25.Nächtliche Erklärung

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Leicht benommen schloss ich kurz meine Augen, um mich zu sammeln. Dabei spürte ich, dass der Druck um meine Schulter für eine Sekunde stärker würde.
„Geht es dir gut, Lia?", es war Leon, der mich dies fragte. Beruhigend drückte er mich mit meiner rechten Schulter an seine linke, wodurch ich mich ein wenig wohler fühlte. Aber leider nur ein Stückchen.
„Ich... weiß es nicht", murmelte ich mit leicht krächzender Stimme und fasste mir an meinen trockenen Hals. Augenblicklich war Harry in dem Vorraum verschwunden und kam mit einer der Wasserflaschen wieder, die wir dort aufbewahrten. Dankbar nickte ich ihm zu, als mir der schwarzhaarige Junge eine Geöffnete hinhielt und ich sie innerhalb weniger Züge zur Hälfte geleert hatte. Sofort spürte ich eine Linderung in meiner Kehle und räusperte mich kurz, um zu testen, ob meine Stimme wieder versagen würde. Als ich merkte, dass dem nicht so war, blickte ich auf und bemerkte die fragenden Blicke des goldenen Trios sowie meiner Beschützer.
„Thalia, hattest du wieder einen dieser Träume?", fragte mich Hermine vorsichtig und rutschte unruhig auf ihrem Platz hin und her.
„Wenn ich ehrlich bin, weiß ich es nicht", antwortete ich ihr verunsichert, als ich an den Traum zurückdachte. Sofort bildete sich auf meiner Haut eine unangenehme Gänsehaut und ein nicht unterdrückbares Schütteln, was durch meinen Körper ging.
„Wie du weißt es nicht? Du hast geschrien, als würde man dich foltern", erwiderte Ron verwirrt und handelte sich sofort einen Schlag auf seinen gesunden Arm ein.
„Ron! So etwas kannst du doch nicht einfach so locker sagen!", kam es entrüstet von meiner besten Freundin und wandte sich letztendlich wieder mir zu.
„Ich habe geschrien? Im Schlaf?", fragte ich verwirrt in die Runde und erhielt nach einigem Zögern ein einstimmiges Nicken von den anderen. Unwohl umschloss ich mein rechtes Handgelenk, zuckte jedoch durch den plötzlich stechenden Schmerz zusammen. Ohne das ich es verhindern konnte, entfuhr mir ein Zischen, besonders als ich den Ärmel meines Oberteils nach oben schob. Neben mir zog Leon erschrocken die Luft ein und entzog mir vorsichtig meine Hand.
„Woher hast du das, Lia?", fragte er mich beunruhigt und drehte mein Handgelenk leicht hin und her. Fassungslos starrte ich auf die feuerrote Haut, die aussah, als hätte ich mich an einem Kessel verbrannt oder mit heißen Wasser verbrüht. Denn so genau konnte man es nicht erkennen.
Ein erschrockenes Keuchen kam aus der Richtung meiner besten Freundin, ehe ich aus dem Augenwinkel wahrnahm, wie sie überstürzt aufsprang und mit ihrer Perlenhandtasche in den Händen zurück zu mir kam.
„Wieso hast du nicht gesagt, dass du Schmerzen hast?", wandte sie sich an mich und betrachtete kontaktlos meine verletzte Haut.
„Ich wusste nicht, dass ich Verletzungen habe", murmelte ich abwesend. So etwas war mir noch nie passiert, dass ich Verletzungen von meinen Träumen hatte.
„Die ganze Sache wird irgendwie immer unheimlicher, Leute. Ich meine, erst werden wir durch deine Schreie wach, dann wehrst du dich gegen uns und dann deine Haut. Da stimmt doch irgendwas nicht", meldete sich wieder Ron zu Wort und setzte sich auf Hermines Platz, was ihm sein bester Freund nachtat. Dabei ließ mich der dunkelhaarige Junge jedoch mit einem nachdenklichen Blick nicht aus den Augen.
