und beinahe zeitgleich mit mir seine Kräfte aus Hellmir unter Beweis stellte. Fröhlich tanzte eine kleine Flamme auf seiner Handfläche hin und her und schlängelte sich wie eine Schlange anmutig um sein Handgelenk. Währenddessen ließ ich das Seelenbuch vor mir über meinen Handflächen schweben und betrachtete es, so wie jedes Mal wenn ich es sah, fasziniert. Nach nur wenigen Sekunden ließen wir beide wieder unsere Kräfte erlöschen und blickten gespannt zu Mr und Mrs Weasleys. Beide waren ein wenig blass um die Nase und warfen sich und uns abwechselnd Blicke zu. Unruhig sah ich zu Leon und bemerkte, dass auch er ein wenig besorgt wirkte. Schließlich räusperte sich Mr Weasley sich und lenkte damit alle Aufmerksamkeit auf sich.
,,Ich...um ehrlich zu sein weiß ich gar nicht, was ich dazu sagen soll. Oder zu euch", begann er und seine Frau stimmte ihm nur nickend zu. Erleichtert, dass er wieder seine Stimme gefunden hatte, atmete ich tief aus und wählte meine nächsten Worte.
,,Wir wissen, dass dieses Wissen nur schwer zu verdauen ist. Harry, Ron, Hermine und Ginny haben am Anfang nicht anders reagiert. Aber wir, besonders ich bitte Sie beide, uns weiterhin so zu behandeln wie zuvor. Solange wir können, wollen wir die Illusion aufrecht erhalten. Von daher sind wir immer noch Leon und Thalia. Nicht mehr und nicht weniger."
Zögernd sah sich das Ehepaar in die Augen, bis sich Mrs das erste Mal wieder zu Wort meldete.
,,Wenn ihr das so wollt, dann wollen wir das auch versuchen. Es ist für uns nur so unwirklich. Wir haben jahrelang, eigentlich unser Leben lang Hellmir und seine Bewohner nur aus Geschichten gekannt."
,,Das verstehen Thalia und ich, doch es war Thalia wichtig nicht mehr Personen als nötig anlügen zu müssen. Zudem ist es förderlicher, wenn sie beide mehr von den Umständen wissen, damit wir sie beschützen können", mischte sich Leon ein und warf mir am Ende einen besorgten Blick zu.
,,Da muss ich dir zustimmen, Leon. Ich werde es im Hinterkopf haben, wenn ich mich die folgenden Tage mit Remus und Mad-Eye in Verbindung setze. Natürlich ohne ihnen die Wahrheit zu erzählen", beschwichtigte mich Mr Weasley am Ende und sah mich beruhigend an.
,,Ich mache mir nur Sorgen, wie es für euch dann nur weitergehen soll. Immerhin kennen wir diesen Mann nicht, der...dich und deine Familie bedroht. Es wird schwer werden, euch dort eine Hilfe zu sein", warf Mrs Weasley ein und tat sich schwer mich nun zu duzen, da sie die Wahrheit nun kannte.
,,Für den jetzigen Zeitpunkt reicht es vollkommen aus, wenn Sie uns helfen unterzutauchen. Das würde nicht jeder machen, wenn er von den Konsequenzen wüsste", antwortete ich ihr und lächelte sie beruhigend an. Ein kurzer Blick aus einem der kleinen Fenster brachte Mr Weasley schließlich dazu, sich abermals zu räuspern und zur Tür zu schreiten. Mittlerweile war es draußen dunkel geworden und nur ein paar Mondstrahlen erhellten den angrenzenden Garten.
,,Ich glaube es wäre für uns alle zum Vorteil, wenn wir wieder in das Haus gehen würden. Es war ein langer Tag und unsere Kinder, zumindest die Zwillinge werden sich schon fragen, wo wir stecken", meinte der Familienvater und öffnete uns allen die Schuppentür. Ich nickte ihm zustimmend zu und verließ nach Mrs Weasley und Leon mit Samira den Schuppen, den Mr Weasley sogleich wieder abschloss. Mit schnellen Schritten eilte er wieder an die Seite seiner Frau und unterhielt sich leise mit ihr. Leon und ich hingegen folgten ihnen eher gemächlich und schwiegen. Und ich hatte auch eine Vermutung, warum mein bester Freund still blieb. Er wusste, dass mich eine Sache sehr beschäftigte, schon seit wir den Jungs und Ginny von unserer wahren Herkunft erzählt hatten. Seufzend hob ich meinen Blick gen Himmel und betrachtete besorgt den abnehmenden Mond. In wenigen Tagen würde es wieder Neumond sein, der erste außerhalb von Hogwarts schützenden Mauern. Vorsichtig griff ich nach der Kette um meinen Hals und fuhr sanft über die filigraneren Muster und den klaren Kristall auf der Vorderseite. Ich hatte es nicht über meine Lippen bringen können ihnen von meiner Verfluchung zu erzählen. Zu groß war meine Angst, dass sie mich als das sahen, was ich eigentlich war. Ein dunkler Engel...ein Monster.

