39 - Letzter Schultag

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Ich war ein Morgenmuffel - ich war schon immer irgendwie ein Morgenmuffel gewesen.

Nur schwer hatte ich mich aus dem Bett gequält und stolperte nun todmüde die Treppe im Schlafanzug hinunter. Es herrschte eine grauenhafte Stille im Haus, doch ich fragte nicht weiter nach, weshalb sich niemand im Essbereich aufhielt, denn mittlerweile war es wohl alltäglich geworden, dass jeder hier in diesem Haus seinen eigenen Beschäftigungen hinterherjagte. Nun, das tat ich auch.

Meine Hand suchte nach einer Schüssel im Schrank, der einen Kopf über mir an der Wand angebracht war. Hätte man das nicht weiter unten anbauen können, wo man auch rankäme?

Im Kühlschrank fand ich eine Packung Milch vor, sodass ich mir die perfekte Schüssel Cornflakes herzaubern konnte. Mit dem Essen in der Hand setzte ich mich an den Esstisch und musste auf einmal daran denken, dass wir ja noch gar kein TV hier stehen hatten. Nicht, dass man den unbedingt hier benötigte, bei allem, was so um einen herum passierte, aber trotzdem gehörte es irgendwie zu dem Idealbild eines Hauses in dieser Stadt dazu. Ein kleiner würde es auch tun.

Die Haustür wurde laut aufgestoßen. Ich blickte erst gar nicht hoch, als Mom mit vollgepackten Tüten im Arm in die Küche gestiefelt kam. Ich hätte es ihr abnehmen und ihr helfen können, doch war ich dafür leider noch nicht wach genug.

Also war alles, was sie von mir zu hören bekam: "Morgen. Wie war der Einkauf?"

Sie stellte mühsam eine der Tüten auf der Kücheninsel ab und ließ ihre weiße Handtasche auf den Boden sinken. Mit einer Hand strich sie sich durch ihr braunes Haar und blickte in meine Richtung.

Ich löffelte weiterhin meine Schüssel aus.

"Es ist viel los. Nicht so viel wie in europäischen Einkaufsläden, aber doch reichlich gefüllt. Ich habe schöne Sachen mitgebracht. Schon Mal Erdbeere-Stracciatella-Joghurt probiert?"

Sie griff nach einem der Joghurtbecher und hielt ihn demonstrativ in die Luft.

Bevor ich darauf antworten konnte, wunderte ich mich, als die Haustür plötzlich ins Schloss fiel. Sturm wurde nicht angesagt und Mom stand hier in der Küche. Dad hielt sich vermutlich im Büro auf. Wer hatte die Tür zugeschlagen?

"Oh Luke, stell die ruhig auch hier auf die Kücheninsel. Draußen im Auto sind noch zwei weitere. Ich hole sie schnell", sagte Mom und rannte bereits den Flur hinunter.

Luke stellte die Einkaufstüten wie gewünscht auf der Kücheninsel ab und kam auf mich zu. Ich war ganz irritiert davon, was ihn dazu bewegt hatte, Mom beim Auspacken zu helfen.

"Hey Langschläferin", begrüßte er mich und gab mir einen kurzen Kuss, bevor meine Mutter wieder da sein würde.

"Hey, was machst du hier?"

"Darf ich nicht meine Freundin besuchen?"

"Doch, doch, ähm-." - Ich dachte kurz über die Bedeutung dieser großen Worte nach. Ich konnte es immer noch nicht fassen, dass ich nun seine Freundin war. Wann könnte ich das bloß?

"Ist auch egal", beendete ich meinen Satz, als Mom wieder herein geschossen kam und die schöne Atmosphäre zwischen uns zunichtemachte.

"Puh", sagte sie, wischte sich symbolisch den Schweiß aus dem Gesicht und stellte sich zu uns: "Das war mal ein großer Einkauf."

Sie lächelte uns beide an und während Luke ihr freundlich zurücklächelte, verzog ich bloß das Gesicht und nahm lieber noch einen Löffel aus meiner Schale.

"Danke für deine Hilfe. Das hätte wohl sonst noch Jahre gedauert, bis ich fertig geworden wäre", begründete sie und ging dann zurück in die Küche, um etwas aus einer Tüte zu kramen. - "Hat jemand Hunger? Ich habe so viel eingekauft, teilweise Dinge, von denen ich noch nie etwas gehört habe!"

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