„Langsam reicht es aber Ron! Lass Thalia-", begann meine beste Freundin ihre Schimpftirade, doch unterbrach ich sie schnell.
„Ist schon gut, Hermine. Ron hat recht, es ist seltsam. Das ist bisher noch nie passiert, weder die Verletzung noch die Art des Traumes", meinte ich mit verunsicherter Stimme und beobachtete sie, wie sie einige Phiolen und Binden aus der Tasche hervorzog. Neben mir spürte ich, wie Leon sein Gewicht auf dem Feldbett verlagerte und seine Schultern kurz zusammenzuckten.
„Was meinst du mit ‚Art des Traumes'?", meldete sich erstmals Harry zu Wort und sah mich neugierig an. Während ich nervös schluckte, begann Hermine damit meinen rechten Arm zu versorgen.
„Zunächst war alles wie bei den anderen Träumen. Ich stehe in einem vollkommend dunklen Raum und bin allein. Doch dieses Mal war es so düster, dass ich nicht einmal die Umrisse meiner Hand vor den Augen erkennen konnte. Dann ertönte immer wieder einmal ein seltsames Geräusch... autsch", begann ich, unterbrach mich jedoch kurz, als die Tinktur von Hermine zu wirken begann. Langsam verschwand die Röte und hinterließ einen leichten rosafarbenen Schimmer. Entschuldigend blickte mich meine beste Freundin an und trug vorsichtig eine grünliche Paste auf meinen Unterarm.
„Was denn für ein Geräusch?", fragte mich der Rotschopf verwirrt, während meiner Pause.
„Es ist schwer, zu beschreiben, denn es klang wie ein Luftstoß oder Rauschen von Wind mit dem Knistern vermischt, welches mich an ein Lagerfeuer erinnert hat. Jedenfalls habe ich in die Umgebung gerufen, doch hat sich meine Stimme seltsam verzerrt angehört. Warum kann ich euch nicht sagen", fuhr ich fort und reichte auf Hermines stille Aufforderung ihr meinen linken Arm. Leider sah auch dieser nicht besser aus und so begann sie auch diesen zu verarzten. Dabei achtete sie darauf mein Mal, welches vollkommen unbeschadet aussah vor den zwei Jungs zu verstecken.
„Und was ist dann passiert?", fragte mich Harry neugierig und konnte dabei seine Ungeduld auf meine Antwort kaum unterdrücken. Höchstwahrscheinlich, weil ich die einzige Person war, die neben ihm unter magischen Träumen litt.
„Gib ihr die Zeit die sie braucht", maßregelte ihn Leon mit einem angespannten Unterton in seiner Stimme. Gerade, als Harry protestieren und wieder seinen Mund öffnen wollte, schloss er ihn flink wieder. Bemüht unauffällig schielte ich zu Leon, der den grünäugigen Jungen mit einem drohenden Blick bedachte. Schnell räusperte ich mich, um diese Situation zu beenden.
„Es war nicht das einzige, was merkwürdig war. SEINE Stimme... war auch zu hören, zumindest denke ich das. Das, was ich hören und auch verstehen konnte, klang wie SEINE. Sie wurde immer lauter und lauter, bis ich die Stimme durch die Lautstärke in meinen Knochen spüren konnte. Ich konnte es nicht beenden... und von allein hörte ER nicht auf", fuhr ich fort und spürte, wie meine Stimme am Ende unkontrolliert zu zittern begann und mir eine Träne über die Wange floss.
„ER war überall und nirgendwo", schluchzte ich und konnte meine Gefühle nicht mehr zurückhalten. Auch wenn ich es nicht mochte, vor anderen zu weinen, so ließ mir die Erinnerung an diesen Traum mir keine Wahl und zwang mich dazu.
