Samstag. Der Tag, an dem ich womöglich die größte Wette meines Lebens gewinnen würde. Der Tag, an dem ganz Elizabeth City höchstwahrscheinlich mehr auf die Footballspieler achten würde, als auf die Cheerleader, die einzig und allein der Unterhaltung dienten. Doch auch der Tag, an dem ich Cathrin endlich besiegen würde.
Meinen ganzen Vormittag hatte ich mit nichts außer dem Training verbracht. Es war das einzige Thema, über das ich nachdachte. Kein Buch, keine Torte, keine Fahrt mit Quantum oder sonst irgendetwas von meinen Lieblingsaktivitäten hätte daran etwas ändern können. Es war wie ein Geburtstag, den man nur alle vier Jahre feiern durfte, weil man in einem Schaltjahr geboren wurde, auf den man sich so sehr freute, dass man sich ewig nur für einen Tag vorbereitet hatte - mit dem Unterschied, dass mein Trainingsbeginn erst wenige Stunden her war. Dennoch war ich mir, so gut es eben für meine Verhältnisse ging, in meiner Rolle sicher.
Das kurze Kleidchen - oder wie ich es zu bezeichnen pflegte, Fetzen aus Reststoffen, von denen nicht mehr genug übrig waren, um etwas Formelles und Angemessenenes daraus zu schustern - hatte ich extra noch einmal vorher gebügelt. Nicht zu vergessen, die Fusselrolle, mit der ich jede freie Sekunde über die Kleidung gefahren war, aus Angst, es könnte urplötzlich eine Katze auftauchen und sich mir auf den Arm werfen.
Mom bekam mich nur ein einziges Mal zu Gesicht, nachdem ich mit Pyjama vom Frühstückstisch aufgestanden war und mich in der Kabine umgezogen hatte für eine einzige Pause, die während eines der wichtigsten Spiele der Wilddogs stattfand.
Sie stand dort, die Augen nur auf dieses kurze Etwas fixiert. Ihr Schweigen machte mir augenblicklich Angst. Ich hätte mich lieber anschnauzen lassen, dass das mehr als unerhört war, unter den Augen Hunderter so auf einem Feld herumzuspringen und zu tanzen. Ich hätte lieber Hausverbot bekommen - was bei uns so viel hieß wie Bootverbot. Ich hätte lieber meine Stimme gegen Mom und Dad erhoben und ihnen erklärt, wie wichtig mir dieses Auftreten war. Doch da war nur dieses grausame Schweigen, das mir so viel verriet wie ein Stein, der seit Millionen von Jahren an derselben Stelle lag. Die Augen machten mich nervöser, als das Gerede meiner Mom, während sie versuchte, ihre eigentliche Meinung auf den Punkt zu bringen.
"Sag etwas", meinte ich mit unsicherer Stimme zu ihr und verzog aus Angst das Gesicht, sie könnte nun über mich herfallen, wie ein grausames Tier über seine Beute. Doch sie blieb in ihrer Rolle und verschwendete keine Zeit, sich darüber Gedanken machen zu müssen, die ausgesprochenen Worte wieder in ihren Mund schieben zu wollen.
Als ich schon aufgeben wollte und mir im Kopf einen Plan zusammenlegte, der daraus bestand, in meine normalen Klamotten zu schlüpfen und den Fetzen in der Schule auf der Mädchentoilette anzuziehen, brach meine Mom die Mauer zwischen uns ein. -
"Geh schnell, bevor dein Vater dich so sieht. Der würde dir, bis deine Kinder heiraten, Hausarrest geben."Dankend nickte ich schnell und schlich mich an ihr vorbei. Ich wollte gerade zur Tür hinaus, als meine Mom mich noch einmal stoppte. Mit ihrer Hand umklammerte sie eine Tasse Kaffee mit Eichhörnchen darauf. Ich hielt kurz inne und starrte sie nur an. Ihr Kaffee musste längst kalt gewesen sein. Ich machte mich auf das Schlimmste gefasst, nämlich dass sie es sich doch noch einmal anders überlegt hatte. Ich biss mir flüchtig auf die Unterlippe.
"Viel Spaß. Amüsier dich schön, okay?"
Glücklich nickte ich erneut und verließ erleichtert das Boot. Dabei grübelte ich, warum mich meine Mom dabei unterstützen wollte. Vielleicht ging es ihr nur darum, dass ich endlich neue Freunde in einem Club fand oder sie hatte sich tatsächlich daran erinnert, wie sie damals noch als eine Jugendliche war. Sicherlich hatte sie sich nicht so brav verhalten, wie ich es heute tat.
Ich fuhr mit meinem Board los. Die Luft war mal wieder stickiger, als mir lieb war und die Sonne brannte mir auf der Haut. Besser wäre es bestimmt, ich würde mich demnächst mit Sonnencreame einschmieren, um keinen Sonnenbrand zu bekommen. Ich hatte irgendwo einmal gelesen, dass Rothaarige anfälliger dafür wären.
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See the truth | ✓
Novela JuvenilJennifer denkt nicht im Entferntesten daran, dass sich ihr Leben um hundertachtzig Grad drehen könnte. Ihre Heimat segelte zuvor immer auf den Wellen. Nach ihrem Umzug in die Kleinstadt Elizabeth City gerät ihr vorgeplantes Leben auf den Weltmeeren...