38.Überraschende Rückkehr

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Kaum hatten wir uns einen Schritt nach vorn bewegt, so zog uns das Schicksal wieder zwei zurück. Die Sache mit dem zerbrochenen Zauberstab belastete Harry mehr, als er uns gegenüber geäußert hatte. Seit heute Morgen isolierte er sich nur von uns und verbrachte die meiste Zeit draußen vor dem Zelt.
„Wie lange denkst du wird es dauern?", riss mich Leons Stimme aus meinen Gedanken. Etwas verwundert hob ich meinen Blick von Samira vor mir und unterbrach das Kraulen von ihrem Kopf.
„Was meinst du? Samira oder Harry?", fragte ich ihn und stand von der Seite meiner Beschützerin auf. Nur um mich an den Tisch zu meinem besten Freund zu setzen.
„Beides. Aber in erster Linie meinte ich Harry", antwortete mir Leon und verschränkte seine Hände in einander. Aus abwartenden blauen Augen beobachtete er mich, doch huschte seine Aufmerksamkeit auch zu Samira herüber. Seitdem wir aus Godrics Hollow geflohen waren, hatte sich meine Beschützerin nicht wieder zurückverwandelt. Geschweige denn war sie wach gewesen.
„Ich weiß es nicht. Für uns wäre es vergleichbar, als könnten wir unsere Magie nicht mehr ausüben", erwiderte ich schulterzuckend und blickte zu dem Zelteingang. Irgendwo da draußen vor dem Zelt saß Harry allein. Doch er wollte im Moment in Ruhe gelassen werden, und das mussten wir akzeptieren.
„Wir müssen ihm einfach Zeit geben", flüsterte ich leise und blickte dabei meinen Beschützer an. Verstehend, wenn aber auch widerwillig nickte dieser. Ihm gefiel es nicht, wenn er nicht eingreifen konnte. Und ich konnte das gut nachvollziehen, aber auch, dass Harry erst einmal damit zurechtkommen musste.
Lange saßen wir nicht mehr an dem Tisch, sondern entschieden uns in den Schlafsaal zu gehen. Hermine hatte sich recht zeitig von uns verabschiedet und schlief bereits tief und fest. Als ich mich umgezogen hatte und unter meine Decke krabbelte, war es ein komisches Gefühl, ohne Samira in meiner direkten Nähe einzuschlafen. Doch nach einigem Hin und Her wälzen, gelang es mir schließlich, in einen traumlosen Schlaf hinabzugleiten.

Als ich am nächsten Morgen wach wurde, war es noch recht zeitig, denn das Zelt war nur schwach erhellt. Doch weiterschlafen konnte ich auch nicht mehr, weshalb ich mich dazu entschied aufzustehen.
Nachdem ich meine morgendliche Routine durchgeführt und meine Schlafsachen gegen einen Pullover und eine Stoffhose getauscht hatte, ging ich in den großen Hauptraum. Dort lag wie am Tag zuvor schon Samira immer noch verwandelt und bandagiert auf der Decke.
„Meine Samira", murmelte ich leise und ging zu ihr. Nachdem ich mich zu ihr herunter gekniet hatte, strich ich ihr behutsam durch das Fell. Auch, wenn sie immer noch bewusstlos war, so musste sie unterschwellig meine Berührung bemerkt haben. Ein tiefer Atemzug war zu hören und ein kurzes brummendes Geräusch kam aus ihrer Kehle.
„Sie wird schon wieder gesund werden", hörte ich mit einem Mal Hermines leise Stimme hinter mir. Ich hatte sie gar nicht kommen hören, weshalb ich leicht zusammenzuckte.
„Ich hoffe es", erwiderte ich und kraulte sie hinter dem Ohr. Dumpfe Schritten ertönten und kurz darauf erschien ein verschlafener Leon am Eingang zum Schlafraum.
„Morgen", murmelte er mit belegter Stimme und fuhr sich durch sein noch verwuscheltes Haar. Einstimmig erwiderten wir seine Begrüßung und sahen weiterhin zu ihm.
„Sagt mal, ist Harry etwa schon wieder draußen?"
Verwirrt blickte ich erst zu Hermine und dann wieder zu ihm.
„Ist er denn nicht mit euch wieder rein gekommen?", fragte meine beste Freundin überrascht und legte leicht den Kopf schief.
„Nein. Ich dachte, dass er schon nach kommen würde. Die Sache mit dem Zauberstab schien ihn ziemlich belastet zu haben", meinte ich und erhob mich von dem Boden. Überfordert sahen wir uns der Reihe nach an. Nichts war in diesem Moment zu hören, außer den tiefen Atemzügen Samiras. Gerade als Hermine ansetzen wollte, etwas zu sagen, durchbrachen Schritte die unheimliche Stille.
„Hermine?", hörten wir eine Stimme rufen und bemerkten dann beinahe gleichzeitig, dass es Harry war.