Nachdem wir vier mit Samira wieder den Fuchsbau betreten hatten, sah ich nur noch im Augenwinkel, wie Mr und Mrs Weasley in das Wohnzimmer zu ihren Kindern gingen. Ich hingegen stieg, gefolgt von Samira und Leon die Holztreppe nach oben in das Zimmer von Ginny und betrat es. Mit zügigen Schritten ging ich an das anderer Ende des Raumes und griff in meine verzauberte Tasche. Nach einigen Sekunden des Suchen wurde ich schließlich fündig und zog den kleinen schwarzen Beutel heraus, den mir Professor McGonagall kurz vor ihrer Abreise übergeben hatte. Ohne das Stückchen Stoff und seinen Inhalt aus den Augen zu lassen, setzte ich mich auf meine Schlafstätte und wog es leicht in meinen Händen hin und her. Nach einer Weile bemerkte ich, dass sich Leon zu meiner rechten Seite niedergelassen hatte, gemeinsam mit Samira.
Kurz blickte ich zu meinem besten Freund und Beschützer, der meinen Blick erwiderte und dann wieder zu dem Beutel blickte. Neugierig, aber auch nervös fing ich an den Knoten zu lösen und den Inhalt vorsichtig heraus zu holen. Ich hatte recht, dass sich Phiolen im Inneren des Säckchens befanden, sowie ein Stück Pergament. Es war versehen mit meinem Vornamen. Aufgeregt fing ich an es zu entfalten und begann, die geschriebenen Zeilen zu lesen.
Thalia,
wenn du diese Zeilen liest, wirst du bereits mit deinen Beschützern im Fuchsbau bei den Weasleys sein und ich werde tot sein. Ich wollte nie, dass es zu diesem Weg kommt, dass du nun ohne den Schutz von Hogwarts Mauern auskommen musst. Jedoch hoffe ich, dass du mir, einem altem Mann, verzeihen kannst, dich in dieser Welt allein gelassen zu haben. Sicherlich hast du bereits die Phiolen in Augenschein genommen und über ihre Bedeutung gerätselt. Es ist ein abgefüllter Zaubertrank, von mir entwickelt, um deine Symptome des Fluches zu mindern. Er kann dich davon nicht erlösen, doch ähnelt er dem Wolfsbanntrank in sofern, dass er dein zweites Ich in Schach halten kann. In den Neumondnächten musst du jeweils eine Phiole vor Mondaufgang einnehmen. Du behältst die Kontrolle, selbst wenn deine Kette dich nicht schützen kann, jedoch wirst du immer noch die Gestalt eines Ater Angelus annehmen können, ohne deine Kette. Ich hoffe, dass ich dir damit auf deinem weiteren Weg helfen kann und hoffe, dass du bald einen Weg aus diesem Desaster findest. Anbei findest du die Brauanweisung, um ihn im Ernstfall nachbrauen zu können.
Ich wünschte, dass ich dir besser hätte helfen können.
Albus Dumbledore
Gerührt von diesen Worten blickte ich von Albus Schreiben auf und musterte ein paar der Phiolen, ehe ich weiter unten auf dem Pergament die angekündigte Anleitung fand. Ohne ein Wort zu verlieren, fiel ich Leon glücklich um den Hals und schickte Albus in Gedanken ein 'Danke', für seine Bemühungen. Vielleicht finden wir doch noch einen Ausweg aus unserer Situation.

Der nächste Tag verfiel im Vergleich zu dem davor gelassener und entspannter aus, was vielleicht auch meiner guten Laune zu zuschreiben war. Auch Ginny und Ron fiel diese Veränderung auf, doch antwortete ich ihnen nur auf ihre Fragen, dass ich mich einfach gut fühlte. So verstrich der Vormittag, der Mittag und auch die Hälfte des Nachmittags. Zusammen mit Ginny, Ron und ihren Eltern saßen wir gerade in dem Wohnzimmer und unterhielten uns über belanglose Dinge. Fred und George waren vor zwei Stunden wieder zu ihrer Wohnung oberhalb ihres Ladens aufgebrochen, um den Laden für die anstehende Woche vorzubereiten. Es wurde gelacht und Witze erzählt, als es plötzlich an der Tür klopfte. Überrascht von dem unangekündigten Besuch stand Mrs Weasley von ihrem Sessel auf und eilte schnellen Schrittes zur Eingangstür.
,,Komm herein, was ist denn passiert", ertönte die besorgte Stimme der Familienmutter und ein paar Sekunden später erschien sie wieder im Wohnzimmer, doch nicht allein. Ihr folgte eine bedrückt wirkende Hermine.

Engel der Finsternis (II.Teil)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt