Kapitel 36 - Flucht

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Rey

Am nächsten Morgen war die andere Seite des Bettes kalt, als ich aufwachte. Mein Freund musste sich schon früh aus der Krankenstation geschlichen haben, damit sein Verschwinden niemanden auffiel. Lando konnte uns schließlich nicht ewig die Wachen vom Hals halten. Ich fragte mich, was Hans alter Freund wohl von unserer Beziehung hielt. Er schien auf jeden Fall nicht nachtragend zu sein, was Ben anging.

Wir treffen uns heute Nacht am großen Landeplatz. Lando sagt, er kann uns ein Schiff besorgen. Ich liebe dich.

Bens Botschaft, die er mir durch unsere Verbindung zukommen ließ, erinnerte mich an die Geschehnisse der letzten Nacht. Vor ein paar Tagen dachte ich noch, ich würde das Kind allein aufziehen müssen. Und dann...Mein Herz füllte sich immer noch mit Wärme, wenn ich an Bens Reaktion zurück dachte. An seine Worte, seine Küsse, seine zärtlichen Berührungen, den festen Halt seiner Arme. Ich hatte das nicht erwartet und war deswegen umso überraschter gewesen. In diesem Moment wusste ich, dass alles gut werden würde.
Schon in ein paar Stunden würden wir ein neues Leben zusammen beginnen. Der Krieg, die Erste Ordnung, der Widerstand...all das spielte dann keine Rolle mehr. Wir würden einfach nur Rey und Ben sein. Frei von Verpflichtungen, Druck und irgendwelchen Titeln. Ich konnte es kaum erwarten.

Ich liebe dich mehr.

Mehrere Jahre hatte ich für andere gekämpft. Jetzt war meine Familie an der Reihe.
Ich setzte mich auf und schlug die Bettdecke ein Stück zurück. Meine Hand wanderte automatisch zu meinem Bauch und ich schloss meine Augen. Seit Ben mir die Verbindung zwischen mir und dem Baby gezeigt hatte, sehnte ich mich erneut nach diesem wunderschönen Gefühl. Es machte unsere Situation realer.
"Guten Morgen" lachte ich, als die schwache Präsenz des kleinen Wesens in der Macht aufflammte. Die neue Machtenergie war geradezu erfüllt von Licht und Leben. Wie hatte ich jemals eine Abtreibung in Betracht ziehen können?
Ein Klopfen an der Tür unterbrach mich. Connix kam mit einem Klemmbrett in der Hand herein.
"Hallo, Rey! Wie ich sehe geht es dir besser?" begrüßte sie mich freundlich.
"Sehr viel besser." bestätigte ich ihre Vermutung, während sie zu dem Monitor neben meinem Bett ging. Sie notierte sich einige Dinge, wahrscheinlich meine angezeigten Vitalwerte.
"Okay, wir führen noch eine abschließende Untersuchung durch. Wenn dabei keine Auffälligkeiten auftreten, darfst du danach die Krankenstation verlassen."

