12 - Orientierungslos auf der Schiene

86 9 64
                                    

Mit einer Pistole erschoss der Attentäter den österreichischen Thronfolger Franz Ferdinand in Sarajevo. Gleich danach brach die Panik aus. Die Bevölkerung stürzte sich auf den Attentäter und wollte ihn gleich...

Mir fehlten augenblicklich die Worte. Eine Präsentation vorzubereiten war schwerer, als es sich anhörte. Ich saß nun schon eine Ewigkeit daran und versuchte irgendwie lauter durcheinandergebrachter Wörter in meinem Kopf richtig zu sortieren und sie auf das Papier zu bringen. Ich hätte nicht gedacht, dass das jemals so schwer werden würde. - Doch ich lag wohl falsch.

Ich starrte aus dem Fenster, um nachzudenken. Die Bäume hatten wunderschöne Farben in den verschiedensten Grüntönen angenommen, sodass ich mich darin verlor. Wie der Wind durch die Blätter zog, sie aufwirbeln ließ und einige zu Boden stieß.

"Wie weit bist du?", fragte Oliver. Mein Blick löste sich aus der Tagträumerei und galt nun ganz allein ihm, der neben mir saß und die letzte Zeit mit Chatten verbracht hatte. Geholfen hatte er kein bisschen. Das lag alles an mir. Doch es war mir recht, solange er mich nicht total verleugnete. Ich war vermutlich sowieso schneller alleine im Arbeiten.

"Paar Unterthemen fehlen noch, aber ich denke, wir sollten das schaffen", antwortete ich und starrte sofort wieder auf das vollgekritzelte Blatt mit nicht beendeten Sätzen, die ich später noch umformen musste.

"Wo bist du vorgestern eigentlich hin? Die Party war gerade voll im Gange", erkundigte sich Oliver und ließ mich dabei nicht aus den Augen.

"Ich habe mich nicht so wohlgefühlt. Deshalb bin ich nach Hause. Was habt ihr denn noch so gemacht nach dem Schwimmen?", fragte ich nervös.

"Kein Plan. Ich war wohl zu betrunken, um mich daran zu erinnern", lachte er auf und redete weiter: "Du hättest wirklich noch bleiben sollen. Du hättest dich auch zu Jayson gesellen können."

Ich zuckte kurz mit den Schultern und strich mir eine Strähne hinter mein Ohr.

"Ich bin fast ertrunken, deshalb bin ich nach Hause gefahren."

"Was? Du bist fast ertrunken? Kann mich gar nicht dran erinnern", amüsierte sich Oliver und ließ anscheinend die Lebensbedrohung außer Acht. Als würde es nicht die geringste Gefahr mit sich bringen. Ich ignorierte seine Belustigung und die Tatsache, dass er mich keineswegs fragte, wie es mir ging und widmete mich wieder den letzten Worten, die ich alleine gelassen hatte.

Oliver schien mich daraufhin arbeiten zu lassen und begann wieder auf dem Display zu tippen und mit irgendwelchen Leuten zu chatten, die ich nicht kannte. Dabei wippte er vergnügt auf seinem Stuhl hin und her.

Mein Finger fuhr über meine kurze Hose, die so unbequem war, dass ich sie am liebsten auf der Stelle gewechselt hätte. Ich fühlte mich beengt und würde gerne irgendwo ganz weit weg sein.

***

Die Pause verging nur schleichend. Während Oliver, Cathrin und der Rest der Clique auf dem Rasen saß, beobachtete ich Luke, der ein paar Meter weiter mutterseelenallein auf der Wiese kniete und wieder irgendetwas in sein Büchlein kritzelte.

"Wieso mögt ihr Luke eigentlich nicht?", unterbrach ich die Diskussion von Oliver und Cathrin, bei der es anscheinend um alkoholische Getränke ging und wer am meisten davon auf der Party getrunken hatte.

Auf einmal wurden alle in der Runde still und schauten von mir zu Oliver, der ein finsteres Gesicht aufsetzte. Es ähnelte dessen von Luke, als ich ihm gestern noch dieselbe Frage mit der Clique gestellt hatte.

Doch anstatt, dass Oliver, der wie erstarrt zu mir schaute, antwortete, übernahm Cathrin für ihn: "Er hat nicht zu uns gehalten, als es ernst wurde."

See the truth | ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt