28 - Liebesbeweis gesucht

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Stille. Absolute Stille.

Ein grünes Augenpaar schaute mich aus einigen Metern Entfernung an. Mit den Händen im Schoss saß ich ruhig da und wartete auf eine Reaktion seinerseits.

Mein Hustenanfall war inzwischen weg, genauso wie Cathrin. Mit einer Entschuldigung, sie müsse schnellstens nach Hause, weil ihr Vater es so wollte, huschte sie in die Nässe, nachdem Luke und sie darüber gestritten hatten, dass ich angeblich noch zu jung für Alkohol und Rauchen wäre.

Ich blieb mit Luke zurück.

Meine Eltern hatten sich vorerst Sorgen um mich gemacht, weil sie Lärm gehört hatten. Doch ich hatte ihnen versichert, dass alles in bester Ordnung und Cathrin nur auf Lukes Fuß getreten wäre. Damit hatten sie sich zufriedengegeben und dampften ab.

"Was hast du dir bloß dabei gedacht?", unterbrach er die unangenehme Spannung in der Luft.

"Ich bin sechzehn Jahre alt, Luke. Irgendwann muss ich's ausprobieren", verteidigte ich meine Tat.

"Eben, du bist sechzehn. Du verbaust dir dein ganzes Leben damit. Außerdem passt Trinken und Rauchen gar nicht zu dir."

"Woher weißt du schon, was zu mir passt?"

Ich wunderte mich darüber, dass wir so ruhig blieben. Schließlich war das Gespräch im vollen Gange, bereit um zu eskalieren.

"Außerdem, was interessiert es dich, was ich tue?" - Meine Worte trafen ins Schwarze und erzielten den gewünschten Effekt bei Luke.

"Ich kenne die Wahrheit über Oliver, du nicht. Deshalb will ich dich davor bewahren, einen schrecklichen Fehler zu machen. Wie oft muss ich das noch erklären?"

Ich stöhnte auf, bevor ich ihm wieder in die Augen blicken konnte.

"Genau, du kennst die Wahrheit und ich nicht. Wie wär's, wenn du mir einfach die Wahrheit erzählen würdest, weshalb Oliver und du euch so zerstritten habt."

"Ich sagte doch bereits, dass ich das nicht kann. Du musst mir einfach vertrauen", sagte er ruhig.

Ich lachte sarkastisch auf. Wie sollte ich demjenigen vertrauen, der mir gegenüber nicht ehrlich war?

"Ich vertraue dir aber nicht", meinte ich kalt und blickte ihn eindringlich an: "Du gibst mir nämlich nicht das Gefühl, dir vertrauen zu können."

"Und Cathrin und Oliver geben es dir oder wie?"

"Mehr als du. Du weißt nur, wie man andere mit wiederkehrenden Reden und Lügen und Geheimnissen nervt."

"Ich versteh' es einfach nicht. Du bist nämlich nicht viel besser! Du nennst diese fremden Menschen deine Freunde. Dabei bist du für sie nicht mehr als Staub im Auge. Sie interessieren sich einen Dreck für dich! Sieh's doch endlich ein!"

Meine Wut stieg weiter an. Mein Kopf war kurz davor zu explodieren. Wie konnte er es bloß wagen? Ich lief rot an. Mir wurde schwindelig. Ich könnte schwören, mir stiegen Tränen in die Augen.

Ich konnte einfach nicht mehr. Ich konnte es nicht. Es wurde mir alles zu viel. Auf der einen Seite behielt Luke recht. Sie interessierten sich einen Dreck für mich. Doch auf der anderen Seite waren sie die Einzigen, die ich hatte. Die Einzigen, die mich akzeptierten.

"Raus", meinte ich stur, den Blick abgeneigt von ihm.

"Du schmeißt mich raus?", protestierte er.

"Raus!", wurde ich lauter.

Stille. Noch unheimlicher, als die Stille vor dem Gespräch. Doch es tat sich nichts. Er bewegte keinen einzelnen Muskel vom Fleck.

"RAUS!", brüllte ich nun und schob ihn selbstständig die Treppe hinunter, die Tür hinaus und schlug sie hinter mir ins Schloss. Meine Eltern sollten von mir halten, was sie wollten.

"Ich kann echt nicht verstehen, was du an Oliver findest", gestand er. Im nächsten Moment ging er wütend davon und ließ mich alleine im Regen stehen. Mit verschränkten Armen vor der Brust, hustete ich den letzten Rauch aus und ratterte alles in meinem Kopf hinunter. Alle Erlebnisse, die ich gemacht hatte, seit ich in Elizabeth City angekommen war.

"Ich liebe ihn, Luke!", rief ich hinterher. In diesem Moment wünschte ich, ich hätte meine Worte zurück in den Mund schieben oder die Hoffnung haben können, er hätte es nicht gehört.

Doch das hatte er. Wütend kam er zurück gestapft. Seine Schuhe hinterließen in Wasser getränkte Geräusche auf dem Pflasterstein.

Kurz vor mir blieb er stehen und wurde nun ebenfalls lauter.

"Ach ja? Du liebst ihn also. Dann sag mir; hat er dir je irgendetwas davon gesagt oder etwas getan? Hat er dich jemals ausgeführt in so ein Schickimicki Restaurant, das sein Vater ihm bezahlt?"

"Nun, ja...nei...", stotterte ich. Mir stiegen die Tränen erneut in die Augen.

"Hat er dir je Liebesbriefe geschrieben, die wirklich seine innerste Seele Preis geben und deren Handschrift wirklich seine ist?"

Dazu gab es ja wohl viele Antworten, nicht wahr?

Völlig erschüttert und voller Adrenalin: "Und hat er dir jemals gesagt Ich liebe dich?", wurde er heiser und ruhiger. Seine Stimme ebbte ab. Sein hasserfüllter Blick verwandelte sich in einen liebevollen, nicht ganz eindeutigen.

Stille. Nur das Plätschern des Regens auf dem Boden. Unser Atem stand in milchigen Wolken zwischen uns. Die Kälte drang durch jede Öffnung der Kleidung. Durchnässt spürte ich seine Körperwärme und sehnte mich nach ihm, obwohl er gerade mein Herz zerfetzt und dann im Dunkeln zurückgelassen hatte.

Die Art und Weise, wie er Ich liebe dich gesagt hatte. Wie sehr wünschte ich mir, er würde es noch einmal sagen. Das war absurd, nicht wahr?

"Ach, weißt du was? Vergiss es! Ich hab' das Gefühl, es ist sinnlos, wie oft ich es auch wiederhole. Du kapierst es nicht."

Damit ging Luke nach Hause. Sehnsüchtig schaute ich ihm hinterher, suchte nach einer Antwort auf die Fragen, die er mir gestellt hatte. Ich fand keine, außer Nein. Doch das würde ich niemals laut aussprechen.

***

Nach einer Weile tappte ich zurück ins Haus. Das viele Regenwasser tropfte aus der Dachrinne hinunter. Ich schlug die Haustür zu, stürmte nach oben, schloss mich im Zimmer ein und fiel weinend ins Bett.

Wie konnte jemand einen zum Lachen und gleichzeitig zum Weinen bringen? Wie konnte jemand nur so ein Gefühlschaos in einem verursachen?

Außer hunderttausenden weiteren Gedanken an Luke und Oliver, dauerte es Stunden, bis ich leise, schluchzend, alleine einschlief.

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