Schon wenig später wurde ich vom stellvertretenden General in einen Untersuchungsraum gebracht. Connix breitete ein steriles Tuch auf der Untersuchungsliege aus, bevor ich mich hinlegte.
"Doktor Kalonia kommt bestimmt gleich." Mit diesen Worten wollte Connix mich zurücklassen und sich zum nächsten Patienten begeben, doch ich stoppte sie ehe sie die Tür erreichen konnte. Vielleicht würde ich sie nie wiedersehen.
"Danke für alles, Connix." Sie war die Erste gewesen, die von meiner Schwangerschaft erfahren hatte und stand mir seitdem unterstützend zur Seite. Lächelnd drehte sie sich zu mir um.
"Es ist selbstverständlich, dass man seinen Freunden hilft." Das sie uns schon als Freunde betrachtete überrumpelte mich etwas, schließlich kannten wir uns erst seit wenigen Wochen. Davor waren wir uns immer nur flüchtig über den Weg gelaufen. Rückblickend betrachtet hätte ich schon viel früher mal mit ihr in Kontakt treten sollen. Connix war eine gute Zuhörerin, die immer zuerst an das Wohl anderer dachte und niemanden voreilig verurteilte. Sie verbrachte so viel Zeit in der Kommandozentrale und wenn man sie doch einmal nicht dort antraf, half sie kranken Widerstandskämpfern.
Bevor einer von uns noch etwas sagen konnte, öffnete sich die Tür und Doktor Kalonia betrat das Zimmer.
"Guten Tag, Miss Rey." begrüßte mich die Ärztin und Connix ging.
"Sind nochmal irgendwelche Beschwerden aufgetreten? Bauchkrämpfe? Blutungen?" fragte mich Doktor Kalonia, während sie sich auf den Stuhl neben mir setzte und etwas an einem Gerät einstellte. Zum Glück konnte ich jede ihrer Fragen verneinen.
"Okay, das ist schon einmal gut. Ich werde noch einen Ultraschall durchführen, um zu sehen, ob wirklich alles in Ordnung ist." Nachdem ich meine Tunika hochgezogen hatte, verteilte sie wieder eine großzügige Menge des kalten Gels auf meinem Bauch. Wie beim letzten Mal zuckte ich dabei kurz zusammen, wahrscheinlich würde ich mich nie daran gewöhnen. Angespannt schaute ich auf den Bildschirm, als Doktor Kalonia das Gerät auf meinen Unterleib ansetzte. Schon bald erschien der vertraute, weiße Punkt. Es schien etwas gewachsen zu sein, aber so recht konnte ich das nicht beurteilen.
"Geht es dem Baby gut? Ist es immer noch zu klein?" wandte ich mich ängstlich an die Ärztin, welche seit mehreren Minuten nichts gesagt hatte.
"Nein, ganz im Gegenteil. Es hat genau die richtige Größe für die achte Woche und auch sonst sieht alles gut aus." sagte sie sichtlich zufrieden und ich atmete erleichtert aus. Sie vergrößerte das Bild etwas.
"Wenn Sie genau hinschauen, können Sie schon den Kopf erkennen, der beginnt sich zu entwickeln." Fasziniert betrachtete ich das kleine Wesen auf dem Bildschirm. Tatsächlich konnte man schon die leichte Form eines Kopfes ausmachen.
"Bitte entschuldigen Sie mich kurz." sagte Doktor Kalonia, als draußen auf dem Flur nach ihrer Anwesenheit verlangt wurde. Doch das bekam ich nur am Rande mit, zu gebannt war ich von dem Anblick meines Kindes, dass jeden Tag ein Stück mehr wuchs. Dieser Ultraschall war der Beweis: Ich würde wirklich eine Mutter werden.
"Hallo, du." flüsterte ich zärtlich in die Richtung des Bildschirmes.
"Ich weiß, dass die letzten Tage ein einziges Chaos waren. Aber ich bringe das in Ordnung, das verspreche ich. Dein Vater und ich werden dafür sorgen, dass du in Sicherheit bist. Wir werden ein schönes Zuhause für dich suchen, einverstanden?" Der bohnenförmige Punkt bewegte sich ein wenig.
"Das nehme ich dann mal, als ein Ja." Lächelnd streichelte ich meinen Bauch. Wie lange es wohl dauern würde, bis ich die Bewegungen spüren konnte?
"Ich kann Ihnen ein Ultraschallbild ausdrucken, wenn sie wollen." bot Doktor Kalonia an, als sie zurück kam und den glücklichen Ausdruck auf meinem Gesicht bemerkte.
"Das wäre toll." bedankte ich mich und musste sofort an Ben denken. Wenn er schon nicht dabei sein konnte, sollte er wenigstens auf diesem Weg über den Entwicklungsstand seines Kindes informiert werden.
"Können Sie noch ein zweites ausdrucken?"

His Light in the DarknessWo Geschichten leben. Entdecke jetzt