„Ich... ich konnte nichts unternehmen", mittlerweile bebten meine Worte und weitere Tränen fanden ihren Weg über meine Haut. Augenblicklich spürte ich, wie Leon seinen Arm um meine Schultern schlang und mich, so gut es wegen meinen Armen ging, an sich heranzog.
„Du bist nicht mehr da, Lia. Wir sind hier und beschützen dich. Vergiss das bitte nicht", meinte mein bester Freund mit beruhigender Stimme und lehnte seine Stirn an meinen Kopf, während er meine Schulter sanft tätschelte. Um meine Beine spürte ich, wie Samira sich unruhig an sie heran schmiegte und mich ein paar Mal anmaunzte. Auch Hermine versuchte mir, Halt zu geben und umklammerte meine Finger mit ihren Händen.
„Leon hat recht, Thalia. Wir sind für dich da und beschützen und helfen uns gegenseitig."
„Da stimme ich Harry zu."
Dankbar blickte ich zu den Jungs, nickte Hermine und Samira gerührt zu, während ich mich keinen Millimeter aus der Umarmung mit Leon löste. Es tat gut, ihn nach unserem Konflikt wieder an meiner Seite zu wissen. Eigentlich wollte ich den anderen in diesem Moment viel mehr sagen, doch mehr als ein ‚Danke' konnte meine Lippen nicht verlassen. Jedoch bemerkte ich an ihren lächelnden Gesichtern, dass sie es verstanden hatten, wie dankbar ich ihnen war.
„Ich will diesen schönen Augenblick ja nur ungern zerstören, aber-", begann Ron, unterbrach sich jedoch selbst, als sich mein Beschützer neben mir ein wenig aufbaute.
„Nein ist schon in Ordnung. Wirklich. Ich will, dass ihr es wisst", ging ich dazwischen und hielt Hermine meine Arme hin, die sie nun weiter versorgte.
„Die Lautstärke schraubte sich immer weiter in die Höhe, doch nach einer Weile brach sie urplötzlich ab. ER war wütend geworden und forderte jemanden oder etwas auf zu verschwinden. Zeitgleich erschien eine grelle Lichtkugel, die eine immer stärker werdende Hitze ausstrahlte. Dann hörte ich jemanden meinen Namen rufen und dann ging alles ganz schnell. Die Stimme war weg, dafür kam das Licht und die Kugel, bestehend aus Flammen auf mich zu. Ebenso das Geräusch von dem Anfang meines Traumes. Irgendwann brannte die Hitze so stark auf meiner Haut, dass es nicht mehr auszuhalten war. Dann bin ich benommen aufgewacht und habe durch den Schmerz und die Anspannung nur Schatten gesehen. Nicht euch als Person, nur eure dunklen Umrisse."
„Und dein Unterbewusstsein hat uns als Umbrae gesehen", schlussfolgerte Hermine aus meiner Erzählung und verband dabei meinen linken Arm. Der andere befand sich bereits wieder einbandagiert in meinem Schoß. Stumm nickte ich und blickte zu den anderen, die mich nachdenklich musterten.
„Ich habe versucht dich wach zu bekommen, als ich dich das erste Mal hab schreien hören. Wahrscheinlich hast du meine Stimme gehört. Die anderen sind dadurch auch wach geworden, aber als ich dich an deinen Schultern wachrütteln wollte, war deine Haut kochendheiß wie Feuer. Dann bist du wach geworden und hast uns apatisch angeguckt. Und den Rest kennen wir alle", meinte Leon nachdenklich und ließ mich dabei nicht eine Sekunde lang aus den Augen. Eine ganze Zeit lang blieb es im Schlafsaal still und jeder hing seinen Gedanken nach. Ich für meinen Teil musterte eingehend meine Unterarme, die bis zu den Ellenbogen von weißen Bandagen verdeckt waren und mir einen Teil meiner Bewegungsfreiheit nahmen. Doch halfen die Tinktur und die Salbe von Hermine, denn der brennende Schmerz war beinahe verschwunden und die Haut fühlte sich nicht mehr so warm an.
