Fünf Wochen zuvor:
Ein rothaariges Mädchen betrat das Chatter. Im ersten Moment dachte ich, sie würde mir noch den ganzen Boden versauen. Dann fiel mir ihre vom Regen durchnässte Kleidung auf, die gar nicht aufhören wollte zu tropfen und ihr gedankenversunkener Blick, mit dem sie alles zu mustern begann.
Kauend auf einem Erdbeerkaugummi schniefte ich: "Hey Kleine! Die Bar hier ist nur für Ältere!"
Kaum hatte sie mich gehört, wollte sie auf der Stelle kehrtmachen. Wieso diese Verklemmtheit? Aber ich schob meine direkte Art zur Seite, um sie zum Bleiben zu zwingen. Es bestand schließlich die Möglichkeit auf ein wenig Aktion an diesem ruhigen Sonntag. Zu gerne wüsste ich, was sie hier verloren hatte. Niemand, der so aussah und wirkte, würde diese Bar freiwillig betreten. Nie im Leben.
Sie war ein zartes Püppchen inmitten des dunkelsten, angsteinflößensten Ortes der Erde.
"Das war nur ein kleiner Scherz von mir! Aber ganz ehrlich. Du scheinst nicht sehr viele Erfahrungen gemacht zu haben, was so eine Art von Schuppen angeht."
Schnell schüttelte der Rotschopf mit dem Kopf. Hatte sie keine Stimme?
In bunten Kleidern kam sie mir zur Bar gehumpelt, während ich weiter die Gläser abtrocknete und sie abwertend beobachtete. Sie konnte hier definitiv niemanden aus ihrem Freundeskreis erwarten, so wie sie alles mit skeptischem Blick begutachtete.
"Hey! Mal Lust meine Karaoke-Bar auszuprobieren? Dann kannst du dich gleich auf die nächsten Abende vorbereiten, wenn du dich auch traust wiederzukommen", lud ich sie ein, damit sie endlich etwas lockerer wurde. Ich wollte sie nicht aus dem Chatter vertreiben, aber wenn sie hierbleiben wollte, musste sie dringend lockerer werden.
"Nein danke", sprach sie nun zu mir. Sie hatte ja doch eine Stimme.
"Oder du schließt dich denen an." - Ich deutete auf die beliebte Clique der High School. Sie waren das genaue Gegenteil dieses zarten Blümchens. Eigentlich hätte ich mich schlecht fühlen müssen, weil ich sie zu denen stecken wollte, zu Lederjacken und kurzen Röcken, zu Zigaretten und Alkoholflaschen am Mund. Aber ich tat es nicht. Sie würde schon nicht verkorkst werden.
"Sind die denn cool drauf?", wollte sie wissen.
"Ob die cool sind", wiederholte ich amüsiert. Das war die dämlichste Frage, die ich jemals zuvor gehört hatte. Sie musste entweder neu in der Stadt sein oder sie hatte bisher auf dem Mond gelebt.
Ich lachte kurz auf und fügte dann hinzu: "Natürlich. Sie sind die beliebtesten Schüler auf der gesamten High School." - Irgendjemand musste sie ja früher oder später aufklären und sie mit der Clique bekannt machen.
"Siehst du die da? Die mit den blonden, gelockten Haaren? Das ist Cathrin o'Blair. Das angesagteste Girl auf der Schule. Es heißt, sie wäre mit jedem Typen der Schule schon mindestens einmal ausgegangen. Obendrein ist sie auch noch Cheerleading Captain der Footballmannschaft, weswegen sie alle Jungs nur so umschwärmen."
Schnell fing das fremde Mädchen an, sie zu mustern. Sollte sie nur machen. Dann konnte sie sich gleich neue Ideen für eine neue Garderobe besorgen.
"Und wer ist das?", fragte sie und deutete auf den Lederjackentypen neben Cathrin.
"Das ist Oliver McKenzie. Das reiche Söhnchen von einem der angesehensten Unternehmern in Amerika und der beste Freund von Cathrin. Sie kommen fast täglich mit ihren Freunden hierher, besorgen sich Alkohol und Drogen und hängen einfach so hier ab."
"Und sie sind schon alle einundzwanzig?"
Ich versuchte mir ein Lachen zu verkneifen. Sobald sie die Worte Drogen und Alkohol hörte, musste sie bestimmt kräftig schlucken, weil diese nicht in ihrem Sprachgebrauch zu finden waren.
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See the truth | ✓
Novela JuvenilJennifer denkt nicht im Entferntesten daran, dass sich ihr Leben um hundertachtzig Grad drehen könnte. Ihre Heimat segelte zuvor immer auf den Wellen. Nach ihrem Umzug in die Kleinstadt Elizabeth City gerät ihr vorgeplantes Leben auf den Weltmeeren...