Kapitel 35 - Eine Familie

422 5 197
                                    

Kylo

Dameron hatte keinesfalls übertrieben, als er meinte sie würden mich in den tiefsten Bunker bringen, den diese Basis zu bieten hatte. Diese Zelle war mit Abstand der dunkelste Raum, in dem ich jemals hausen musste. Nur ein winziges, vergittertes Fenster an einer Seitenwand spendete ab und zu ein wenig Tageslicht.
Der Widerstand schien wenig Erfahrung mit Gefangenen zu haben, davon zeugten sowohl die benachbarten, leerstehenden Zellen, als auch ihr Umgang mit mir. Manche konnten ihre Nervosität und Anspannung besser verstecken, andere wiederum zitterten fast ununterbrochen in meiner Gegenwart. Niemand wusste wie viele Wachen vor meiner Tür platziert werden sollten oder ob ich die Handschellen weiterhin tragen sollte. Am liebsten hätte ich diesen Schwachmaten eine ordentliche Lektion erteilt, aber dann hätte Rey wahrscheinlich nie wieder ein Wort mit mir gewechselt. Unsere Beziehung stand schon auf dünnem Eis, da musste ich es nicht noch schlimmer machen. So blieb mir nichts anderes übrig, als einen günstigen Moment abzuwarten. Bedauerlicherweise stellte sich bald heraus, dass die Widerstandskämpfer ihre Pflicht, im Gegensatz zu Sturmtrupplern, ernst nahmen. Sie wechselten sich stündlich ab und mindestens fünf von ihnen waren immer vor meiner Zelle postiert. Selbst wenn ich mir meinen Weg freigekämpft hätte, bis zu Rey wäre ich niemals vorgedrungen.
Stunden um Stunden brachte ich so zu, bis ich irgendwann jegliches Zeitgefühl verloren hatte und meine Nerven blank lagen.
"Hey, Ihr da! Wo bleibt Mister Superpilot Dameron?" rief ich in Richtung der Tür und stemmte mich vom eiskalten Steinboden hoch. Der General könnte mein Eintrittsticket zu meiner Freundin sein, vorausgesetzt ich würde in seinem Kopf zur Abwechslung mal irgendwelche sinnvollen Informationen finden. Es war nicht der beste Weg, aber es war momentan die einzige, mir bleibende Option.
"Pass auf was du sagst, Ren! Dieses Mal bist du der Gefangene!" ertönte die Stimme von FN-2187 auf der anderen Seite. Er hatte seinen Platz kein einziges Mal in den letzten Stunden verlassen, egal wie sehr er gedrängt wurde eine Pause zu machen. Er wollte wahrscheinlich sichergehen, dass keine Möglichkeit ausgelassen wurde, um mir das Leben zur Hölle zur machen.

Dieses Mal bist du der Gefangene.

Ich wusste genau, was er damit sagen wollte. Es war das erste Mal, dass er sich mir überlegen fühlte, nach den ganzen Jahren als Sturmtruppler. Ich war derjenige, der in Handschellen gelegt, in einer dreckigen Kammer saß. Und das schien er offensichtlich zu genießen.
Ich fragte mich, was er gefühlt hatte, als er die Erste Ordnung verließ. Schließlich war seine Flucht noch sehr viel gewagter gewesen, als meine. Sein Glück war nur, dass Snoke niemals seine Zeit damit verschwendet hätte, entlaufenen Sturmtrupplern hinterher zu jagen.
"Oh, bist du dir da so sicher?" entgegnete ich und erreichte damit genau das, was ich wollte. Er war wütend und abgelenkt, als er sich zu mir umdrehte. Nicht das es eine ernsthafte Rolle gespielt hätte. Wieso war mir diese Idee erst jetzt gekommen? Ich brauchte Dameron nicht, solange seine Lakaien vor mir herum spazierten.
"Ich habe hier das Sagen, Ren! Und wenn du glaubst, dass-" Er verzog das Gesicht, als ich gewaltsam in seine Gedanken eindrang. Sein Geist öffnete sich mir sofort und ein riesiger Strom aus Erinnerungen und Emotionen prasselte auf mich ein. Angefangen bei seiner Entführung durch die Erste Ordnung, seiner Ausbildung, seinem ersten und letzten Einsatz auf Jakku.
"Raus aus meinem Kopf!" schrie mein Opfer laut, die anderen Widerstandskämpfer verfielen in Panik. Mehrere Waffenläufe wurden auf mich gerichtet, doch ich schleuderte sie nach hinten, ehe auch nur ein einziger Schuss abgegeben werden konnte. Währenddessen drang ich unbarmherzig weiter vor. Und endlich fand ich sie: Rey. Meine Rey. Ihr erstes Treffen, die gemeinsame Flucht, ihre Begegnung mit Han Solo. Der Verräter war fasziniert von der starken Schrottsammlerin. Er bewunderte und sorgte sich so sehr um sie, dass man glauben könnte, er würde sie lieben. Stimmte es? Liebte er sie?
Wütend verfestigte ich meinen telepathischen Griff um seinen Geist und musste meine ganze Kraft aufbringen, um ihn nicht auf der Stelle kalt zu machen. Mein Wut verflog so schnell wie sie gekommen war, als ich ein Mädchen namens Rose in seinen Gedanken fand. Eine Mechanikerin des Widerstandes, nur ein Glied in der Kette, nichts besonderes. Doch für FN-2187 war sie genau das: Jemand besonderes. Eine zurückgelassene Schwester, eine waghalsige Kämpferin, eine liebenswerte Freundin. Keine normale Freundin, sondern die Frau mit welcher er alt werden wollte. Er liebte Rey nicht auf dieselbe Weise, wie ich es tat. Ihr Verhältnis war rein freundschaftlich. Und wie jeder Freund hatte er sich Sorgen gemacht, als Rey in seinen Armen zusammengebrochen war. Er hatte schon länger Veränderungen an ihr festgestellt. Sie aß weniger, wirkte in sich gekehrt und verschlossen. Sie trainierte nicht, sie fehlte bei jedem Meeting. Rey zog sich immer mehr vor den anderen zurück.
Ich spürte, dass ich meinem Ziel immer näher kam. Gleich würde ich den Grund für all das herausfinden und wissen, ob es Rey gut ging. Noch einmal bündelte ich meine Kräfte, doch ein Betäubungsschuss hielt mich davon ab weiter nachzuforschen. Ächzend hielt ich mir meine Seite und sank zu Boden, bevor alles schwarz wurde.

His Light in the DarknessWo Geschichten leben. Entdecke jetzt