4 - Zehn Minuten mit Oliver McKenzie

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Ich konnte es kaum erwarten, endlich Oliver wiederzusehen. Den halben Monat lang hatte ich echt miese Laune wegen des Umzugs und der neuen High School gehabt, auf die ich nicht wollte. Doch nun ergab es alles wieder einen Sinn. Als hätte eine einzige Person es geschafft, meine komplette Meinung bezüglich Elizabeth City zu ändern.

In der High School tobte mal wieder das totale Chaos. Schüler, die an ihren Spinden standen und ihre Bücher für die nächste Stunde rauskramten. Lehrer, die Jugendliche bestraften, weil diese heimlich auf der Toilette rauchten und dachten, niemand würde es merken. Und mittendrin ich.

Jenny. Die Außenseiterin und Neue an der Schule. Die Streberin des Literaturkurses und sicherlich war sie es auch in den weiteren Fächern.

Schnell blickte ich auf meinen Stundenplan, um zu prüfen, in welchen Räumen ich heute den Unterricht verbringen würde. Geschichte mit Misses Newberry, Mathematik mit Mister...

Weiter kam ich nicht, denn augenblicklich, als ich den Umriss einer Gruppe ausfindig machte, die in diesem Moment durch die Tür spaziert kam, folgten meinen Augen dieser Neugier.

Alle Schüler auf dem Flur gingen sofort beiseite für die Blondine im kurzen Kleidchen, den braunhaarigen Jungen mit grünem Ringer Shirt und einen Schwarzhaarigen mit himmlisch blauen Augen und einem Piercing in der Unterlippe.

Gedankenversunken starrte ich regelrecht auf die drei. In meiner Trance gefangen, merkte ich erst, dass ich ihr Ziel darstellte, als sie vor mir zum Halt kamen. Mein Blick verharrte allein bei Oliver. Seine Freundin verdrehte dagegen nur die Augen bei meinem Anblick.

"Na du? Wo musst du heute hin?", erkundigte sich Oliver bei mir. Es hätte gut sein können, dass Cathrin ausweichen und uns alleine lassen würde, was ich tatsächlich für einige Sekunden annahm. Doch sie wich ihm nicht von der Seite.

"Ich muss zum Raum...ähm...", ich schaute schnell erneut auf meinen Stundenplan, um mich einen Moment von seinen Augen zu lösen und zu versuchen, mich wieder zu konzentrieren. Doch meine Knie waren wie Wackelpudding und meine Hände zitterten so stark, dass mir unbemerkt das Blatt Papier aus der Hand fiel.

Mit einer schnellen Bewegung hob Oliver das Blatt wieder vom Boden auf, wodurch sein Begleiter mit den braunen Haaren nicht schlecht schaute und Blicke zwischen Cathrin und Oliver wagte.

Leise knurrte Cathrin wie eine Wölfin, die ihren Feind unfreiwillig an ihre Beute ließ. Oliver interessierte sich dagegen kein bisschen für ihre Reaktion. Mit hochgezogenen Augenbrauen blickte er selbst auf den Stundenplan, den ich noch vor ein paar Sekunden in der Hand gehalten hatte.

"Ah...Geschichte. Was für ein Zufall. Genau da muss ich auch hin", lachte er sympathisch auf, wodurch Cathrin nun sicherlich am liebsten eine Waffe gezückt und mich gnadenlos damit abgeknallt hätte. Jedenfalls verriet mir ihr Macht verkörpernder Blick so viel.

Als Oliver mir das Stück Papier in die Hand drückte, drehte er sich zu seinen zwei Freunden um. Natürlich besaß Cathrin in diesem Augenblick wieder das umwerfende Lachen, damit ihr bester Freund keinen Verdacht schöpfen konnte.

"Cathrin kennst du ja bereits. Und das hier ist Dan", mit einer schnellen Handbewegung deutete Oliver auf ihn. Dan ließ eher den Eindruck eines Soldaten in mir aufkommen. Seine Haare waren sehr kurz geschnitten, doch sein breites Lächeln, das er mir schenkte, war echt. Dazu das grüne Shirt und eine braune Cargohose.

"Die beiden sind leider nicht in Geschichte. Die schwänzen lieber die Schule und fahren ans Meer mit vier weiteren der Clique", sein Blick galt ganz allein wieder mir.

"Ja. Und das solltest du auch! Ich meine, sieh dich doch bloß mal um! Es ist Sommer, also wieso die Zeit in der Schule bei vierzig Grad Celsius verbringen?", beschwerte Cathrin sich bei dem Schwarzschopf.

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