1 - Ein neuer Hafen. Eine neue Heimat.

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Das Leben bietet einem immer wieder neue Wege. An einem Tag hat man eine rosarote Brille auf und ist total verliebt. Den nächsten Tag wird man von Plagen mit einem ungewissen Ende begleitet.

Wie man sich doch in Personen irren kann, allein durch den ersten Blick. Und dann ändert sich alles mit einem Mal, ohne dass man auch nur irgendetwas dagegen unternehmen kann. In meinem Fall wusste ich noch nicht einmal die Wahrheit über diese Personen, die schon bald mein ganzes Leben bestimmen sollten. Wenn mich jemand fragen würde, ob meine Geschichte Zufall oder Schicksal war, kann ich es ihm nicht sagen. Er muss es am Ende selbst entscheiden.

***

Wir waren geradewegs in eine neue Heimat, weit weg von unserem alten Leben. Mein Dad, meine Mom und ich. Diejenige, die diesen Neustart am wenigsten wollte.

Das Meer. Meine Seele, mein Herz, mein ganzes Leben. Niemals hatte ich etwas anderes gewollt. Es war das Einzige, was ich wollte. Auch wenn das hieß, dass ich niemals wie andere Teenager in meinem Alter aufwachsen würde.

Der ganze Umzug ging einzig und allein auf die Kappe meiner Eltern. Sie hatten keine Rücksicht auf ihre Tochter genommen, für die das alles ganz plötzlich aus dem Nichts kam.

Elizabeth City. Das sollte meine neue Heimat werden. In irgendeinem Haus, wie all die anderen Häuser in dieser kleinen Stadt, würde ich leben. Völlig normal würde ich wie all die anderen aufwachsen und ganz normal die High School der Stadt besuchen. Bis jetzt hatte ich nur Onlineunterricht gehabt und ehrlich gesagt war mir das ziemlich recht so, wie es war. Ich wollte gar keine High School besuchen, mit der Hoffnung, neue Freunde zu finden.

Die letzten Meter, die uns noch vom Festland trennten, fühlten sich wie Millisekunden an. Und im nächsten Moment hatte man mir alles genommen, wofür ich stand. Wie eine Mutter von ihrem Kind. Nur ein paar Sekunden verbleibend, um sich zu verabschieden und schon sollten sie sich niemals wiedersehen.

"Kommst du Schatz?", hörte ich meine Mutter, die freudig in mein kleines Zimmer sah, das gerade mal so groß war, dass ein Bett und ein Schrank reinpasste. Auf Räumlichkeiten hatte ich noch nie wirklich Wert gelegt. Ich konnte von Glück sprechen, dass ich überhaupt eins besaß.

Nur unfreiwillig und mit mürrischem Gesicht verließ ich meine Kabine, zog die Tür hinter mir zu und folgte meiner Mutter nach draußen. Der kleine Hafen der Stadt erinnerte mich an einen schäbigen alten Anlegeplatz, an dem wir einmal angelegt hatten. Er war so kaputt und abartig verschmutzt gewesen, dass wir ihn noch zur selben Stunde verlassen hatten. Genau das würde ich am liebsten auch mit diesem machen. Doch voller Zuversicht und mit einem breiten Grinsen im Gesicht zogen mich meine Eltern hinter sich her.

Ein paar Straßen weiter machten wir erst Halt, nachdem meine Eltern mich mit unnötigem Wissen über das neue Haus und die Stadt vollgestopft hatten. Immer noch ohne ein einziges Grübchen zu ziehen, blieb ich mit verschränkten Armen stehen.

Es war ein warmer Sommertag im Juli und meine Ärmel reichten mir gerade einmal über meine Schultern. Ich hasste es jetzt schon. Mir fehlte die frische Meeresbrise, die ich zum Leben brauchte. Wie Fische das Wasser zum Leben benötigten. Die Sonne stand hoch am Himmelszelt und bot keinen einzigen Schatten.

Flüchtig betrachtete ich die Häuser neben dem, das bald schon uns gehören sollte. Sie glichen eher Villen als Einfamilienhäusern. Mit weißen Fassaden, hohen Dächern und saftig grünem Gras davor. Die Straße war hingegen eher schmal und passte nicht in das Konzept.

"Und hier wird es schon bald entstehen", holte mein Dad mich aus den Gedanken und deutete auf das riesengroße Etwas, das mich an einen Panzer erinnern ließ. Seine wilden schwarzen Haare wehten in dem leichten Sommerwind und sein blauer Rollkragenpullover passte wohl kaum zu seiner kurzen Sommerhose und den langen bunten Socken. Von der Jahreszeit mal ganz zu schweigen.

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