Hier saßen wir also. Ein Junge, deren Rätsel ich immer noch nicht gelöst hatte - was ich aus jetziger Sicht auch nicht in der Zukunft schaffen würde - und ich, das Mädchen, dass auf zwei aufeinander einprügelnde Jungs gestürmt war, nur um sie voneinander zu lösen, weil sie nicht selbst einsahen, wie schwachsinnig ihre Auseinandersetzung war. Das beeinflusste nicht nur beide Teams, die eigentlich auf dem Spielfeld eingetroffen waren, um sich ein gutes Spiel zu liefern. Jeder von ihnen mit der Hoffnung auf einen erfolgreichen Sieg, woraufhin sie den Pokal in den Händen halten würden, von allen Leuten umjubelt. - Doch das war das Problem; wir besaßen Zuschauer ringsherum, die alles mitverfolgt hatten und nun fassungslos da standen. Ihre Flaggen und Hände waren gesunken. Keiner vergeudete mehr Zeit damit, sich darüber Gedanken machen zu müssen, wann sie die Schilder mit Los Wilddogs! wieder hochhalten mussten.
Während ich die beiden erfolglos versucht hatte, voneinander zu trennen, riefen sie sich Beleidigungen über Beleidigungen zu, die die Masse geschockt nach Luft schnappen ließ.
***
"Brauchst du ein Kühlpack?", fragte ich nun Luke. Wir saßen gehemmt in der Umkleide der Jungen, wo ich vor kurzem noch unausweichlich hinein gestolpert war. Es stank furchtbar nach Männerdeo, Männerduschgel und ich dachte sogar kurz, ich würde billiges Rassierwasser in der Luft riechen. Diese Kabine unterschied sich ziemlich von der der Mädchen. Die Klamotten befanden sich nicht ordentlich übereinander gefaltet auf einem Stapel. Stattdessen lagen sie Kreuz und quer über Bänke und Boden verteilt, als wäre eine Bombe in die Luft gegangen.
"Nein danke. Geht schon", presste Luke mit zusammengebissenen Zähnen hervor, was sich schmerzerfüllt und wehleidig anhörte. Er hielt sich mit einer Hand das blutige Knie zu, mit der anderen verdeckte er sein Gesicht, das mit Kratzern überzogen war. Ich wollte mir gar nicht vorstellen, wie Oliver seine Fingernägel in Lukes Haut gebohrt und damit blutige Wunden hinterlassen hatte. Ich hatte das alles miterlebt und in demselben Moment hatte ich doch tatsächlich dieselben Schmerzen empfunden, wie die beiden, obwohl ich im Gegensatz zu ihnen unversehrt blieb - was ein pures Wunder war.
"Doch. Ich hol dir eins." - Ich stand von der gegenüberliegenden Bank auf und ging in den kleinen Nebenraum, der keine Fenster besaß und somit stockfinster war. Ich suchte vergebens nach einem Lichtschalter oder irgendetwas, das mir Halt gab, wo ich entlang tasten konnte.
"Kühlpacks liegen links in der Ecke des Kühlschranks!", versuchte Luke schnell einen Satz zu formen, bevor er wieder ein schmerzerfülltes Stöhnen von sich gab.
Meine Hände tasteten sich die Wand entlang, hin zu der Ecke, in der der kleine Kühlschrank platziert sein sollte. Endlich ergriff ich das Metall des Griffes und zog ihn auf. Dabei musste ich in die Hocke gehen, doch wenigstens spendete er mir nun etwas Licht, sodass ich wieder klarer sah.
Außer zwei oder drei Kühlpacks im obigen Fach, war er prall bis oben hin gefüllt mit Red Bull und sonstigen Getränken, die man normalerweise in Dosen vorfand.
"Wunder dich nicht! Ist mit so ziemlich jedem Getränk gefüllt, dass man in Elizabeth City findet! Wir haben das ursprünglich für unseren Sieg kühl gestellt!"
"Tja. Daraus wird wohl nichts mehr", meinte ich vorwurfsvoll.
"Ja dank Oliver", schnaufte er immer noch mit voller Wut in sich: "Der hat uns das ganze Spiel versaut!"
"Ja ja. Als sei nur er daran Schuld, dass ihr nicht weiterspielen könnt. Was ist denn eigentlich vorgefallen?", wollte ich wissen und nahm dabei ein Kühlpack heraus, das so kalt war, dass meine Finger blau anliefen und ich jegliches Gefühl aus ihnen verlor. Dann wickelte ich es in ein Tuch ein und ging zurück zu Luke in die Umkleide, der an seiner Körperhaltung nichts weiter verändert hatte. Immer noch völlig gekrümmt saß er dort und starrte auf die ekeligen Verletzungen, die er sich zugezogen hatte.
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See the truth | ✓
Teen FictionJennifer denkt nicht im Entferntesten daran, dass sich ihr Leben um hundertachtzig Grad drehen könnte. Ihre Heimat segelte zuvor immer auf den Wellen. Nach ihrem Umzug in die Kleinstadt Elizabeth City gerät ihr vorgeplantes Leben auf den Weltmeeren...