„Leon, Thalia?", rief er dieses Mal unsere Namen. Ohne etwas zu erwidern, stürmten wir drei aus dem Zelt hinaus in die eisige Kälte. Ein wenig orientierungslos sah ich mich in der winterlichen Landschaft um, bis ich Harrys Gestalt wahrnahm. Klamm hingen seine Sachen an ihm herab, während er schnell auf uns zu kam. Doch war er nicht allein gekommen.
Wie vom Donner gerührt, blieben wir augenblicklich stehen und sahen zu den beiden Gestalten. Unsicher schielte ich herüber zu Hermine, deren Gesicht vollkommend ausdruckslos war. Lediglich ihre sonst so warmen Augen versprühten eine Kälte, ähnlich wie die hier draußen vor dem Zelt.
„Hey", begrüßte uns Ron mit einem nervösen Lächeln. Unsicher sah er jeden von uns an, bis sein Blick an meiner besten Freundin hängen blieb. Mit großen Schritten ging sie auf den Rotschopf zu und ich dachte, dass sie ihn in die Arme schließen würde. Doch stattdessen schnappte sie sich seinen Rucksack, den er in der linken Hand hielt.
„Du bist ... so ein ... Arsch Ronald Weasley!", rief Hermine wütend aus. Bei jeder Pause ließ sie den Rucksack auf den Jungen schlagen, sodass dieser erschrocken zurückwich. Auch ich betrachtete diese Szenerie mit großen Augen, da ich nie gedacht hätte, dass Hermine so ausrasten könnte. Unsicher blickte ich zu Leon, der denselben erschrockenen Blick aufwies wie ich.
„Seit Wochen bist du verschwunden. Und jetzt tauchst du einfach so wieder auf. Und sagst einfach nur ‚Hey'?"
Da Hermine mit dem Rücken zu uns stand, konnte ich ihren Gesichtsausdruck nicht erkennen. Doch zeigten die Schultern, wie verletzt sie war, da sie augenblicklich nach unten gingen. Aber anders als erwartet begann sie nicht weiter mit Ron zu reden, sondern drehte sich mit einer raschen Bewegung um. So energisch, dass selbst Leon und ich kurz zusammenzuckten.
„Wo ist mein Zauberstab Harry? Wo hast du ihn?", wandte sie sich nun an den dunkelhaarigen Jungen. Nun war er es, der verängstigt zurückwich.
„Wieso hat er deinen Zauberstab?", fragte Ron verwirrt und erhielt einen säuerlichen Blick von meiner besten Freundin.
„Das geht dich nichts an, warum er meinen Zauberstab hat", meinte sie trocken. Dabei war ihr Gesicht jedoch nicht auf das Gesicht von dem Rotschopf gerichtet, sondern viel mehr auf das, was er in seiner Hand hielt.
„Was hast du da?", fragte sie ihn auffordernd und deutete auf seine rechte Hand. Neugierig blickte ich nun genauer hin und riss überrascht die Augen auf. Ich glaube, nach dem heutigen Tag werden meine Augen ein gutes Stück größer sein, wenn dies so weiter geht, dachte ich mir nur.
Triumphierend grinste Ron Hermine an und hob ein zerstörtes Medaillon in die Höhe.
„Du hast es zerstört ... und wie hast du das Schwert von Godric Gryffindor bekommen?"
„Das ist eine lange Geschichte", erwiderte Ron zaghaft lächelnd und hob das silberne Schwert hoch. Selbst mit dem schwachen Tageslicht schimmerten die Rubine am Heft unglaublich stark. Auch, wenn es unmöglich war, so ging von diesem Relikt eine ungeheure magische Energie aus.
„Glaube bloß nicht, das dies irgendetwas ändern würde", meinte Hermine kühl und wandte sich bereits zum Zelt wieder um.
„Natürlich nicht. Warum sollte es das auch? Ich habe ja bloß einen verfluchten Horkrux zerstört!", erwiderte Ron sarkastisch und bewirkte damit, dass wir alle zu ihm blickten. Auch Hermine wandte sich wieder um und verschränkte die Arme vor ihrem Brustkorb.
„Bitte glaubt mir, ich wollte so gleich wieder umkehren, als ich euch ... verlassen habe. Doch ich wusste nicht wie."
„Wie hast du Harry überhaupt gefunden?", mischte sich Leon in das Gespräch ein. Abwartend blickte er unseren Freund an, seine Mimik war dabei ausdruckslos und auch leicht einschüchternd.
„Mit dem hier", meinte Ron mit einem unsicheren Blick und holte aus seiner Jackentasche einen kleinen Gegenstand heraus. Es war der Deluminator, dem ihn Albus vermacht hatte.
„Ich weiß nicht, wie es genau funktioniert hat. Aber am Weihnachtsmorgen, als ich ihn einem kleinen Wirtshaus mich vor ein paar Greifern versteckte, hörte ich es."
„Es?", fragte Harry verwirrt und blickte zu seinem besten Freund.
„Eine Stimme, deine Hermine, um genau zu sein", meinte Ron und sah unsicher zu meiner besten Freundin herüber.
„Ach ja ... und was genau soll ich gesagt haben?", fragte sie ihn herausfordernd. Doch hörte ich ein leichtes Brechen in ihrer Stimme. Ron nach so langer Zeit wiederzusehen war schwer für sie.
„Meinen Namen, nur meinen Namen. Es war mehr ein Flüstern, was aus dem Deluminator kam. Also öffnete ich ihn und eine kleine Lichtkugel kam heraus und schwebte vor mir in der Luft. Und dann flog sie auf mich zu und durch mich hindurch. Genau hier", erzählte Ron und deutete dabei auf seine Brust. An der Stelle, wo sein Herz war.
„Und da spürte ich dieses vertraute Gefühl. Ich wusste, dass es mich zurückbringen würde. Zu euch zurück. Also disapparierte ich und kam irgendwo auf einer Anhöhe hier heraus. In der Hoffnung, dass sich einer von euch zeigen würde. Und das hat Harry am Ende."
Als Ron geendet hatte, blieben wir alle still. Unsicher schielte ich zwischen dem Rotschopf und Hermine hin und her, darauf gespannt, was als Nächstes geschehen würde. Doch anstatt irgendetwas zu erwidern, drehte sich Hermine mit einem ergebenen Seufzen um und stapfte zurück zum Zelt. Es vergingen ein paar Sekunden der Stille, bis auch wir vier zurück in unser Lager gingen. Hinter mir hörte ich, wie Harry und Ron mit einander leise redeten.
„Wo ward ihr eigentlich die ganze Zeit und was ist eigentlich passiert, dass du deinen Zauberstab nicht mehr hast?", fragte Ron seinen besten Freund. Gerade als wir den Zelteingang durchquerten und in das Innere gelangten.
„Godrics Hollow ist passiert", meinte Harry lediglich. Anhand des scharrenden Geräuschs wusste ich, dass die beiden Jungs stehen geblieben waren. Leon und ich hingegen gingen zu Samira und setzten uns auf den Boden.
„Wie ist das denn passiert?", hörte ich Ron entsetzt rufen. Mit einem Blick nach hinten, bemerkte ich auch, wie seine Augen ungläubig auf den vergleichsweise riesigen Körper geheftet waren. Immerhin sah er sie nicht jeden Tag verwandelt, mit einem riesigen Verband um den Brustkorb. Ein leises kaum hörbares Schnauben kam aus einer hinteren Ecke des Zeltes, wo ich Hermine entdeckte. Doch anscheinend hatte nur ich sie gehört, da keiner von den drei Jungs reagierte. Was wahrscheinlich auch gerade besser war.
Wenig später, als sich Harry und Ron an den Tisch gesetzt und Hermine sich zu uns auf den Boden gesellt hatte, begann Harry Ron alles zu erzählen, was bisher geschehen war. Von unserer Reise, dem Plateau, unserem Training, die Trauerfeier und schlussendlich der Besuch in Godrics Hollow. Lediglich eine Sache ließ er außen vor, auch wenn sich Harry beinahe verplappert hatte. Und ich war ihm dankbar dafür, denn Ron reagierte sehr impulsiv, wenn es um Geheimnisse ging. Was ich schon oft mitbekommen hatte. Ich müsste einfach einen guten Zeitpunkt die nächsten Tage abpassen, um ihn von meinem verfluchten Ich zu erzählen. Es war nur fair ihm gegenüber, da er der Einzige war, der es nicht wusste.
Jedoch war Harry nicht der Einzige, der etwas Neues erzählte, zumindest für Ron. Nicht nur, dass beide von einem Patronus in Form einer Hirschkuh an den See geleitet wurden, wo das Schwert sich befand, hatte der Rotschopf einen wichtigen Hinweis für uns. Vor einer Weile hatte er ein Gespräch zwischen Todessern und Greifern mitbekommen. In diesem ging es um das schnelle Versammeln der Anhänger an bestimmten Orten. Seit die dunklen Magier im Ministerium für Hexerei und Zauberei agierten, hatten sie den Namen von Man-weiß-schon-wem mit einem Bann belegt. Jedes Mal, wenn er ausgesprochen wurde, konnten Todesser und Greifer den Ort bestimmen und dorthin apparieren. Genau deswegen konnten die Todesser die Hochzeit stürmen, da niemand dies ahnen konnte. Nun mussten wir also auch noch auf unsere Worte achten, wenn wir in unserer Runde waren. Denn selbst Schutzwalle wie unsere hielten den Zauber nicht auf.
Hellmir, wann soll das alles nur enden?

Engel der Finsternis (II.Teil)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt