10 - Romeo und Julian

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Das Flugzeug setzte zum Landen an und für einen Moment hatte ich Angst die Panikattacke würde zurückkehren. Meine Finger krallten sich in Fufus Hand, so dass er kurz zusammenzuckte. „Sorry...", murmelte ich beiläufig. Er schüttelte nur den Kopf, es musste mir nicht leidtun, er wusste was los war. Um meiner Angst zu entgehen, fokussierte ich wieder die Kaugummischachtel, komischerweise half es. Mein Atem, welcher zuvor deutlich schneller ging, kam wieder zu Ruhe und ehe ich mich versah, war die Maschine gelandet. Fufu zog seine Hand wieder zu sich und sofort spürte ich, wie die Einsamkeit über mich kam. Wir beeilten uns auszusteigen, die Koffer zu holen und schließlich zu dem Parkplatz zu gehen, wo wir abgeholt werden sollten. Die anderen hatten uns alleine gelassen. „Überlassen wir Romeo seinem Julian", hatte Patex uns spöttisch nachgerufen, als er mit Timit und Jessy verschwand. Uns war es Recht. Mir, weil ich so keine Angst haben musste Opfer von homophobischem Gerede zu werden und Fufu, weil ihm so niemand unnötig auf die Nerven ging. Gemeinsam liefen wir los und ab und zu streiften sich unsere Hände, was jedes Mal Herzrasen zur Folge hatte. Ich hatte Angst zu ihm zu schauen und hielt deshalb meinen Blick auf den Boden gerichtet. Irgendwann überkamen mich meine Gedanken. Wie konnte es sein, dass Fufu und ich uns in der Flughafenhalle küssten und niemand der Masse an Personen um uns, einen auch nur ansatzweise homophobischen Blick in unsere Richtung abgab, aber unsere besten Freunde, die uns eigentlich kannten und liebhatten, so fiese Bemerkungen über etwas machten, was in meinen Augen überhaupt nicht schlimm, sogar normal war? Mittlerweile war mir die Lust auf die kommenden zwei Wochen vergangen. Ein einziger Lichtblick war Fufu, je mehr Zeit ich allerdings mit ihm verbrachte, umso größer wurde die Wahrscheinlichkeit, dass wir wieder Opfer von solchen Angriffen wie im Flugzeug wurden. Ich wollte mir gar nicht vorstellen, was passiert wäre, wenn Fufu uns nicht so selbstbewusst verteidigt hätte...wäre ich alleine gewesen, hätte ich wahrscheinlich angefangen zu weinen, aber das wollte ich diesen Idioten auf keinen Fall gönnen. Über die ganze Aufregung hatte ich ganz vergessen, was Fufu gesagt hatte. ‚Ja, ich bin schwul' hallte es jetzt in meinem Kopf. Immer und immer wieder spukten diese Wörter durch mein Gehirn. Er stand auf Männer, also hatte ich vielleicht eine Chance? Momentan war ich nicht einmal sicher, ob ich diese Chance überhaupt wollte. Ja, ich empfand etwas für ihn, etwas was wahrscheinlich nicht mehr in die Kategorie Freundschaft eingeordnet werden durfte...aber war dieses ‚etwas' es wert, dafür die Freundschaft aufs Spiel zu setzen? War dieses ‚etwas' es wert meinen besten Freund zu verlieren? Noch nie hatte ich mir so sehr gewünscht in die Zukunft schauen zu können. Ich war so sehr in meine Gedanken vertieft, dass ich gar nicht merkte wie Fufu stehen blieb. Mit vollem Tempo lief ich als in ihn rein, glücklicherweise hatte er wohl damit gerechnet und schon griffen seine Arme nach mir. Erschrocken schrie ich auf, ich war weit weg gewesen und musste es erstmal verkraften plötzlich wieder hier zu sein. Fufu lachte. Aber da war noch ein Lachen. Neugierig wem es gehörte drehte ich mich um und sah in die grinsenden Gesichter von Gnu und Pozyh. Sofort hatte ich mich aus Fufus Armen gelöst und umarmte die beiden stürmisch. Ich glaube ich war noch nie glücklicher die Beiden zu sehen. In dem Moment wusste ich einfach, dass sie mich, uns, akzeptieren würden, falls aus Fufu und mir jemals mehr als Freundschaft werden würde. Überrascht von meiner übertriebenen Dosis von Liebe, umarmten sie mich trotzdem fröhlich zurück. Plötzlich hörten wir ein fieses Lachen hinter uns. „Ihr wisst, dass ihr grade nen Schwuchtel umarmt, oder? Braucht ihr vielleicht Desinfektionsmittel, nicht dass ihr euch ansteckt." Verwirrt schauten die Beiden zwischen Patex und mir hin und her, doch bevor irgendwer irgendwas erklären konnte, kam ein Auto und unsere Fahrt in die Berge begann.

and in the end its always you...Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt