46 - Unangenehme Begegnungen

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Das Bild vor meinem geistigen Auge - Lukes glitzerndes, friedliches Gesicht in der Sonne, als wir mit dem Pick-up am Strand gewesen waren - linderte meinen Schmerz auch nicht, wie ich es mir erhofft hatte. Ich hatte gedacht, wenn ich dieses Bild in meinem Kopf aufrufen würde, könnte ich ihm immer verzeihen, egal, wie groß unser Streit auch gewesen wäre. Selbst der Gedanke daran, dass ich irgendwann mit Luke streiten würde, nach dem, was wir hinter uns hatten, hatte vor einigen Tagen noch völlig absurd und irreal geklungen.

Das Chatter wirkte immer noch wie ein Ort für Punker. Mit den hellen Lichtern an der Decke und den einzelnen Tischen in jeder Ecke war es der ideale Platz für mich, um etwas nachzudenken. Mom und Dad waren in die nächste Stadt gefahren, um dort ein Autokennzeichen für den neuen Wagen zu besorgen. Da mich zu Hause nichts hielt und mir die Stille und die Aussicht aus meinem Zimmer den Schmerz wieder hochkommen ließen, wollte ich den Tag nun hier verbringen. Vielleicht konnte mich ja die Barkeeperin mit den pinken Haaren etwas aufheitern. Sie hatte sich kein Stück verändert und trocknete immer noch Gläser in jeder Form und Farbe ab.

Als ich jedoch an der Bar Platz nahm, erkannte ich die Dame gar nicht wieder. Sie fuhr mich auf eine unschöne Weise an. Ihre lockere Art wurde von einer negativen Einstellung überlagert.

"Besser, du gehst wieder."

"Wieso? Hab' ich etwas getan, was jemanden beleidigt hat?", fragte ich verwirrt. Es war tatsächlich mein erster Gedanke gewesen, der mir in den Sinn gekommen war, dass ich den Ruf des Chatters ruiniert hatte. Vielleicht war ja herausgekommen, dass ich beinah hier ertrunken wäre.

"Oliver hat heute ziemlich miese Laune. Ich weiß auch nicht, wo er sich die Verletzungen eingefangen hat, aber er spricht nicht. Zu niemandem. Er hat bloß eine Flasche Whiskey bestellt und das nicht gerade in seinem freundlichsten Ton", erklärte sie flüsternd und deutete auf eine Gestalt am Ende des Raumes. Sie saß dort einsam und allein und nippte ab und zu an der Flasche, die nur noch wenige Zentimeter gefüllt war.

"Ich rede mit ihm", gab ich bekannt. Mein Inneres kämpfte dagegen an. Die letzten Tage hatte ich mich darum bemüht, meinem Ex aus dem Weg zu gehen. Doch irgendetwas zog mich nun zu ihm hin. Ich weiß nicht, ob es die Neugier nach der Wahrheit war oder ob ich ganz einfach nur den Verstand verloren hatte.

Meine Schritte waren klein und es dauerte seine Zeit, bis ich am einzigen Tisch der Bar, der besetzt war, ankam.

Ich setzte mich der dunklen Gestalt gegenüber. Die Kapuze hing tief im Gesicht und gab nichts darunter preis. Außer einigen Blutergüssen am Kiefer und an den Wangen, gab es kein Lebenszeichen.

"Oliver?", flüsterte ich vorsichtig und sah ihm gezielt in die leeren Augen, als er hochschaute.

"Halt deine Klappe", bekam ich als einzige Antwort von ihm.

"Das werde ich ganz sicher nicht. Du hast kein Recht mich so anzufahren."

"Wenn ich keine Entschuldigung von dir höre, dann geh gefälligst", erklang seine tiefe, wütende Stimme.

Ich verzog irritiert das Gesicht und versuchte meine Wut in Grenzen zu halten, um aus ihm irgendetwas herauszubekommen.

"Wieso sollte ich mich bei dir entschuldigen? Du hast mich verletzt, schon vergessen? Und ich verlange eine Erklärung von dir."

"Wieso gehst du nicht zu deinem Lover und klärst das mit ihm? Aus mir bekommst du ganz sicher nichts heraus." - Oliver setzte die Flasche Whiskey erneut an seine Lippen an und verbannte auch den Rest des Inhalts in seinem Magen. Es war keine Frage, ob er betrunken war.

"Er ist nicht mehr mein Lover und wir reden zurzeit nicht miteinander. Deshalb wirst du mir die Wahrheit sagen. Was ist damals passiert? Ich weiß von Anna Coopers Verschwinden und irgendwie habe ich das Gefühl, dass sie etwas mit eurer Vergangenheit zu tun hat. Sie ist verschwunden, als sie mit Luke zusammen war, habe ich recht?"

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