„Was ich mich nur frage", begann meine beste Freundin und erhielt damit unsere ungeteilte Aufmerksamkeit.
„Was war das nur für ein Geräusch, welches du gehört hattest? Anscheinend muss seine Quelle... IHN aus dem Konzept gebracht haben und an dem gehindert haben, was ER heute Nacht vorhatte."
„Hast du eine Idee, was es gewesen sein könnte? Immerhin hast du es mitbekommen", wandte sich Harry an mich. Dabei huschte sein Blick nervös zwischen mir und Leon hin und her. Kurz dachte ich, wenn auch mit Widerwillen an den Traum zurück. Doch letztendlich viel mir nichts ein, so dass ich nur mit dem Kopf schütteln konnte.
„Nein tut mir leid. Alles, was ich mitbekommen habe, wisst ihr", entgegnete ich und musste am Ende ein Gähnen unterdrücken.
„Ich würde sagen, dass wir uns alle wieder hinlegen sollten. Es war ein anstrengender Tag, von der Nacht bisher ganz zu schweigen", hörte ich neben mir Leon dies sagen, während ich in die Gesichter der anderen blickte. Alle drei sahen sich kurz an, ehe sie ihm zustimmend zu nickten.
„Na dann, gute Nacht euch allen", verabschiedete sich Ron als Erster, ging zu seinem Bett und noch ehe sein Kopf das Kissen berührte, hörte ich aus seiner Richtung ein leises Schnarchen. Lachend blickten wir anderen uns noch kurz an, ehe auch Harry und Hermine zu ihren Betten gingen und einschliefen. Nun saßen wir stumm mit Leon auf einem Bett, während Samira uns unter meinem Feldbett mit neugierigen Augen her beobachtete. Auch, wenn er vorhin ganz der alte Leon war, wie vor unserem Streit, fühlte es sich nun wieder seltsam an.
„Ich werde dann auch schlafen gehen", riss mich mein bester Freund aus meinen Gedanken und stand auf, um unnötigerweise seinen Rucksack umzustellen.
„Leon?", begann ich zögerlich und auch ein wenig nervös. Fragend sah mein Beschützer mich an, als er sich zu mir umwandte.
„Ich... habe Angst nach diesem Traum. Und... könntest du bei mir bleiben?", fragte ich ihn mit leiser Stimme und wartete seine Antwort ab. Die Sekunden, die bis dahin vergingen, fühlten sich wie Minuten an und machten mich nur nervöser.
„Natürlich, Lia", kam es sanft von meinem besten Freund. Als ich zu ihm hochblickte, bemerkte ich, wie Leon mich warmherzig anlächelte. In diesem Moment spürte ich, wie mir ein Stein vom Herzen fiel und ich schenkte ihm dafür ein dankbares Lächeln. Auf meine Arme bedacht, stand ich vorsichtig auf und legte mich in mein Bett. Währenddessen stellte Leon sein Nachtlager direkt an meines, sodass dazwischen nicht einmal Platz war für ein Blatt Papier. Als mein bester Freund neben mir auf seinem Platz lag, löschte ich vorsichtig die Lampe neben meinem Bett, die Hermine oder einer der Jungs zuvor entzündet haben musste. Sofort legte sich die Dunkelheit über uns und ich drehte mich in die Richtung, in der Leon lag.
„Du brauchst keine Angst zu haben. Samira und ich sind bei dir und beschützen dich."
Wie zur Bestätigung spürte ich, wie meine leichtfüßige Beschützerin auf meinen Schlafplatz gesprungen war, über mich hinüber kletterte und sich zwischen uns beide legte.
„Danke. Für einfach alles", flüsterte ich ihm zu und, noch ehe ich es bemerken konnte, schlief ich unter dem gleichmäßigen Schnurren Samiras ein.

Engel der Finsternis (II.Teil)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt